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Abgefahrener Kinostart ab 28. April 2022

Seit Terry Gilliams dystopisches Nightmare "BRAZIL" aus dem Jahre 1985 haben wir kaum mehr einen verrückteren Albtraum im Kino gesehen.



"EVERYTHING EVERYWHERE ALL AT ONCE" - eine Chinesin in einem abgefahrenen Trip gegen die anstehende Steuererklärung vom Regie-Duo Dan Kwan und Daniel Scheinert, auch genannt "Die Daniels" (USA / A24). Mit Michelle Yeoh, Jamie Lee Curtis als Steuerprüferin, Stephanie Hsu u.a. ab 28. April 2022 im Kino.

Hier der Trailer:



Unsere Kurzkritik:

Die Filmkarriere der Hollywood-Ikone Jamie Lee Curtis begann mit dem Horrorstreifen "Halloween – Die Nacht des Grauens". Als Tochter von Tony Curtis, der an der Seite von Schauspiellegende Marylin Monroe berühmt wurde, und von Mutter Janet Leigh, die als Mordopfer aus "Psycho" in die Filmgeschichte einging, war von Anfang an klar, dass auch sie selbst die Gene für eine große Darstellerin besitzen würde.

In ihrem neuesten Film, der im März auf dem South by Southwest (SXSW) Film Festival in Texas seine Weltpremiere feierte, spielt sie jedoch nur eine Nebenrolle. Allerdings hat diese Rolle als strenge Steuerprüferin es in sich und löst bei der Hauptdarstellerin Evelyn Wang (Michelle Yeoh), einer Einwanderin aus China, die schon lange in den USA einen Waschsalon betreibt, blankes Entsetzen und pures Chaos aus.

Anstelle ganz cool zu bleiben, verflüchtigt sich Wang in eine Traumwelt, wie wir sie seit Terry Gilliams dystopisches Nightmare "BRAZIL" aus dem Jahre 1985 schon lange nicht mehr gesehen haben. Wang gerät in ein Multiuniversum und was folgt, ist ein völlig durchgedrehtes Abenteuer in einer Parallelwelt.

Am Ende glaubt man zwar ein wenig zu viele verrückte Bilder gesehen zu haben, im Gedächtnis haften bleibt das Werk dennoch noch lange Zeit danach.

W.F.


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Eine Woche zuvor war ein fast ebenso verrückter Film angelaufen, der aber bei näherer Betrachtung sich als durchaus interessantes Biopic über den vielseitigen britischen Maler Louis Wain entpuppte.

DIE WUNDERSAME WELT DES LOUIS WAIN Biografie-Drama des japanisch-britischen Filmregisseurs und Drehbuchautors Will Sharpe (Großbritannien). Mit Benedict Cumberbatch, Claire Foy, Andrea Riseborough u.a. seit 21. April 2022 im Kino. Hier der Trailer:



Unsere Kurzkritik:

Beim Betrachten des Trailers waren wir skeptisch. Zu absurd erschienen uns schnell hingekritzelten Zeichnungen eines Bahnreisenden. Ein Film über Katzen? Nicht unser Ding.

Dennoch haben wir uns entschlossen den Film anzusehen, allein schon wegen Benedict Cumberbatch, der nun ab 4. Mai 2022 erneut auch als Dr. Strange in einem Marvel Comic auftritt. Aber Louis Wain war nicht nur Katzen-Comic-Zeichner, sondern auch Erfinder und das machte den Film plötzlich viel spannender als erwartet.

Dass seine Vorstellungen von Technik und Elektrizität nicht aus einem Physiklehrbuch stammen, sondern ziemlich intuitiv durch halluzinogene Traumsequenzen hervorgerufen wurden, gestalten das Werk letztendlich ziemlich amüsant.

Eigentlich ist Wain viel zu exzentrisch, um seine Familie kontinuierlich ernähren zu können, doch auf Druck seiner ältesten Schwester Caroline (Andrea Riseborough) willigt er ein, eine Stelle bei Illustrated London News anzunehmen. Da der Verleger Sir William Ingram (Toby Jones) sehr beeindruckt von Wains Katzenzeichnungen war, bekommt er den Auftrag kontinuierlich weitere Illustrationen für die Leser der Zeitung anzufertigen.

Obwohl der hochbegabte Autist Wain ein von Leid getriebener Mensch ist, verfällt der Filmemacher nicht der Versuchung, ihn nur zu einem Exzentriker abzustempeln, sondern gibt ihm Raum, seinen Schmerz bewältigen zu können. Benedict Cumberbatch bekommt als Louis Wain ausreichend Gelegenheit sein schauspielerisches Können unter Beweis zu stellen.

W.F.


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"DIE SAAT" Drama um den Existenzkampf einer unbescholtenen Familie von Mia Maariel Meyer (Deutschland). Mit Hanno Koffler, Dora Zygouri, Andreas Döhler, Annaomeier, Robert Stadelober u.a. seit 28.04.2022 im Kino.

Am Donnerstag, den 28. April 2022 startet endlich auch das Drama "DIE SAAT" von Mia Maariel Meyer, das vor mehr als einem Jahr in der Sektion Perspektive Deutsches Kino der 71. Berlinale 2021 seine Erstaufführung feierte.

Eine Filmbesprechung vom 3. März 2021, die unsere Kollegin Elisabeth Nagy geschrieben hatte, kann hier noch einmal an dritter Stelle der Besprechungen nachgelesen werden. Eine weitere Kritik folgt nachstehend.

Der Film wurde beim 34. exGround Filmfest Wiesbaden im November 2021 aus sechs nominierten Beiträgen vom Publikum zum Sieger erklärt. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

So wie viele andere auch, trifft es die sympathische Familie Matschek. Wegen der steigenden Mieten in der Stadt, wagen Rainer (Hanno Koffler), seine schwangere Frau Nadine ( Anna Blomeier) und ihre 13-jährige Tochter Doreen (Dora Zygori) einen Neuanfang auf dem Land, wo sie in ein renovierungsbedürftiges Haus ziehen. Für Rainer kein Problem, denn er ist handwerklich sehr geschickt. Außerdem hat er auf verschiedenen Baustellen gearbeitet und hat nun das Glück, bei einem Projekt zum ersten Mal die Bauleitung zu übernehmen, was sich auch finanziell positiv bemerkbar macht. Nadine geht ihrem Beruf als Krankenschwester nach. Noch sieht alles ganz gut aus.

Nur Doreen hat Heimweh nach ihrem alten Zuhause. Was soll ein dreizehnjähriges Mädchen auch machen, wenn die Eltern aus Kostengründen einen Umzug beschließen. Für das Mädchen ist es besonders schwer, sich einzugewöhnen.

Um so erfreuter ist sie, als sie glaubt in der wohlhabenden Nachbarstochter Mara (Lilith Julie Johna) eine Freundin gefunden zu haben. Doch Mara ist mit allen Wassern gewaschen und entpuppt sich als hinterhältiges kleines Aas, indem sie die vernünftige Doreen zu wechselnden Bösartigkeiten anstiftet. Maras Eltern schauen auf die neuen Nachbarn von oben herab und sind über den Kontakt ihrer Tochter mit Doreen eh nicht erbaut.

Doch das Rainer seinen Bauleiterposten zu Gunsten des nur auf Profit ausgerichteten neuen Vorgesetzten Jürgen Kleemann (Andreas Döhler) verliert, trifft die Familie hart. Die Lage spitzt sich zu.

Rainer stellt sich in einer Baufirma, deren Chef seinen alten Arbeitgeber kennt, als Bauleiter vor. Sätze wie, sie sind ein fleißiger Typ aber als Bauleiter kann ich sie erst einstellen, wenn sie mehr Erfahrung gesammelt haben. Wie soll das funktionieren, wenn man den Leuten keine Gelegenheit gibt.

Also schuftet der Familienvater weiter auf der Baustelle, hört sich die verlogenen Ausflüchte des geldgierigen und kaltherzigen Firmenerben Klose (Robert Stadelober) an und setzt sich den Schikanen des Vorgesetzten Kleemann weiterhin aus. Immer wieder stellt er sich schützend vor seine Kollegen. Das Maß ist voll, als Kleemann hinterrücks auch noch Leute von einer Leihfirma anstellt und dreist behauptet, sie seien nur zur Unterstützung da. Niemand verliert seinen Job. Nicht mal der Polier wusste davon.

Zuhause türmen sich Rechnungen und Mahnungen, Mahnungen und Rechnungen. Rainer arbeitet noch zusätzlich nachts bei einer Autowaschanlage, Nadine, die Sonderschichten schiebt, bricht zusammen und muss ins Krankenhaus, es heisst, sie muss sich wegen der Schwangerschaft unbedingt schonen.

Kollege Fiedrich soll auf Beschluss von Kleemann gehen. Vorher hieß es noch, da die Firma einen heißersehnten Zuschlag bekommen hat, ein Verdienst aller Arbeiter und für die nächsten zwei Jahre seien die Arbeitsplätze für alle gesichert. In Wirklichkeit steht der Bus mit den Leiharbeitern vor der Tür. Die Männer streiken, Rainer ist der Anführer. Geschlossen stellen sie sich vor den Kollegen Friedrich.

„Drüben im Bus befindet sich für jeden von euch ein Ersatz. Entweder ihr arbeitet jetzt weiter oder ich sorge dafür, dass keiner von euch einen Job auf einer Baustelle bekommt“ brüllt Kleemann. Die Kollegen ziehen sich zurück. Auch Rainer muss gehen. Er rastet aus. Endlich.

Regisseurin Mia Maariel Meyer („Treppe aufwärts“), die das Drehbuch zusammen mit ihrem Mann und Hauptdarsteller Hanno Koffler geschrieben hat, lässt den Zuschauer noch am Anfang des Dramas in dem Glauben, dass sich alles zum Guten wendet. Doch immer schneller wird klar, dass der familiäre und soziale Existenzkampf der unbescholtenen Familie kaum zu gewinnen ist. Packend und bedrückend.

Die hässliche Fratze des Kapitalismus gewinnt die Oberhand. Irgendwann wird die Saat aufgehen…

Ulrike Schirm


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"RABIYE KURNAZ GEGEN GEORGE W. BUSH" Dramödie von Andreas Dresen. (Deutschland / Frankreich). Mit Meltem Kaptan, Alexander Scheer, Charly Hübner, Nazmi Kirik, Abdullah Emre Öztürk u.a. seit 28.04.2022 im Kino. Hier der Trailer:



Unsere Kurzkritik:

Die Geschichte zu Andreas Dresens Drehbuch "Rabiye Kurnaz vs. George W. Bush" hat sich tatsächlich als Drama ereignet. Anders als erwartet, besetzt Dresen mit der Hauptdarstellerin eine deutsch-türkische Comedienne aus Köln, sodass aus dem Drama eine Komödie erwächst, die nur haarscharf am Klamauk vorbeischrammt.

Für die deutsche Filmwirtschaft könnte das Werk nach der langen Zeit der Pandemie dennoch die Rettung bedeuten, denn der als Arthaus-Titel angesiedelte Film funktioniert auch als Blockbuster in den großen Kinopalästen. Die AG Kino - Gilde deutscher Filmkunsttheater, hat Dresens Werk mit dem Gilde Filmpreis für den besten Film im internationalen Wettbewerb der Berlinale ausgezeichnet.

In der Begründung der AG-Kino-Jury heißt es:
Andreas Dresens „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“ war für uns der kämpferischste und gleichzeitig bewegendste Film des diesjährigen Berlinale-Wettbewerbs. Mit großer Einigkeit sehen wir in dem neuesten Werk Andreas Dresens einen brisanten und trotzdem unterhaltsamen Film gegen Unrecht und Willkür.

Die Internationale Jury der 72. Berlinale in diesem Jahr war skeptischer und zeichnete den Film nur mit einem Drehbuchpreis aus. Die Leistung der Hauptdarstellerin wurde allerdings mit einem Silbernen Bären belohnt.

Auch wir haben uns an einigen Stellen über das hervorragende Schauspiel zwar amüsiert, waren aber gleichzeitig auch erschrocken, wie ein ernstes Thema, so verklärt werden kann, denn Dresen klammert die bekanntgewordenen Gräueltaten auf Guantanamo beflissentlich aus, um dem Publikum keine allzu schwere Kost servieren zu müssen.

Zwar katapultierte der Kampf um die Freilassung ihres Sohnes Murat aus dem Gefangenenlager Guantánamo die türkische Hausfrau Rabiye Kurnaz aus ihrem Reihenhaus in Bremen-Hemelingen direkt in die Weltpolitik und schließlich vor den Supreme Court in Washington DC. Doch so lustig und überzogen, wie Dresen die Geschichte inszeniert, hat sich das Drama sicherlich nicht zugetragen. An der Seite von Kurnaz Mutter steht dabei der Menschenrechtsanwalt Bernhard Docke, mit dem die einfache Hausfrau gemeinsam gegen vermeintlich übermächtige Gegner streiten will.

Es ist ein ziemlicher Spagat, den Andreas Dresen (Regie) und Laila Stieler (Buch) begehen, wenn sie sehr temperamentvoll und mit großem Herz vom nahezu aussichtslosen Kampf eines ungleichen Paares gegen Willkür und Unrecht das ernste Thema in einer Art Komödie aufzuarbeiten versuchen.

W.F.


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"WOLKE UNTERM DACH" Drama von Alain Gsponer um einen Vater, der plötzlich Witwer ist und sich alleine um seine Tochter kümmern muss. (Deutschand). Mit Frederick Lau, Romy Schroeder, Hannah Herzsprung, Barbara Auer, Nicolette Krebitz, Kida Khodr Ramadan, Reinout Scholten von Aschat u.a. seit 28.04.2022 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Der Krankenpfleger Paul (Frederick Lau) befindet sich auf dem Rückflug nach Deutschland. Trotz seiner Flugangst lässt er es sich nicht nehmen um die halbe Welt zu fliegen, um sich im kolumbianischen Urwald sozial zu engagieren. Das Flugzeug gerät in Turbulenzen. In seiner Panik ruft er: Wir sterben!“ Die Stewardess Julia (Hannah Herzsprung) bleibt cool und erwiedert trocken:

„Klar sterben wir. Aber nicht heute.“ Kurz darauf wird sie zu Boden geworfen und Paul verarztet ihre Wunde am Kopf. Schnell hat er seine Flugangst verdrängt. Es ist der Beginn ihrer Liebesgeschichte.

Tochter Lilly (Romy Schroeder) wird geboren, die Familie lebt in einem schönen alten Haus. Doch das Schicksal kann total ungerecht sein. Bei einem Geländelauf in den Alpen stürzt Julia tot zu Boden. In ihrem Kopf ist eine Ader geplatzt. Für Paul und Lilly ein Schock. Nun muss sich Paul allein um Lilly kümmern. Er fällt erst einmal in ein tiefes Loch und weiss nicht wo ihm der Kopf steht. Da ist sein Job in der Klinik, die Raten für das Haus müssen bezahlt werden und die Verantwortung für die Tochter muss er nun alleine stemmen. Und als dann auch noch die Bank die Verlängerung seines Kredits ablehnt, bleibt ihm nichts anderes übrig, als das Haus zu verkaufen, zum Entsetzen seiner Tochter. Lilly ist überzeugt davon, dass ihre Mutter in einer Wolke auf dem Dachboden lebt. Schließlich hat sie es geliebt Wolken zu malen und zu fotografieren. Zu bestimmten Zeiten taucht Julia auf und hält Zwiesprache mit ihrer Tochter. Jetzt könnte man aufschreien, was für ein Kitsch. Nein, ist es nicht. Kinder können die Gabe entwickeln bei einschneidenden Erlebnissen in eine Phantasiewelt zu flüchten, die für sie ganz real ist und ihnen dabei hilft, ihren Schmerz zu lindern. Eine große Hilfe, die uns Erwachsenen versagt ist.

Alain Gsponer („Jugend ohne Gott“) zeigt auf berührende Weise, dass der Verlust eines Elternteils nicht nur für die Kinder emotional belastend ist, sondern auch für den zurückbleibenden Partner eine große Belastung darstellt, denn er ist plötzlich für alles allein verantwortlich. Bei Paul kommt noch hinzu, dass er von dem Gedanken gequält wird, seine Frau hatte womöglich eine Affäre mit einem Fluglehrer.

„Wolke unterm Dach“ ist eine ergreifende Geschichte über Schmerz und Verlust und dem Kampf sich den neuen Anforderungen zu stellen und auch Hilfe von anderen anzunehmen, denn damit hat Paul noch so seine Schwierigkeiten. Frederick Lau spielt den plötzlichen Witwer mit all seinem Schmerz und Zweifeln total berührend. Ein Film, der auch kindertauglich über Trauerarbeit erzählt.

Ulrike Schirm


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Krankheitsbedingt ist unser Büro derzeit nicht ständig besetzt, sodass wir leider nicht alle uns zur Verfügung stehenden Filmkritiken auf einmal veröffentlichen können.

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