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Fazit zu den „JEWCY MOVIES“ des JFBB Film Festivals

Wie von uns am Samstag erwähnt, gibt es die „JEWCY MOVIES“ Gewinner Filme des JFBB Film Festivals noch bis Mittwoch, den 21.06.2023 im Berliner »Kino Central« auf der Open-Air-Leinwand zu sehen.



Das 29. Jüdische Filmfestival in Berlin Brandenburg (JFBB) mit dem schönen Titel „JEWCY MOVIES“ zeigte in diesem Jahr vom 13. - 18. Juni 2023 insgesamt 64 Filme aus siebzehn Produktionsländern. Die Film-Themen widmeten sich möglichst gleichberechtigt allen bekannten Film-Genres: Den Klassikern wie den Komödien, dem Arthouse-Kino ebenso wie dem Dokumentarfilm etc. Und sie machten auch nicht Halt vor Blockbustern und Thrillern.

"Die »Jewcy Movies« sind nachdenklich und humorvoll, zwischen individueller Lebensgeschichte, politischem Essay und diskussionsfreudiger Dokumentation“, hieß es in der Ankündigung des Festivals.

Und weiter: „Das Festival beleuchtet jüdische Geschichte, Gegenwart und Zukunft. Manchmal mit einem Augenzwinkern, aber immer tiefgründig. Jüdische Themen werden diskutiert, jüdische Biografien werden erzählt und jüdisches Leben in all seiner ganzen Erfahrung, Tradition und Alltagskultur gezeigt.“


Es ging also auch dieses Jahr nicht nur um tiefe Betroffenheit (so wie sie meistens bei jüdischen Themen erwartet wird) sondern gleichberechtigt um traurige und messerscharf beobachtete Situationen als auch um humorvolle Analysen, die allesamt den Fassetten-Reichtum jüdischer Erfahrungen spiegelten.

Das Jüdische Filmfestival vergab erstaunlicherweise nun schon zum zweiten Mal in der zeitlichen Mitte der Gesamtveranstaltung zwei gleichberechtigte Preise im Wert von 3000 Euro, die schon seit vielen Jahren von den beiden Töchtern des inzwischen verstorbenen Film-Pioniers Gershon Klein gestiftet werden.

Wie von uns bereits am Samstag, den 17. Juni 2023, schon geschrieben, vergab die JFBB-Spielfilmjury ihren Preis an den Schwarz-Weiß-Film "SHTTL" (UA/FR 2022) von Ady Walter.

Seltsamerweise wirkt dieser ungewöhnliche Film so als wäre er in einer einzigen Einstellung gedreht worden. Zumindest dann, wenn er die Geschichte der Rückkehr des jungen Mendele in sein ukrainisch anmutendes Heimatdorf 1941 erzählt. — Und das Ganze soll auch noch genau einen Tag vor der damaligen Nazi-Invasion in die UdSSR geschehen sein.

Der Gershon-Klein-Dokumentarfilm-Preis ging an "KNOCK ON THE DOOR" von Aya Elia und Ohad Milstein. Der Film, der dieses Jahr in Israel entstand, ist eine nachdenklich machende und hochemotional wirkende Reflexion über Offizier*innen der israelischen Streitkräfte, die die schreckliche Aufgabe haben den Familien gefallener Soldat*innen die Todesnachricht zu überbringen.

In diesem Fall berührte die Tatsache sogar auch den Zuschauer in einem besonderen Maße. Denn die Ko-Regisseurin Aya Elia war selbst erst 11 Jahre als ihre Familie die Todesnachricht von den „Engeln des Todes“ der israelischen Streitkräfte über den gefallenen Bruder erhielt. — Ein zutiefst nachdenklicher Film über ein universelles Thema. Denn Gefühle der Schuld, der Leere und des tiefen Schmerzes quälen Aya Elia, wie sie während des Festivals berichtete, auch heute noch.

Und die Begründung der Dok-Film-Jury lautete folgendermaßen: "Eine junge und neue Stimme im Kino. Mit einem einzigartigen Stil und außergewöhnlicher Bildsprache. Wir haben uns entschieden, einen Film auszuzeichnen, der uns in eine Welt zurückführt, wo sich junge Leute zwischen Tradition und individueller Freiheit bewegen“.


Gemeint ist damit hauptsächlich die junge Regisseurin Aya Elia, die von Ohad Milstein, dem wiederholt Preise gewinnenden Dokumentaristen und Produzenten gefördert wird, der in Jerusalem an der Bezalel Academy unterrichtet und in Tel Aviv lebt.

Vom Publikum ebenfalls sehr gut aufgenommen wurde auch der dokumentarisch wirkende polnische Spielfilm „MARCH ’68“, der schon am ersten Festivaltag von »Jewcy Movies« im beliebten und geschichtsträchtigen »Filmkunst 66« gezeigt wurde, das schon seit 1971 als gemütliches Festivalkino in Berlin-Charlottenburg gilt.

Zum Abschluss wurde „MARCH ’68“ nochmals im wunderschönen Babelsberger Programmkino »Thalia« gefeiert. Einem Kino, in dem schon zu DDR-Zeiten 1966 „SPUR DER STEINE“ uraufgeführt wurde und das nach der „Wende“ tatsächlich das große Kinosterben überlebte. Mit vier Sälen und 709 Plätzen sind die »Thalia Kinos« nun das modernste Arthouse Programmkino der Stadt Potsdam. Noch dazu erfreuen deren Gäste mit einer rundherum existierenden angenehmen Gastronomie.

Mit erwähntem Film „MARCH ’68“ entsteht der Eindruck, dass die polnischen Filmemacher sich neuerdings wieder vermehrt auf ihre Geschichte der schlechten Behandlung und Vertreibung ihrer jüdischen Mitmenschen besinnen und von daher versuchen diese Misere aufzuarbeiten, indem sie dokumentarisch genauestens recherchierte Szenen verknüpfen.

Diese hohe Quote der Aufarbeitung der polnischen Juden-Misshandlung ist zurzeit besonders dem Programmdirektor Bernd Buder und seinem Team zu verdanken. Was aber keineswegs als Abwendung von der Verantwortung oder gar dem Freispruch der Deutschen in der Verfolgung jüdischer Mitmenschen begriffen werden sollte.

Nur die polnischen Filmemacher können zurzeit — wenigsten scheint es in Bezug auf das 29. JFBB so zu sein — emotionaler und verständnisvoller und mit mehr Schuld-Bewusstsein mit ihrer Geschichte der Verfolgung von Menschen jüdischen Glaubens umgehen.

Bei uns in Deutschland wurde Martin Walser schon vor vielen Jahren missverstanden als er deutsche Schulen vor eventuell zu übertriebener Aufarbeitung der Vertreibung-Geschichte jüdischer Mitmenschen warnte… Leider hat seitdem aber die Missachtung von Menschen jüdischen Glaubens in Deutschland wieder kräftig zugenommen.

von Angelika Kettelhack

Link: jfbb.info

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