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Auch Filmfestival von Locarno 2020 ist abgesagt - kaum noch neue Filmkunst für unsere wöchentlichen Filmkritiken

Das A-Filmfestival von Locarno, ein wichtiges Aushängeschild im europäischen Sommerfestivalkalender, hat seine Ausgabe 2020 wegen der anhaltenden Coronavirus-Pandemie abgesagt.




Locarnos Maskottchen, der Leopard, schleicht sich von dannen und zeigt nicht mehr seinen sprunghaften Elan des letzten Jahres. Die Entscheidung zur Absage der 73. Ausgabe fiel nach der Entscheidung der Schweizer Regierung, das Verbot von Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Personen bis August zu verlängern. Das Festival war für den 5. bis 15. August 2020 geplant.

In einem Statement erklärten die Festleiter, dass sie das physische Ereignis nicht durch ein Online-Festival ersetzen wollen, sondern eine Reihe von Initiativen durchführen würden, die auf die Unterstützung des unabhängigen Autorenfilms und der Kinos abzielen.

In diesem Jahr wird Locarno spezielle Leopard-Preise, die Hauptpreise der Veranstaltung, an internationale und inländische Produktionen vergeben, die aufgrund der Pandemie auf Eis gelegt wurden. Die Unterstützung für die Auszeichnungen komme von seinen bestehenden Partnern.

Auch Karlovy Vary (KVIFF), ein weiteres der großen Sommerfilmfeste im tschechischen Karlsbad, hat abgesagt wie wir vorgestern berichteten.

Nur das Sarajevo Film Festival sowie Filmfestival von Venedig bestehen weiterhin darauf, dass sie in diesem Jahr stattfinden werden. Allerdings mit einem abgespeckten Programm, denn es gibt weniger Zuschauer weil derzeit kaum geflogen wird, aber auch weniger Filme, da zahlreiche Projekte auf Eis liegen und nicht zu Ende gebracht werden können.

Der Präsident des Filmfestivals von Locarno, Marco Solari, sagte: "Die Entscheidung des Bundesrates hat uns nicht überrascht. In den letzten Wochen haben der Künstlerische Leiter, der Chief Operating Officer und seine Mitarbeiter eng mit dem Vorstand zusammengearbeitet, um eine Reihe von Notfallplänen zu erarbeiten, von denen einige inzwischen zwangsläufig aufgegeben wurden."


Der Geist von Locarno, bei dem normalerweise bis zu 8.000 Zuschauer sich abends auf der Piazza Grande versammeln, um Open-Air-Kino zu erleben, kann im Zeichen der Pandemie unmöglich durchgeführt werden. Auch Alternativen mit Versammlungen von weniger als 1.000 Menschen, die auf den ersten Blick attraktiv erscheinen könnten, wurden vom Gouverneursrat des Festivals einstimmig abgelehnt.

"Das Festival will vielmehr seine Präsenz neben der Öffentlichkeit und der Filmindustrie mit einem Projekt bestätigen, das darauf abzielt, den Werten, die seine Geschichte über so viele Jahrzehnte geprägt hat, auf anderen Bühnen und Plattformen eine neue Form zu verleihen."

Die künstlerische Leiterin Lili Hinstin fügte hinzu: "In erster Linie ist das Festival hier, um den Filmen zu helfen, und die Organisation digitaler Premieren online im August scheint uns nicht der beste Weg zu sein, dies zu tun. Unsere Rolle besteht darin, als Bindeglied zwischen Filmen, Industrie und Publikum zu fungieren, und so haben wir nach alternativen Wegen gesucht, um diese Mission zu erfüllen, und bewertet, wo unsere Intervention derzeit am nützlichsten sein könnte. Wir arbeiten an der Entwicklung eines kohärenten Projekts, das der Geschichte des Festivals entspricht, mit Solidarität als Keynote, das sowohl für unser Publikum als auch für Filmemacher in Schwierigkeiten gut sein wird."


Erste Signale für Kinowiedereröffnungen.

Laut Medienberichten haben die Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Niedersachsen einen gemeinsamen Plan vorgelegt, wie Tourismus, Gastronomie und Kultur in einem drei Stufen Plan schrittweise wieder hochgefahren werden kann.

Allerdings soll die Öffnung von Theater, Konzerthäuser, Kinos und andere Kulturveranstaltungen erst in der dritten Phase nach der Öffnung von Stufe eins mit Zoos, Gartenschauen, Museen sowie Stufe zwei mit Restaurants, Cafés und Biergärten mit deutlich reduzierten Volumen erfolgen.

Filmfestspiele werden sich unter diesen Bedingungen vorerst nicht durchführen lassen. Zudem ist das Angebot an neuen Filmen derzeit äußerst beschränkt, da die Veröffentlichung neuer Werke - soweit schon vorhanden - oft erst nach den Uraufführungen auf Festivals erfolgen sollte.

Einige Majors wie Universal haben jedoch mittlerweile enorme Umsätze mit vorgezogenen Online-Verwertungen von jenen Filmen verdient, die in den Kinos nicht mehr rechtzeitig starten konnten, weil die Filmtheater fast weltweit geschlossen sind.

Universal ist über den Millionen-Online-Umsatz verzückt und will deshalb zukünftig nur noch zweigleisig fahren. Kinostarts sollen von einem gleichzeitigen Online-Vertrieb auf VoD ergänzt werden. Ein Aufbegehren einiger US-Kinoketten, begleitet von einem Boykott der Filme, dürfte Universal aber sicher sein.

Quellen: Filmecho | Locarno Film Festival

Deutschland verhält sich vorsichtig.

In Deutschland steht das Filmförderungsgesetz gegen eine vorzeitige Videoauswertung. Hierzulande müssen geförderte Filme zuerst im Kino anlaufen. Eine Ausnahme ermöglicht aber die derzeitige Corona-Pandemie, weil die Kinos noch überall geschlossen sind. Der Salzgeber Verleih zeigt deshalb Filme, deren Kinostart bevorstand, nun in einem begrenzten Zeitraum von vier Wochen im Salzgeber Club online, um die Auswertung später im Kino nachzuholen.

Dazu eine Filmkritik eines neuen Starts im VoD-Stream, der in gewisser Weise das Drama mit dem Tod im Zeichen einer weit verbreiteten, nicht beherrschbaren Epidemie vorweg nimmt.

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"RETTET DAS FEUER" Dokumentarfilm von Jasco Viefhues über den Künstler und Fotografen Jürgen Baldiga (1959-1993). Seit 30.4.2020 exklusiv im SALZGEBER CLUB online als VoD-Stream unter www.salzgeber.de.

Hier der Trailer:



Ulrikes Video-Kritik:

Ein Vierteljahrhundert nach Jürgen Baldigas Tod hat sich Regisseur Jaco Viefhues mit Wegbegleitern und Freunden des vielseitigen Künstlers getroffen. Anhand einer Fülle von Fotos und noch nie gesehenem Archivmaterial unternimmt er eine Zeitreise in die Achtziger bis in die Anfänge der 19-ziger Jahre, als die Aids-Epidemie ihren Höhepunkt hatte.

Baldiga: „Ich mache ein Foto. Ich fotografiere die Welt. Ich existiere“.

Nicht nur den Tod der Freunde, sondern auch seinen eigenen Tod vor Augen, wird Baldiga zum Chronisten seiner Zeit.

Sein Nachlass, liebevoll vom Schwulen Museum aufbewahrt, bestehend aus Tagebüchern, Texten und fotografischen Portraits, erinnert an die schwule Geschichte Berlins und trägt dazu bei, sein kurzes Leben zu rekonstruieren.

„Dieses Sterben an Aids hält ja niemand mehr aus. Jeden 2.Tag starb jemand. Für Trauer gab es keinen richtigen Raum“. Es gab nicht viele, die sich mit ihrer Krankheit öffentlich gezeigt haben. Gebrandmarkt mit dem Kaposi-Syndrom, kam ihr öffentlicher Auftritt bei der unaufgeklärten Bevölkerung, einer Hetzjagd gleich.

Baldiga lies sich davon nicht beirren. Er gestattete dem Filmemacher Michael Bryntrupp den Verlauf seiner Krankheit filmisch zu begleiten. „Die Krankheit, an der ich sterben werde, besteht aus vielen Krankheiten“. Es war die Zeit, in der auf dem CSD noch Act-up Aktionen stattfanden. Alles, was politisch aktuell war, wurde aufgegriffen. Baldinga war mit seiner Kamera überall dabei.

Er war ein Mensch, der sein Leben in vollsten Zügen genoss. Als seine Kräfte nachließen, entschloss er sich, seinem Leben ein Ende zu setzen.

Es kommen zu Worte: Aron Neubert, Michael Brynntrup. Melitta Poppe Mignon, Paula, Axel Wippermann und sein Freund Ulf, der ihn auf seinem letzten Gang begleitete.

Auch ich habe in der Zeit zwölf Freunde verloren. Noch heute denke ich ab und zu an Manfred Salzgeber, den ich auf der Berlinale kennen gelernt habe und mit dem ich zusammen in Lothar Lamberts Film „Die Alptraumfrau“ eine Szene zusammen spielte.

Ulrike Schirm


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