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Unsere Filmkritiken im Oktober, Teil 4 mit neuen Besprechungen + Infos zum kurdischen Filmfestival

Zwei neue Besprechungen zu Kinostarts sowie nochmals Empfehlungen zum aktuell in Berlin laufenden 11. Internationalen Kurdischen Film Festival.



Der Befreiungskampf der Kurden, die keinen eigenen Staat besitzen, aber in ihrem ca. 500.000 qkm umfassenden Siedlungsgebiet sowohl von der Türkei als auch vom Irak, Iran und Syrien unterdrückt werden, spiegelt sich leider jedes Jahr vornehmlich auch in zahlreichen militaristischen Filmen wieder. Doch es gibt Ausnahmen mit Filmkunst von A-Festivals wie Karlsbad oder Berlin.

Warum Menschen nicht vom Kampf ablassen können und welche persönlichen Ursachen manchmal dahinter stecken, zeigt ziemlich deutlich der an der Filmuniversität Babelsberg entstandene mittellange Dokumentarfilm "AMAZONEN EINER GROßSTADT" von Thais Odermatt mit einer Laufzeit von 66 Minuten, der zumeist in Berlin spielt und am 16.10.2021 um 15:00 Uhr im Berliner Kino Babylon:Mitte gezeigt wird.

Hier der Trailer:



In der Mythologie sind Amazonen elegante, geschmeidige Kämpferinnen mit Pfeil und Bogen. Thais Odermatts moderne Amazonen sind ungestüme Heldinnen, die auch in der Martial Arts Arena schonungslos bereit sind für das zu kämpfen, was ihnen wichtig ist.


Auch der gestrige Eröffnungsfilm "THE EXAM" von Shawkat Amin Korki, einer diesjährigen Festivalpremiere von Karlsbad (Karlovy Vary), den wir bereits am 7. Oktober 2021 ausführlich mit Trailer vorgestellt hatten, spiegelt eine andere Realität kurdischen Lebens wider.

Rund 400 Gäste waren gestern, den 14.10.2021, zur Deutschland-Premiere ins Kino Babylon:Mitte gekommen und feierten den Regisseur sowie Hauptdarstellerin Avan Jamal. Eine Wiederholung der Aufführung erfolgt am 19.10.2021 im Kino Moviemento um 20:00 Uhr.



Um einer Zwangsheirat zu entkommen, muss eine junge Schülerin ihre Hochschulaufnahmeprüfung bestehen. Dabei wird bestochen, denn ein riesiges Netzwerk korrupter ehemaliger Lehrer kassiert von den jungen angehenden Studenten*innen überhöhte Geldforderungen, um diese illegal durch die Prüfung zu schleusen. Doch die Tricks fliegen auf und der Traum eines unbeschwerten Lebens scheint zu zerrinnen.


Mit dem rumänisch-türkischen Drama "BROTHER'S KEEPER" von Ferit Karahan findet sich eine weitere empfehlenswerte, hochrangige Ausnahme im Programm des internationalen kurdischen Film Festivals wieder, die zuvor auf der diesjährigen 71. Berlinale in der Sektion Panorama ihre Deutschlandpremiere feierte. Über einen regulären Kinostart ist uns bisher leider nichts bekannt, sodass der Film nur jetzt beim kurdischen Festival noch einmal am 16.10.2021 um 21:00 Uhr im Moviemento Kino sowie online im Stream gesehen werden kann. Hier der Trailer:



Auch in diesem Film geht es um schulische Erziehung und harte drakonische Maßnahmen. Allerdings nicht um Hochschulanwärter*innen wie weiter oben bei "The Exam", sondern um wehrlose kleine Jungen, die auch parieren müssen wenn sie krank und schwach sind. Die eisige Gefühlskälte, die in diesem autoritären Erziehungsapparat zwischen Lehrer*innen und Schülern herrscht, ist auch für Zuschauer fast physisch erlebbar.


Das kurdische Film Festival findet in den Berliner Kinos Babylon:Mitte, Moviemento und FSK vom 14. - 20. Oktober 2021 statt sowie 30 Tage lang weltweit online im Digital-Stream.

Link: kurdisches-filmfestival.de

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Nachfolgend unsere Filmbesprechungen von zwei Filmen, die gestern regulär in den deutschen Kinos angelaufen sind.

"FLY" Drama von Katja von Garnier mit dem berühmten Tanzensemble der Flying Steps (Deutschland). Mit Svenja Jung, Jasmin Tabatabai, Nicolette Krebitz, Katja Riemann, Aleksandar Jovanovic u. a. seit 14. Oktober 2021 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:
Über junge Häftlinge, die durch eine Tanztherapie resozialisiert werden sollen.

Die 20-jährige Bex (Svenja Jung) verursachte einen folgenschweren Unfall und muss im Gefängnis vor ihrer Entlassung ein Resozialisierungsprogramm absolvieren. Sie soll an einem Tanzworkshop teilnehmen. Doch die rebellische Einzelgängerin verweigert sich, da sie an einen Erfolg nicht glaubt. Anwältin Dr. Goldberg (Katja Riemann) und die Pädagogin Sara (Nicolette Krebitz) bleiben hartnäckig. Sie engagieren die Tanztherapeutin Ava (Jasmin Tabatabai) ein ehemaliger Star der Breakdance-Szene, von der sie glauben, mit den Knackis klar zu kommen. Bex öffnet sich langsam ihren Mithäftlingen und willigt ein.

Ava: „Mir ist völlig egal, wie ihr tanzt. Mich interessiert die Geschichte, die ihr mit dem Tanz erzählt. Tanz ist Hingabe.“

Nach und nach findet Bex im Tanz eine Möglichkeit, zurück ins Leben zu finden, allerdings mit Komplikationen.

Was in den Gemäuern des Gefängnisses begann, weitet sich aus in die Öffentlichkeit der Stadt Berlin. Straßen und Plätze werden zur Bühne der tanzfreudigen Knackis. Sie schlagen Saltos über Autos, nutzen Treppen und Geländer für ihre choreographierten Tanzszenen und scheuen nicht davor zurück, als die Behörden den Kurs nicht weiter genehmigen, dort aufzutauchen und die Räumlichkeiten mit ihren Moves in „Schwingungen“ zu versetzen. Mit ihrem Tanzeinlagen holen sich die Gefangenen den öffentlichen Raum gewissermaßen zurück.

Die weitgehend vorhersehbare Geschichte wechselt zwischen gespielten Szenen und mitreißenden choreographierten Tanzeinlagen. Von den Tänzern ist Svenja Jung („Die Mitte der Welt“) die einzig erfahrene Schauspielerin. Alle anderen tanzen bei der renommierten Tanztruppe „Flying Steps“ oder sind Weltmeister im Hiphop, wie Majid Kassib in der Rolle des Fahid oder Ben Wichert, in den sich Bex im Film verliebt und der hier in seiner ersten Hauptrolle zu sehen ist.

Dass die „Tänzer-Knackis“ schauspielerisch überfordert wirken, indem ihre Texte zeitweilig hölzern daherkommen, mag man ausnahmsweise verzeihen. Was sie tänzerisch liefern, macht es wieder wett.

Ulrike Schirm


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"AUF ALLES, WAS UNS GLÜCKLICH MACHT" Tragikomödie von Gabriele Muccino (Italien). Mit Pierfrancesco Favino, Micaela Rmazotti, Claudio Santamaria, Kim Rossi Stuart u. a. seit 14. Oktober 2021 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:
Über Freundschaft, Liebe und Hoffnung.

Als Jugendliche sind die vier Freunde Giulio, Gemma, Paolo und Riccardo unzertrennlich. Unterschiedliche Lebensweisen treiben die vier auseinander und bringen sie auch immer wieder zusammen.

Italien 1982. Die zwei Freunde, der draufgängerische Giulio und der sanfte Paolo amüsieren sich in einer Disco in Rom, während draußen eine Demonstration stattfindet. Bewaffnete Polizisten und gewaltbereite Demonstranten stehen sich gegenüber. Neugierig gehen die beiden hinaus, geraten in den Tumult und sehen mit an, wie Riccardo angeschossen und schwer verletzt wird.

Sie zögern nicht und bringen ihn in ein Krankenhaus. Von dem Tag an, werden die drei unzertrennliche Freunde. Sie kaufen einen alten Sportwagen, motzen ihn auf und brausen durch die Straßen Roms und genießen das Leben am Strand. Seit seiner Genesung wird Riccardo von seinen neuen Freunden „Sopravissuto“, der Überlebende genannt.

Zu ihnen gesellt sich die schöne Gemma, die jeden Spaß mitmacht und in die sich der sensible Paolo spontan verliebt. Sie ist seine erste große Liebe, bis Giulio ein Verhältnis mit ihr beginnt, welches aber nicht von langer Dauer ist. Gemma muss überraschend nach Neapel ziehen und gerät auf die schiefe Bahn. Giulio entwickelt sich vom Pflichtverteidiger zum Staranwalt und gibt für seine Karriere seine früheren Ideale auf. Paolo hofft auf eine Festanstellung als Lehrer, Ricardo scheitert als Autor und wird von seiner Frau, die auch den Sohn mitnimmt, verlassen.

Über einen Zeitraum von fast vier Jahrzehnten folgt der italienisches Regisseur Gabriele Muccino dem Schicksal seiner Protagonisten. Er zeigt das Leben in all seinen Facetten. Ehen werden geschlossen, Kinder werden geboren, Freundschaften gehen auseinander und kommen wieder zusammen, man liebt und man trennt sich. Es wird gelacht und geweint, geliebt und gelebt. Und weil das alles wie im wirklichen Leben passiert, wachsen einem die vier regelrecht ans Herz, mit ihren Macken, ihren Hoffnungen, ihren Verletzungen, ihrem Humor und dem alltäglichen Irrsinn.

Der Song „Dreams are My Reality“ ist das Leitmotiv des Films, der nebenbei auch noch so einiges über das Italien der vergangenen Jahrzehnte erzählt.

In einer Silvesternacht treffen sich alle wieder: „Wir trinken auf alles, was uns glücklich macht. Wer keine Fehler gemacht hat, hebe die Hand“. Dem kann man sich nur anschließen.

Bewegendes, emotionales Kino über das Leben, die Freundschaft, die Hoffnung und die Liebe.

Ulrike Schirm


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