Ein Drama aus der Welt des Sports und ein Biopic über eine längst verstorbene Ikone
Im erstgenannten Film wird eine ehemalige Kampfsportlerin angeheuert, um drei wohlhabende jordanische Schwestern zu trainieren. Doch die jungen Frauen stehen unter ständiger Überwachung und zeigen kein ernsthaftes Interesse am Sport.

"MOND - MOON" eine Ulrich Seidel Filmproduktion unter der Regie von Kurdwin Ayub, die den Spezialpreis der Jury des 77. Locarno Filmfestivals 2024 gewann. (Österreich, 2024; 92 Min.) Mit Florentina Holzinger, Andria Tayeh, Celina Sarhan u.a. seit 27. März 2025 im Kino. Hier der Trailer:
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In der Sektion Panorama der diesjährigen 75. Berlinale begeisterte die Biopic-Doku der in Ulm geborenen, aber meist in Berlin lebenden und hier auch 2002 verstorbenen Schauspielerin und Chansonsängerin Hildegard Knef das Publikum.
"ICH WILL ALLES. Hildegard Knef" Biographischer Dokumentarfilm von Luzia Schmid, dessen Weltpremiere in der Reihe Panorama-Dokumente der 75. Internationalen Filmfestspiele Berlin lief. (Deutschland, 2025; 98 Min.) Mitwirkende: Christina Palastanga, Paul von Schell. Narration: Nina Kunzendorf. Seit 3. April 2025 im Kino. Hier der Trailer:

"MOND - MOON" eine Ulrich Seidel Filmproduktion unter der Regie von Kurdwin Ayub, die den Spezialpreis der Jury des 77. Locarno Filmfestivals 2024 gewann. (Österreich, 2024; 92 Min.) Mit Florentina Holzinger, Andria Tayeh, Celina Sarhan u.a. seit 27. März 2025 im Kino. Hier der Trailer:
Elisabeths Filmkritik:
Sarah, gespielt von der Choreographin und Performance-Künstlerin Florentina Holzinger, die übrigens auch künstlerische Beraterin an der Berliner Volksbühne ist, lebt in Wien. Bisher war sie Kampfsportlerin. Nun muss sie sich neu orientieren. Sie bekommt ein Jobangebot aus dem Nahen Osten. Sie soll in einer Familie als Personal Trainerin arbeiten. Das hört sich gut an und Sarah schlägt die Bedenken ihres Umfeldes ob der ihr unbekannten Kultur in den Wind.
Ihr Job führt sie wortwörtlich in die Wüste. Sie begegnet drei Schwestern, denen sie Kampf, Ausdauer und Selbstverteidigung beibringen soll. Das pompöse Anwesen ist allerdings eine lange Autofahrt weit weg von allem. Die Schwestern haben kaum Berührung zur Bevölkerung. Die Familie lässt die Frauen nur mit Bodyguards, man könnte auch sagen bei konstanter Bewachung, zum Beispiel zum Shoppen gehen. Wenn sie in Geschäfte wollen, dann wird das Einkaufscenter zuvor geleert. Handys, W-Lan und was man für eine Anbindung bräuchte, sind nicht gegeben. Nour (Andria Tayeh) ist die ältere Schwester, Fatima (Celina Antwan) und Shaima (Nagham Abu Baker) sind jünger, offensichtlich auch etwas verspielter. Sarah trifft zwar auf die Brüder, die sie empfangen hatten, aber nie das Familienoberhaupt. Das Diktat, dem sie sich hier unterordnen soll, bleibt für sie unbekannt und unerkenntlich.
Sarah muss ihre Rolle erst finden und auch, wie sie sich zu verhalten hat, bleibt für sie uneindeutig. Es ist scheinbar nicht vorgesehen, dass sich Sarah mit den Schwestern anfreundet. Doch natürlich entsteht mit der Zeit ein Austausch. Wenn eine der Schwestern sie um ihr Handy bittet, leiht sie es. Als die Schwestern sie bitten, ihnen die Flucht zu ermöglichen, dann wähnt sich Sarah auf der guten Seite. Sarah ist die, die im sogenannten Westen sozialisiert wurde und zwar zunehmend die so unsichtbare wie absolute Unterdrückung spürt, aber denkt, sie könne helfen.
Kurdwin Ayubs Debütfilm, "Sonne", wurde auf der Berlinale 2022 in der Sektion "Encounters" uraufgeführt und mit zahlreichen Preisen bedacht. Zu recht. Die junge österreichische Regisseurin mit kurdischen Wurzeln, galt als Entdeckung. "Sonne", über die Identitätsfindung einer jungen Kurdin und ihrer Freundinnen, die alle in Österreich aufgewachsen sind, zeigte eine eigene Handschrift, war faszinierend und spröde zugleich. Auch in "Mond" geht es um Identität, doch auf einem ganz anderen Level.
In "Mond" weiß Ayub die Beziehung zwischen mehreren Figuren geschickt auszuloten. Dabei geht es nicht nur um den Kulturschock, den Sarah in Jordanien erlebt, hier wurde auch gedreht.
Wie schwierig kann der Job, drei jungen Frauen Kampfsport beizubringen, schon sein? Sehr. Denn bereits die Erkenntnis, dass die Schwestern, denen sie begegnet, sich keineswegs für den Sport und schon gar nicht für das Training interessieren, verunsichert. Was ist Sarahs Rolle hier? Ayub gibt dieses Gefühl der Verunsicherung an das Publikum weiter, eben auch, weil sie die Hintergründe nicht aufschlüsselt und uns somit in die Rolle der Sarah hält.
Sarah wähnt sich in ihrem Weltbild gefestigt und wird eines besseren belehrt. Sie sieht sich als Kämpferin und fällt automatisch in dieses Klischee des "White Saviors" (Weißer Retter). Ayub zeigt uns nicht nur ihre zunehmende Hilflosigkeit angesichts der Widerstände, sondern auch die Illusion, der sich Sarah hingibt. Die Schwestern, so unterschiedlich sie sind, verwickeln Sarah immer mehr in Einblicke in ihren goldenen Käfig, ohne sie je ganz zu involvieren. Dadurch findet sich auch das Publikum in dieser Rolle, hilflos einer Situation ausgesetzt zu sein, die man weder überschaut, noch verstehen kann. Selbst die Solidarität zwischen den Schwestern und der Außenseiterin ist nur Wunschtraum. Während Sarah zunehmend in eine passive Rolle fällt, erweisen sich die Schwestern als kämpferisch und mutig.
"Mond" wurde letztes Jahr in Locarno uraufgeführt. In Berlin wurde Ayubs zweiter Spielfilm im letzten Dezember auf dem Festival Around the World in 14 Films gezeigt. Auch "Mond" wirkt spröde. Der Film vertieft die Themen, die der Regisseurin am Herz liegen um eine Ebene. Es hallt nach.
Elisabeth Nagy
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In der Sektion Panorama der diesjährigen 75. Berlinale begeisterte die Biopic-Doku der in Ulm geborenen, aber meist in Berlin lebenden und hier auch 2002 verstorbenen Schauspielerin und Chansonsängerin Hildegard Knef das Publikum.
"ICH WILL ALLES. Hildegard Knef" Biographischer Dokumentarfilm von Luzia Schmid, dessen Weltpremiere in der Reihe Panorama-Dokumente der 75. Internationalen Filmfestspiele Berlin lief. (Deutschland, 2025; 98 Min.) Mitwirkende: Christina Palastanga, Paul von Schell. Narration: Nina Kunzendorf. Seit 3. April 2025 im Kino. Hier der Trailer:
Elisabeths Filmkritik:
Wenn man sich etwas für Lokalgeschichte interessiert, wenn man denn in Berlin Friedenau wohnt, dann stößt man irgendwann auch auf Hildegard Knef (1925-2002). Jetzt mal ganz abgesehen davon, dass man sie als Schauspielerin ("Die Mörder sind unter uns", "Die Sünderin") und als Sängerin ("Für mich soll's rote Rosen regnen") bereits kannte. Die Bernhardstraße, die gleich an der Ringbahn liegt und sozusagen über zwei Ecken angelegt ist, war eine wichtige Adresse in Hildegard Knefs Leben, nachdem sie aus ihrer Geburtsstadt Ulm mit ihrer Mutter nach Berlin zog. In ihrem Buch von 1970: "Der geschenkte Gaul", erzählt sie davon.
Hildegard Knef konnte erzählen, detailreich, mitunter spitz, oft anekdotisch. Sie hatte etwas zu erzählen. Man hört ihr gerne zu. Ihre Bücher sollten wieder mehr gelesen werden. Das machte sich auch die deutsch-schweizerische Dokumentarfilmerin Luzia Schmid, für "Geschlossene Gesellschaft – Der Missbrauch an der Odenwaldschule" von 2011 gewann sie den Grimme-Preis ein erstes Mal, zunutze. Zu Knefs 100sten bringt sie ein Porträt der Künstlerin heraus, das sich fast ausschließlich auf die Erzählungen von Hildegard Knef aufbaut. Es ist die Schauspielerin Nina Kunzendorft, die hier ihr ihre Stimme leiht. Zahlreiches Archivmaterial hat Luzia Schmid zusammengetragen, teilweise bisher unbekannt, und erzählerisch verbunden. Nur ihr dritter Ehemann und ihre Tochter kommen darüberhinaus zu Wort.
Auch wenn man mit dem Werk dieser Nachkriegskünstlerin vertraut ist und vielleicht neue Erkenntnisse vermisst: "Ich will alles - I Want It All" vermittelt ihre Vita aus innen heraus. Dabei ist es gerade keine Hommage und gewiss kein reines Fleißprojekt. Schmid arbeitet eher reflektiv und gibt der Knef den Raum für Zweifel, die diese gehabt hatte.
Hildegard Knef war selbstkritisch, sie mochte den Rummel nicht, sie brauchte trotzdem die Aufmerksamkeit, und diesen Widerspruch weiß die Dokumentarfilmerin zu vermitteln. Ihre mitunter kecken Bemerkungen sind auf den Punkt. Ihre Feststellungen klug. Ihre Art zu denken zollt Respekt. Wie offen und ehrlich sie ihr Leben preisgibt, auch in Rahmen von öffentlichen Auftritten in Sendungen, bei denen man angesichts der Floskeln der Moderatoren und Reportern sich in Fremdscham ergibt, das zeigt Klasse. Hildegard Knef hatte nicht nur einen rauen Charme, sie war klug und von ihrer Selbstkritik könnten sich heute einige etwas abschauen.
Anhand ihrer eigenen Worte erfahren wir, wie der Skandal um die Nacktszene in "Die Sünderin" auf die Knef wirkte. Wir begleiten sie nach Amerika und erfahren einfühlsam und mitfühlend, wie sie dort in ihrer Karriere eher geblockt als gefördert wurde.
Immer wieder fand Hildegard Knef einen Neuanfang. Einfacher wurde es nicht. Luzia Schmid findet die richtigen Ausschnitte, die die Mühen um ihre Karriere vermitteln und man zollt der Knef auch nachträglich Respekt dafür. In späteren Jahren zeichneten sie ihre Krankengeschichte. Wie sehr diese sich auf ihr Leben auswirkte, dazu gibt ihre Tochter ehrliche Einblicke. Ein erst irritierender Einschub, der aber die Knef sicherlich in ihrem eigenen Sinne unterstützt, wenn sie zu sehr in sich gefangen war.
Nicht nur die Lokalgeschichte ist speziell und spannend. Wichtig ist zu allen Zeiten auch der Blick auf die Zeitgeschichte. Hildegard Knef war sich der Zeit, die sie prägte und dessen Diktat sie sich fügen musste, wohl bewußt. Luzia Schmid weiß den Zeitgeist dieser Epoche zu verdeutlichen. "Ich will alles - I Want It All" ist ein persönliches Porträt und gleichzeitig ein Porträt der Zeit, in der Hildegard Knef Erfolge feierte und scheiterte und weitermachte. Das macht diesen Film noch einmal besonders spannend und auch wichtig.
Elisabeth Nagy