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Weitere vier Filmbesprechungen seit Wiederöffnung der Kinos im Juli 2021

Offizieller Start der Kinoöffnungen nach der Corona-Schließung war am 1. Juli 2021 - vereinzelt gab es jedoch Probestarts im Juni.



"DIE ADERN DER WELT - Veins Of The World" Drama von Byambasuren Davaa (Deutschland / Mongolei). Mit Bat-Ireedui Batmunkh, Enerel Tumen, Yalalt Namsrai u.a. nach der Weltpremiere in der Sektion Generation bei der 70. Berlinale 2020 seit 29. Juli 2021 jetzt regulär im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:
(Nach einem schweren Schicksalsschlag kämpft ein Nomaden-Junge um die Erhaltung seines Lebensraumes.)

In der mongolischen Steppe lebt der zwölfjährige Amra (Bat-Ireedui Batmunkh) mit seiner Mutter Zaya (EnerelTumen), seinem Vater Erdene (Yalalt Namsrai) und seiner kleinen Schwester Altaa (Algirchamin Baattarsuren) ein traditionales Nomadenleben. Zaya kümmert sich um die Ziegenherde. Erdene verkauft den Ziegenkäse seiner Frau in der Stadt, arbeitet als Automechaniker und ist ganz stolz auf sein selbst zusammen gebautes Cabrio mit Mercedesstern, in dem er Amra täglich zur Schule fährt. Amra macht das, was alle Jungen in seinem Alter tun: Auf ihren Handys Youtube-Videos schauen. Er träumt davon im Fernsehen bei der „Mongolia's Got Talent“-Show aufzutreten.

Doch vorher muss er an einem Casting teilnehmen, für das er die Unterschrift seiner Eltern braucht. Nachmittags hilft er seiner Mutter bei der Versorgung der Ziegen und begleitet seinen Vater zum Gebetsritual an dem heiligen Kraftbaum. Es scheint ein friedliches und unbeschwertes Leben im Einklang mit der Natur zu sein. Man fühlt sich wie in einer unberührten Welt. Ihr friedliches Leben ist bedroht. Internationale und auch staatliche Konzerne wollen in der Steppe nach Gold und anderen Bodenschätzen buddeln. Den Nomaden bieten sie eine finanzielle Entschädigung an, wenn sie das Land schnellst möglich verlassen.

Erdene will mit dem Rat der Nomaden um den Erhalt ihres Lebensraumes kämpfen. Für seine Frau erscheint der Kampf aussichtslos. Sie ist dafür, das Weideland ihrer Ziegen zu verkaufen und wegzuziehen. Sie glaubt an das Versprechen der Minengesellschaft, dass das ausgebeutete Land renaturiert wird und sie zurückkehren können. Dann sind da auch noch die Wildschürfer, „Ninjas“ genannt, denen das Schicksal der Nomaden völlig egal ist.

Amra hat ganz andere Sorgen. Die Frist für das unterschriebene Formular für die Teilnahme am Casting läuft in Kürze ab. Er muss einen geeigneten Moment finden, seinem belasteten Vater den Zettel zum Unterschreiben vorzulegen. Gerade noch rechtzeitig unterschreibt Erdene die Anmeldung zum Contest und gibt Amra sogar noch seinen Talisman aus dem Auto mit. Amra ist glücklich darüber, dass sein Vater bei der Vorauswahl dabei ist und zuhört. Amra ist unsicher ob sein Lied „Adern aus Gold“ überhaupt ankommt. Ein Lied nach einer alten mongolischen Sage.

Auf der Heimfahrt spricht ihm sein Vater gut zu. Da stürzt das Auto in ein illegales Bohrloch. Sein Vater wollte eine Abkürzung nehmen, um schneller daheim zu sein. Am heiligen Kraftbaum versammelt sich die Familie und die anderen Nomaden und betrauern Erdenes Tod. Amra hat nur einige Blessuren davongetragen. Er hat große Schuldgefühle. „Wenn ich nicht gesungen hätte, wäre Papa nicht gestorben“.

Der zwölfjährige Junge muss jetzt einen Weg finden mit seiner Trauer fertig zu werden und die Verantwortung für die Familie an Vaters Stelle zu übernehmen. Die Fußstapfen die er hinterlassen hat, sind nicht klein. Sein Fernsehauftritt rückt in den Hintergrund. Die Raupen und Bohrer kommen immer näher.

Mit der hinreißenden Dokumentation „Die Geschichte vom weinenden Kamel“ (2004) erhielt Byambasuren Davaa eine Nominierung für den Oscar, in der sie sich mit den Traditionen ihrer Heimat auseinandersetzte. In „Die Adern der Welt“ ist es der Raubbau und die damit verbundene Verdrängung der Nomaden aus ihrem Heimatland.

„Zurzeit ist mehr als ein Fünftel der Mongolei für den Rohstoffabbauausgewiesen“. So steht es im Abspann. Ihr Film ist ein Aufschrei gegen die Ausbeuter, deren Gier den Lebensraum der Nomaden auf der ganzen Welt zerstört. Gleichzeitig behandelt sie die Coming-of- Age-Geschichte eines Jungen, der mit den Mitteln eines Zwölfjährigen das Erbe seines Vaters antritt: Den Widerstand gegen den Raubbau in seiner Heimat. Umrahmt von wunderschönen Naturaufnahmen.

Ulrike Schirm


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"MATTHIAS & MAXIME" Drama von Xavier Dolan (Kanada). Mit Gabriel D'Almeida Freitas, Xavier Dolan, Pier-Luc Funk u.a. seit 29. Juli 2021 im Kino. Hier der Trailer:



Unsere Kurzkritik:

Xavier Dolan gilt als Wunderkind des Films. Im Alter von 17 Jahren und zum Entsetzen der Eltern von der Schule abgegangen, reichte der frankokanadische Autorenfilmer, Schauspieler, Regisseur, Filmproduzent, Drehbuchautor und Synchronsprecher ohne Regieausbildung mit nur 19 Jahren sein Filmdebüt "I killed my Mother" 2009 bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes ein, wo das autobiografische Werk in der Filmreihe junger Regisseure (Quinzaine des réalisateurs) tatsächlich gezeigt wurde.

2014 folgte sein Filmdrama "Mommy" über einen 15-jährigen schwer erziehbaren Jungen mit gewaltsamen Wutausbrüchen, der nach Abschiebung von einem Heim ins andere, reumütig zur liebenden Mutter zurückkehrt. Der Film hatte im Wettbewerb der Internationalen Filmfestspiele von Cannes 2014 Premiere und gewann dort den Preis der Jury. Außerdem kam er 2015 als kanadischer Beitrag in die Vorauswahl für den Oscar als bester fremdsprachiger Film.

Nun mit 32 Jahren sind Xavier Dolans Darsteller erwachsener geworden und agieren altersgemäß ruhiger. Den autobiografischen Erinnerungen bleibt der Regisseur, der selbst den Hauptdarsteller mimt, dennoch auch in "Matthias & Maxime" scheinbar treu.

Es geht ums endgültige Abschiednehmen von der Jugend. Maxime (Xavier Dolan), der sich mit Jobs als Barkeeper durchs Leben schlägt, will fern von der kanadischen Heimat in Australien neu Fuß fassen. Sein bester Freund Matthias (Gabriel D’Almeida Freitas), mit dem er schon im Buddelkasten gespielt hat, ist inzwischen gestandener Anwalt und fest liiert mit einer jungen, hübschen Frau.

Was sie eint, wie bei fast allen Dolan-Figuren: Das zwiespältige Verhältnis zu ihren Müttern, der Wunsch, der ewigen Bevormundung und Kontrolle entfliehen zu wollen und dennoch einfach nur geliebt zu werden.

Auf einer Party soll der Abschied gefeiert werden. Doch beide werden von Gefühlen überrannt, gehen sich aus dem Weg, um sich letztendlich dann doch zu umarmen und... erstmals zu küssen. Ein Gefühl, das beide verschreckt und dennoch heimlich begeistert. Im Kern geht es um unterdrückte Leidenschaft, die verhindert, dass zwei für einander bestimmte Menschen zueinander finden. Ein Happy End ist dabei nicht eingeplant.

Dolan zeigt seiner Generation die Welt, wie sie nicht jedem gefällt. Und das beinhaltet in diesem Fall unerfüllte Liebe, Familienkonflikte und die ewige Suche nach Halt und Geborgenheit. Aber diesmal nicht mehr als revoltierender Jugendlicher, sondern als vielmehr vereinsamter Homosexueller, der in der Ferne sein Glück versuchen will.

W.F.


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"GENERATION BEZIEHUNGSUNFÄHIG" Liebes-Dramödie von Helena Hufnagel (Deutschland). Mit Frederick Lau, Luise Heyer, Henriette Confurius u.a. seit 29. Juli 2021 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Der Autor Tim (Frederick Lau) gehört zu der Generation, die die Kennlernplattformen Tinder, Parship und wie sie alle heißen, ausgiebig nutzt.

Er arbeitet gerade an einem Manuskript über einen Mann, der nicht an die Liebe glaubt, dem Frauen mit ihren Wünschen zu anstrengend sind und der seine Freizeit mit wechselnden Partnerinnen verbringt. Es werden Telefonnummern ausgetauscht, anstandshalber, aber nie zurückgerufen. Ab und zu landet man auch auf gefakten Seiten. Das geht eine Weile gut, doch dann hat es ihn erwischt. Er hat sich in die coole Daterin Ghost (Luise Heyer) verliebt.

Ghost steht für Ghosting, so nennt man das erklärungslose Verschwinden aus dem Leben eines Partners, denn man weiß ja nie, durch das reichhaltige Angebot der entsprechenden Kennenlernforen und Dating-Apps, noch jemand besseren zu finden. Also gibt man sich der oberflächlichen, sexuellen Freiheit hin. Tim ist verwirrt. Eine so ungestüme Frau wie Ghost, ist ihm bisher noch nicht über den Weg gelaufen. Sie verhält sich so, wie es üblicherweise nur Männer tun. Auch sie nimmt sich, was ihr gefällt und das war`s auch schon. (Anmerkung: Stracciatella-Eis spielt eine besondere Rolle bei ihrem Kennenlernen.) Wenn sich ein Mann in sie verliebt, verliebt sie sich noch lange nicht in ihn.

Tim hat jetzt ein Problem. Jetzt ist er es, der nicht locker lässt. Ich verrate nicht zu viel, wenn ich behaupte, dass jeder von uns letztendlich, so auch Tim an die Liebe glaubt. Man sollte es ruhig dem Zufall überlassen und wenn es dann passiert, sich von seinem vorhergehenden Lebensmodell verabschieden. Man muss ja nicht gleich heiraten. Wie sagt Ghost an einer Stelle: „Reicht es nicht, wenn man sonntags spazieren geht. Muss man da noch heiraten“?

„Generation Beziehungsunfähig“ ist höchst vergnüglich inszeniert ohne die Protagonisten bloßzustellen, ganz im Gegenteil, Regisseurin Helena Hufnagel („Einmal bitte alles“) nimmt die Angst vor Gefühlen ihrer Personen sehr ernst. Ich wette, dass der Wiedererkennungseffekt bei den Zuschauern, so manchen zum Nachdenken anregt. So”¦ oder so.

Ulrike Schirm


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"GAZA MON AMOUR" Liebesdrama von Arab Nasser & Tarzan Nasser (Palästina, Frankreich, Deutschland, Portugal, Kalifornien, Qatar). Mit Salim Daw, Hiam Abbass, Maisa Abd Elhadi u.a. seit 29. Juli 2021 im Kino. Hier der Trailer:



Unsere Kurzkritik:

Wir hatten uns schon gefreut mehr über Palästina und über die größte Stadt im Gazastreifen zu erfahren, als üblicherweise in den deutschen Medien und TV-Anstalten berichtet wird. Schon vor Jahren hatten wir einen Jugendlichen in Berlin kennengelernt, der uns schilderte, wie schwer es sei, quasi als Staatenloser geregelte Arbeit zu bekommen, denn Palästina gilt unter Völkerrechtlern als Staat umstritten und wird nicht von allen UN-Mitgliedsstaaten anerkannt.

Doch dann eine kleine Enttäuschung. In dem Film geht es mitnichten um die Stadt Gaza, sondern um zwei sich liebende Personen, die zufällig dort leben. Bevor das ältere Paar zusammenfindet, vergeht viel Zeit. Zuerst ein schüchterner Blick an einer Bushaltestelle. Dann der vorsichtige Versuch zur Kontaktaufnahme mit zahlreichen kuriosen Ereignissen.

Schließlich gibt der Unterwasserfund einer Statue des Gottes Apollo mit einem erigierten Penis dem alten Fischer den Mut, sich der auserkorenen Marktfrau zu nähern. Doch der Fund erregt die Aufmerksamkeit der Behörden und dem Fischer droht Gefängnis bevor er sein Ziel erreichen kann.

Zuviel wollen wir nicht verraten, denn auch sie ist heimlich verliebt. Kommt es zu einem Happy end, oder zu einer Verhaftung?...

W.F.


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