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Unsere vier Filmkritiken zu Kinostarts in der 43. KW 2023

Bis zum Sonntag, den 29. Oktober 2023 läuft noch das »Ukrainian Film Festival« in Berlin und im November folgt beim Filmfest Cottbus ein weiterer ukrainischer Schwerpunkt. Die regulären Kinostarts wollen wir trotzdem nicht ganz vernachlässigen, allerdings überzeugt uns das Angebot derzeit nicht besonders.



Russlands Präsident Putin soll für kurze Zeit im Koma gewesen sein und den Verstand verloren haben, hieß es in letzten Meldungen, die jedoch spekulativ sind.

Am Halluzinieren in Timm Krögers aktuellem Film "Die Theorie von Allem" scheinen dagegen die Kinogänger*innen keinen Anstoß zu nehmen, denn ohne den Glauben an multiverse Parallelwelten gäbe es sicherlich kaum einen Erfolg von Science-Fiction-Filmen. Dabei geht es in dem Film eigentlich um einen Physiker, der mit seinen Theorien ernstgenommen werden möchte.

"DIE THEORIE VON ALLEM" Thriller von Timm Kröger (Schweiz / Deutschland / Österreich, 2023; 118 Min.) Mit Jan Bülow, Olivia Ross, Hanns Zischler u.a. seit 26. Oktober 2023 im Kino. Hier der Trailer:



Unsere Kurzkritik:

Die Bilder sind für eine deutsche Produktion grandios, doch das Ergebnis bleibt unbefriedigend und lässt die Zuschauer eher ratlos als aufgeklärt nach Hause gehen, weshalb wir uns bisher gegen eine ausführliche Besprechung gestemmt haben, womit wir uns nicht der Meinung des hochgeschätzten Filmkritikers Rüdiger Suchsland anschließen, der den Film ebenso wie unsere Kollegin Katharina Dockhorn vom Berufsverband Deutscher Medienjournalisten hochpreist, sondern eher der hier veröffentlichten, fast vernichtenden, wenn auch sehr ausführlichen Besprechung der Tagesspiegel Redakteurin Gunda Bartels folgen, die anscheinend der Meinung ist, dass der Film einzig und allein deshalb beim Publikum Beachtung findet, weil er im Wettbewerb von Venedig lief.

Auch unsere Filmkritikerin Regina Roland ist ähnlicher Meinung und schrieb uns:

"Ein filmästhetisch hochambitioniertes, aber vom Drehbuch und der Geschichte misslungenes und ziemlich verworren selbstverliebtes Werk eines Debütanten, das komplett überschätzt wird".

Zwar taucht der Film mit gewal­tigen, im deutschen Kino zuvor selten gesehenen Bilder, immer tiefer ins Rätsel­hafte ein und überlässt es den Zuschauer*innen sich entweder den Bildern hinzugeben, um an die Kraft der Natur zu glauben, oder man vertraut den physikalischen Gesetzen und sieht das angedeutete Ergebnis als Humbug an.

Um es wirklich mit vergleichbaren großen und preisgekrönten psychodelischen Werken in der Filmbranche aufzunehmen, wie beispiesweise "Bardo, die erfundene Chronik einer Handvoll Wahrheiten" des Mexikaners Alejandro González Iñárritu, oder dem siebenfachen Oscarpreisträger "Everything Everywhere All At Once" der US-Amerikaner Daniel Kwan und Daniel Scheinert, ist der Film wohl doch nicht schräg genug. In Venedig haben den Film auch nur einige Kritiker gelobt und ausgezeichnet, ansonsten wurde er von der internationalen Jury nicht gewürdigt und auch beim Filmfest Hamburg überwiegte die Skepsis.

W.F.


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Nicht viel überzeugender ist auch das nachfolgende, wenn auch streckenweise berührende Roadmovie, über das gleich zwei unserer Filmkritikerinnen nach Sichtung es abgelehnt haben, zu schreiben, weil die Geschichte viel zu zäh erzählt wird.

"DIE unwahrscheinliche PILGERREISE des HAROLD FRY" Drama von Hettie MacDonald (Großbritannien, 2023; 108 Min.) Mit Jim Broadbent, Penelope Wilton u.a. seit 26. Oktober 2023 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Es ist eine traurige Nachricht, die dem Rentner Harold Fry (Jim Broadbent) in einem Brief ins Haus flattert. Der Brief kommt von seiner ehemaligen Arbeitskollegin Queenie (Linda Bassett) in dem sie ihm mitteilt, dass sie sich in einem Hospiz befindet wegen einer Krebserkrankung im Endstadium.

Harold ist betroffen. Queenie ist eine Kollegin aus der Brauerei. Damals nahm sie die Schuld für etwas auf sich, wodurch sie ihren Job verlor. Jetzt will er sie auf keinen Fall im Stich lassen, statt eines Briefes, folgt er einer spontanen Eingebung und beschließt sich zu Fuß auf den Weg zu machen.

Das bedeutet einen Marsch vom südenglischen Devon bis nach Berwick-upon-Tweed an die Grenze zu Schottland zu absolvieren. Das sind rund 500 Meilen. Es ist ihm ganz wichtig, sich bei ihr persönlich zu verabschieden und sich für das, was damals geschah, zu entschuldigen.

Mit so gut wie Nichts, außer einer kleinen Milchflasche, macht er sich auf den Weg, ohne seiner Frau Maureen (Penelope Wilton) etwas zu sagen. Die macht sich große Sorgen und bleibt entrüstet allein zu Hause zurück. Harold hat sich in den Kopf gesetzt, Queenie zu retten, indem er für sie durch das ganze Land marschiert. Gleichzeitig will er auch Buße tun, weil er den damaligen Suizid seines Sohnes nicht verhindert hat. Auf seiner Reise zu Fuß trifft er auf einige skurrile Menschen. Teilweise schütteln sie mit dem Kopf über den starrsinnigen Alten, andererseits erklären sie ihn zu einem Helden. Der 18-jähriger Ausreißer Wilf (Daniel Frogson) erinnert ihn an seinen Sohn und mit ihm kommt die verdrängte Tragödie von damals wieder hoch.

Regisseurin Hettie Macdonald hat einige symbolträchtige Momente in das Roadmovie ohne Auto eingebaut. Eins davon ist der Moment als eine Frau (Monika Gossmann) den erschöpften Harold mit zu sich nach Hause nimmt und ihm behutsam die wunden Füße wäscht, so, als sei er Jesus. Und auch ein streunender Hund hat sich zu ihm gesellt und begleitet ihn fortan.

Das berührende Wohlfühldrama wurde von der Autorin Rachel Joyce, nach ihrem eigenen Buch adaptiert. Sie verarbeitet darin Themen wie Glaube und Hoffnung, Schuldgefühle und Trauer, glaubwürdig gespielt von Jim Broadbent, der seiner Figur Würde und Durchsetzungsvermögen verleiht und am Ende als Held gefeiert wird. Er ist sogar im Fernsehen zu sehen. Ganz viele Menschen unterstützen ihn. Einer hat sogar rote T-Shirts gestiftet mit dem Aufdruck: Pilgrims.

Ulrike Schirm


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Beim nachfolgenden Trailer muss ich mich als Chefredakteur des BAF-Blogs in meiner vorgefassten Meinung über den Schauspieler Frederick Lau wohl geirrt haben und vermutete fälschlicherweise eine der unsäglichen deutschen Komödien dahinter, weshalb ich mir den Film über krankhaften, aber offensichtlich sehr ernstzunehmenden Alkoholismus erst gar nicht angesehen habe, weil er sich mit klamaukigen Szenen den üblichen Klischees bedient. Vermutlich ein Fehler, nachdem ich Ulrikes Kritik gelesen habe.

"ONE FOR THE ROAD" Tragikomödie von Markus Goller nach einem Drehbuch von Oliver Ziegenbalg (Deutschland, 2023; 114 Min.) Mit Frederick Lau, Nora Tschirner, Burak Yiğit u.a. seit 26. Oktober 2023 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Mark (Frederick Lau), Bauleiter auf einer Berliner Großbaustelle, wird beim Einparken trunken am Steuer erwischt und verliert seinen Führerschein. Jetzt kann er nur noch sein Fahrrad benutzen. Er muss zur MPU, im Volksmund „Idiotentest“ genannt.

So richtig ernst nimmt er das alles nicht, im Gegenteil, er macht sich auch noch lustig. Immer gut drauf, immer einen kernigen Spruch auf den Lippen. Es vergeht kaum ein Abend, an dem er nicht zur Flasche greift, das geht mal harmlos aus und dann wieder stürzt er ab. Damit muss jetzt Schluss sein. Um seine Pappe wieder zu kriegen, muss er dem Alkohol fernbleiben.

So wirklich hat er noch nicht begriffen, dass er ein Alkoholproblem hat, sagt ihm der Kursleiter Dr. Blau (Godehard Giese) ins Gesicht. Mit seinem Freund Nadim (Burak Yigit), schließt er eine Wette ab, die da lautet: „Bis zur Rückgabe seines Führerscheins, rührt er keinen Tropfen Alkohol mehr an“.

Leicht gesagt, schwergetan. Er ist nicht der Einzige, der ein Alkoholproblem hat. In dem Kurs sitzen so einige, unterschiedliche Personen. Unter ihnen die Lehrerin Helena (Nora Tschirner) mit der sich Mark anfreundet und die sich gegenseitig versprechen, füreinander da zu sein, nüchtern zu werden und dann aber gemeinsam wieder abstürzen. Somit hat er seine großmäulige Wette schnell wieder verloren.

Was beide verstanden haben, ist, dass übermäßiger Alkoholkonsum auf Dauer nicht komisch ist. Im Suff passieren so einige Peinlichkeiten, auch auf seiner Baustelle. Besonders dann, wenn er Stress hat, trinkt er. Um sein Problem endlich in den Griff zu bekommen, ist er bei Dr. Blau ambulant in Behandlung.

Regisseur Markus Goller („Friendship“, "25 km/h") und der Drehbuchautor Oliver Ziegenbalg haben eine unterhaltsame und komödiantische Story aus diesem Problem gemacht, ohne den moralischen Zeigefinger zu erheben oder oberflächlich zu sein. Ihnen ist das geglückt, was man eine Komödie mit Tiefgang nennt.

Ulrike Schirm


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Für unsere letzte Besprechung von heute hat unsere Kollegin Ulrike Schirm bereits eine positive Rückmeldung vom Tobis Verleih zu ihrer vorab eingereichten Kritik bekommen, weil er aus der Reihe zu tanzen versucht, obwohl er sich letztlich doch nur bei den Stereotypen bedient. Zudem freut man sich darüber, dass der über zwei Stunden lange Kinderfilm schon nach wenigen Tagen auf Platz fünf der Kinocharts gelandet ist.

Auf Platz drei stehen allerdings die von uns gelobten "Wochenendrebellen" über einen autistischen Jungen nach tatsächlichen Begebenheiten, die fast genau einen Monat zuvor gestartet waren und nun zum Kinodauerbrenner avancieren.

"DIE UNLANGWEILIGSTE SCHULE DER WELT" ein Titel wie ein Zahlendreher, nach dem gleichnamigen Bestseller des Kinderbuchs von Sabrina J. Kirschner, verfilmt von Ekrem Ergün. (Deutschland, 2023; 147 Min.) Mit Lucas Herzog, Serkan Kaya, Max Giermann u.a. seit 26. Oktober 2023 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Ein Wahnsinn. Der pedantische Schulleiter Schnittlich hat an seiner Schule ein Regelwerk auf die Beine gestellt. 777 Vorschriften sollen seine Schüler und Schülerinnen befolgen. Er ist der fatalen Überzeugung, dass Regeln Freiheit bedeuten. (777 Regeln täglich und achtmal am Tag Mathe) Oh, wie langweilig.

Bei Verstößen drohen harte Strafen. Alles, was Spaß macht, ist verboten. Lachen, schwimmen, essen, sogar flüstern und alles was bunt ist. Sogar Tafel muss ohne Wasser abgewischt werden.

Schnittig (Max Giermann) ist so davon überzeugt, dass er seine strenge Schulordnung im ganzen Land einführen will und das nichts besser sei als pausenloser Unterricht. Maxe (Lucas Herzog) und seine Mitschüler finden es gar nicht lustig und leisten Widerstand. Sie wenden sich an Inspektor Rasputin Rumpus (Serkan Kaya) von der Behörde für die Bekämpfung für Langeweile. Rumpus ist ziemlich schlau und schmiedet einen tollen Plan, um den verrückten Schuldirektor aufzuhalten.

Die Verfilmung der gleichnamigen Kinderbuchreihe von J. Kirschner beinhaltet eine Vielzahl origineller, ungehemmter Einfälle, die überwiegend auf Rasputin Rumpus genialem Ideenreichtum beruhen. Da Schnittig die aufsässigen Kinder erst einmal auf Klassenfahrt in die Pampas schickt, unter der Aufsicht der Lehrerin Frau Penne (Felicitas Woll), hat Rumpus freies Spiel. Seine Hilfe kommt wie gerufen: Mission Klassenfahrt.

Eine total coole Kinderkomödie. Chaotisch und schön bunt.

Ulrike Schirm


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