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Ein junger, fantastischer Elvis, fast besser als das Original - Unsere Filmkritiken

Aktuell im Kino ein ELVIS Presley Biopic, noch gänzlich ohne Deepfake Effekte und dennoch mit sehr realistischer Wirkung.



Medienmanipulation sind kein neues Phänomen. Dass jedoch künstliche, neuronale Netzwerke Fälschungen weitgehend autonom erzeugen können, ist ein epochaler Meilenstein des maschinellen Lernens.

Kürzlich kehrte die schwedische Mega-Band ABBA, nach 40 Jahren Abstinenz, auf die Bühne zurück. Bemerkenswert ist jedoch, dass der Auftritt quasi mit Avataren erfolgte. Genauer gesagt wurde der Auftritt der vier über 70-jährigen Bandmitglieder*innen mit 160 Kameras aus allen Perspektiven abgefilmt, um als realistisches 3D-Video wiedergegeben werden zu können. Allerdings wurden ihre Körper und Gesichter mit Hilfe von Deepfake Effekten so verjüngt, dass der 40 jährige Altersunterschied zu ihrem letzten Auftritt nicht mehr sichtbar werden sollten.

Es war das erste Mal, dass ein Live-Bild mittels holografischer Technik so verfremdet werden konnte, als sei die Aufnahme vor 40 Jahren entstanden. Auch Sir Paul McCartney nutze am 23. Juni 2022 auf dem Glastonbury Festival eine ähnliche Technik und konnte so noch einmal gemeinsam mit der Beatles-Ikone John Lennon auftreten, der im Dezember 1980, im Alter von 40 Jahren, erschossen worden war.

Die neue Technik wird sich vermutlich auch die Filmbranche früher oder später aneignen, um verstorbene Personen in Neuverfilmungen wieder aufleben lassen zu können. Bei dem aktuellen ELVIS Biopic wurde die Technik noch nicht verwendet. Der ausgesuchte Elvis Presley Darsteller lies in seinem eindrucksvollen Auftritt aber schnell vergessen, das es sich nur um einen Schauspieler handelt, der den Part des jungen Elvis fast perfekter als das Original wiedergibt. Tanz, Gesang und Hüftschwung begeistern das Publikum.

Beängstigender ist jedoch der Einsatz von Deepfake Effekten in der politischen Propaganda. Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey merkte erst nach 30 Minuten, dass ein Videotelefonat mit dem vermeintlichen Bürgermeister von Kiew, Vitali Klitschko, ein Fake-Anruf war, obwohl sie schon früher hätte stutzig werden sollen, weil der falsche Klitschko mit ihr in russisch statt in deutsch oder ukrainisch sprechen wollte. Das Bild der Videoübertragung war in Mimik und Gestik so perfekt, dass es scheinbar nur an Hand der Thematik vom Original zu unterscheiden war.

Die Mühe, den Zuschauer zu täuschen, hat das ELVIS Presley Biopic nicht nötig. Es zeigt nahezu unbekannte, wenn auch nachgestellte Erinnerungen an seine Jugend sowie zum Schluss auch ein paar Original Szenen des durch seinen schlechten Gesundheitszustand ziemlich aufgeschwemmten und durch Alkohol stark gealterten Elvis, der 1977 im Alter von nur 42 Jahren an einer Herzerkrankung verstarb.
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"ELVIS" Baz Luhrmanns Musik Biopic über Elvis Presley von seiner Jugend bis zu seinem Bühnen-Comeback in Las Vegas (Australien/USA 2022, 159 Min). Mit Austin Butler, Tom Hanks, Olivia DeJonge u.a. seit 23. Juni 2022 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:
(Viva Las Vegas - ein Film, wie ein Rausch)

Im Mittelpunkt von "ELVIS" steht sein berüchtigter Manager Colonel Tom Parker (Tom Hanks), der am Anfang nach einem Schlaganfall in Las Vegas zusammenbricht und mit einem Rettungswagen in eine Klinik gefahren wird.

Baz Luhrmann beleuchtet in seinem Hollywood-Biopic "ELVIS" den Aufstieg und Fall des begnadeten King of Rock´n´Roll aus der Perspektive des Colonel Parker.

„I'm the man, who give the world Elvis Presley. A white boy with black hips“. Ständig spricht Parker von „seinem Jungen“. Als er Elvis Stimme zum ersten Mal im Radio hört, hält er ihn für einen schwarzen Sänger. Man muss schon zweimal hinschauen, um Tom Hanks in der Rolle des Ausbeuters zu erkennen. Er trägt einen Cowboyhut, einen künstlichen Bauch, seine Wangen sind aufgepolstert und er versucht ein überkorrektes Englisch zu sprechen, um seine Herkunft aus den Niederlanden zu verbergen, da er sich illegal in den USA aufhält.

Seine Kindheit hat Elvis in den 50-Jahren in einer politisch ereignisreichen Zeit verbracht.

Aufgewachsen ist er in Tupelo, in der Nähe eines afroamerikanischen Viertels, wo er Freundschaften mit schwarzen Jungen hegte und fasziniert von den Gospelgesängen bei den Gottesdiensten war und sein Körper rhythmisch mitzuckte. Während einer der Messen hatte er eine Erscheinung und kippte um.

Die schwarze Musik ist wie ein Rausch für ihn. Später zieht er mit seinen Eltern nach Memphis, wo er sich in der weltberühmten BEALE-STREET mit ihren Vergnügungsvierteln herumtreibt und seine Begeisterung für den Blues entdeckt.

Seine erste Single, bei der er einen neuen Musikstil kreierte war die Coverversion des Songs „That's All Right (Mama)". Einer seiner besten Freunde ist der Bluessänger B.B. King und seine Verehrung gehört Fats Domino und Little Richard. Die schwarze Musik prägte ihn sein Leben lang. Der schmächtige Junge hat sich zu einem Supermusiker entwickelt.

Luhrmann inszeniert seine Hommage an den King of Rock 'N' Roll als mitreißenden Rausch aus Bildern und Sound. Sein Elvis-Darsteller ( Austin Butler) ist charismatisch und sexy und auch seine Hits singt er teilweise selber. Sein aufreizender Hüftschwung ist sogar beweglicher als der, des Originals. Kein Wunder dass seine weiblichen Fans wie wild kreischen. Konservative Politiker und religiöse Fanatiker liefen Sturm. Luhrman begleitet Presley vom Anfang seiner Karriere bis zum tragischen Ende. Auch seine Trauer über den Tod von Martin Luther King lässt er nicht aus, denn Elvis war ein spiritueller Mensch und mit den Schwarzen sehr verbunden.

Als sich der Vorhang öffnet, sieht man das Studio-Logo von Warner Bros, bestückt mit vielen bunten Strasssteinen. Ein Omen auf die schillernden Auftritte, die da kommen werden. 1968 rebelliert Elvis noch einmal gegen seinen Manager. Die Bilder seines Absturzes bleiben uns erspart.

ELVIS – ein überwältigendes Portrait, bei dem die 159 Min. wie im Fluge vergehen.

Ulrike Schirm


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"SHIVER – Die Kunst der Taiko Trommel" Musik-Experimentalfilm von Toshiaki Toyoda (Japan, 2020, 89 Min). Nur für kurze Zeit in ausgesuchten Kinos seit 23. Juni 2022.

Vorstellungen in Berlin:
Sputnik Kino:----------------23.-29.6.2022
Kino in der Brotfabrik:---23.-29.6.2022
Filmkunst 66:---------23.+26.+29.6.2022
Tilsiter Lichtspiele:---------23.-29.6.2022
b-ware! Ladenkino:--------23.-29.6.2022

Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:
(Beeindruckender fernöstlicher Konzertfilm)

"SHIVER" ist ein ganz besonderer Konzertfilm auf den man sich einlassen sollte, um die unterschiedlichen Rhythmen, die man auf der Taiko, einer traditionellen, japanische Trommel mit grenzenlosen rhythmischen Möglichkeiten, bis hin zur Ekstase erlebt. Dieser große Trommeltyp muss mit bloßen Holzstäben geschlagen werden, was für die Trommler einen immensen Kraftakt bedeutet.

Taiko bezeichnet man auch die Spielweise des Trommelensembles unter der Leitung des Komponisten Koshiro Hino, der mit seinem Ensemble schon bei den Berliner Festspielen aufgetreten ist.

"SHIVER" ist ein Film, der ohne Dialoge auskommt und sich ganz auf die Töne, die Musik und die mitreißende Performance des Ensembles konzentriert. Die Aufnahmen entstanden teilweise in abgedunkelten Innenräumen oder draußen im Einklang mit der beeindruckenden Natur auf der Insel Sado. Es entsteht ein rhythmischer Dialog mit der Natur, abklingend und wieder anschwellend. Ein Bach, der zu einem reißenden Wasserfall wird, aufschäumende Wellen und bizarre Wolkenformationenbilden die Kulisse.

In den Räumen, die einem Tempel ähneln, treffen wir auf Trommelgruppen, die aus Glocken und Klanghölzern feine entspannte Töne zum Erklingen bringen und wo auch mal gesungen wird, von taktvollem Klatschen begleitet. Zwischendrin tauchen maskierte Tänzer*innen auf, deren Ritual etwas furchteinflößendes hat.

„Das Portrait des Filmemachers Toshiaki Toyoda über die Zusammenarbeit zwischen dem aufstrebenden zeitgenössischen japanischen Musiker und Komponisten Koshiro Hino und dem von der japanischen Insel Sado stammenden Taiko Performing Arts Ensemble Kodo, ist ein völlig neues und einzigartiges audiovisuelles Erlebnis, welches uns staunend in die fernöstliche Kultur entführt.“

Ulrike Schirm


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"THE BLACK PHONE - sprich nie mit Fremden" Thriller mit Gruselfaktor von Scott Derrickson für Kinder/Jugendliche (FSK 6) und Erwachsene (USA, 2021). Mit Mason Thames, Madeleine McGraw, Ethan Hawke u.a. seit 23. Juni 2022 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

"THE BLACK PHONE", ein mitreissender Horrorthriller, ist eine Adaption der gleichnamigen Kurzgeschichte von Joe Hill, dem Sohn von Stephen King.

Ein Vorort von Denver im Jahre 1978. Hier lebt der etwa 13-jährige Finney Shaw mit seiner kleineren Schwester Gwen, zusammen mit ihrem zur Gewalt neigenden, verwitweten Vater. Beide werden ständig verprügelt. Finney von seinen Mitschülern und Gwen von dem meist betrunkenen Vater. Gwen hat des Öfteren Visionen, die ihr schon Ärger mit der Polizei eingebracht haben, weil die glaubt, sie seien wahr. Sie ist selbstbewusst und mutig und hat ein feines Gespür, sich rechtzeitig bei ihrem Vater zu entschuldigen, bevor es wieder grundlos Schläge setzt.

Die ständige Begleitung der Kinder im Ort ist die Angst. Fünf Jungen sind bereits entführt worden und nicht wieder aufgetaucht.

Auch Finney erwischt es. Ein dunkler Kastenwagen hält. Der Fahrer säuselt etwas von Hilfe und im nächsten Augenblick zerrt er den Jungen in den geräumigen Transporter. Seine Schwester Gwen hat eine ihrer Visionen. Im Traum erscheint ihr der „Grabber“, so wird der Entführer von der Polizei genannt, bleich geschminkt, am Handgelenk eine Traube von schwarzen Luftballons. Sie erzählt den Traum in der Schule.

Von Anfang an wählt Regisseur Scott Derrickson verwaschene grobkörnige Bilder, geprägt von vorausahnendem Grausen.

Finney findet sich in einem schalldichten Kellerraum wieder, einziges Möbelstück eine Matratze und an der Wand ein schwarzes Telefon mit einer Wählscheibe, dessen Kabel durchgeschnitten ist. Ab und zu lässt sich der gestörte Entführer, der eine ziegenartige Satansmaske trägt sehen, um dem Jungen Essen hinzustellen. Dann verschwindet er wieder.

Was der Täter mit ihm vorhat, weiß man nicht. Vielleicht ist es der Genuss der Macht über eine schwächere Person.

Plötzlich klingelt das Telefon. Finney hört die Stimmen der fünf Jungen, die der „Grabber“ bis jetzt ermordet hat. Sie geben ihm Ratschläge, wie er aus seinem Gefängnis fliehen- und sich seinem Peiniger zur Wehr setzen kann.

Derrickson spielt mit so einigen parapsychologischen Elementen, die eher ein Lächeln hervorrufen, als den Spannungsbogen zu erhöhen, sowie im Raum bewegliche Geschirrteile.

Es ist Ethan Hawke, der sich hinter der schaurigen Maske verbirgt und seiner Stimme variable, furchteinflößende und gehässige Töne verleiht. Das ist schon schauerlich genug.

Der Film beeindruckt nicht nur durch seinen Gruselfaktor sondern auch durch das überzeugende Spiel des Geschwisterpaare (Mason Thames und Madeleine McGraw), die nichts unversucht lässt, ihren Bruder zu finden, wobei ihre übernatürlichen Kräfte eine große Hilfe sind.

Ulrike Schirm


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