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Studenten-Oscars an zwei deutsche Filmhochschulen verliehen - außerdem vier Film-Tipps

Unsere Kurzkritiken zu "The French Dispatch" von Wes Anderson sowie "Ottolenghis Versuchungen von Versailles", das Berlinale Doku-Highlight "Walchensee forever" und als Nachtrag ein Musik-Biopic über Robert Sokos Balkan Beats.



Über tödliche Schüsse an einem US-Set mit scharfer Munition wird gerade heftig in den Medien debattiert. Wir werden erst näher bei unseren Nachrufen am Totensonntag im November darauf eingehen, weil die schwer verwundete Kamerafrau Halyna Hutchins noch auf dem Weg ins Krankenhaus verstarb. Bis zum 21.11.2021 werden die genaueren Umstände zu dem angeblichen Unfall hoffentlich bekannt sein.

Weitaus bessere Nachrichten wurden aus den USA von der Verleihung der Studenten-Oscars verbreitet, denn zwei Nachwuchs-Regisseure von deutschen Filmschulen sind zusammen mit weiteren 15 Studierenden aus aller Welt ausgezeichnet worden.

Unter den Gewinnern ist der jordanische Regisseur Murad Abu Eisheh, Absolvent der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Sein Film "Tala'vision" gewann in der Sparte "Narrative (International Film Schools)" den Student Academy Award in Gold.

Die Trophäe in Silber in dieser Kategorie holte Regisseur Simon Denda mit seinem Abschlussfilm "Adisa" von der Filmhochschule München.

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In den letzten Tagen haben wir viel über Festivals und Preisverleihungen geschrieben, obwohl mit den Hofer Filmtagen, dem Filmfest Braunschweig, dem FilmFestival Cottbus, den Nordischen Filmtagen Lübeck, der Duisburger Filmwoche, dem exground Filmfest Wiesbaden und dem Berliner Weltkinofestival AROUND THE WORLD IN 14 FILMS noch weitere sehr bedeutende Filmfestivals mit Deutschland- und Weltpremieren in den nächsten Tagen und Wochen erst folgen.

Ganz vernachlässigen wollen wir deshalb die aktuellen Kinostarts vom 21. Oktober 2021 dennoch nicht. Manches wurde wegen der Pandemie allerdings auch wieder verschoben, obwohl wir uns auf Éric Besnards neustem Kochfilm "À la Carte!" nach seinem Riesenerfolg "Birnenkuchen mit Lavendel" schon gefreut haben. Der Kinostart wurde aber von September auf November 2021 verlegt.

Mindestens ebenso lecker ist aber "Ottolenghi und die Versuchung von Versailles" mit Geschichten in süßen Häppchen von Bestseller-Kochbuchautor Yotam Ottolenghi.

"OTTOLENGHI und die Versuchung von Versailles" Dokumentation von Laura Gabbert (USA). Mit Yotam Ottolenghi und vielen mehr seit 21. Oktober 2021 im Kino. Hier der Trailer:



Unsere Kurzkritik:

Yotam Ottolenghis Koch und Süßspeisenbücher werden millionenfach verkauft. Der 'Guru' der kulinarischen Kunst ist einer der bekanntesten Stars der Londoner Restaurant-Szene.

Ein Anruf aus New York vom Metropolitan Museum of Art setzte den Routinier dennoch in Gefühlswallungen, denn er soll vor geladenem, hochrangigen Publikum ein extravagantes Dessert-Buffet zur Eröffnung einer Ausstellung kreieren.

Thema ist das Speisen zur Barockzeit des 17. Jahrhunderts. Zusammen mit fünf Spitzenköchen macht es sich Ottolenghi nicht nur zur Aufgabe, Kuchen und andere Süßspeisen inspiriert vom französischen Schloss Versailles zu zaubern, das er natürlich zuvor ausgiebig studiert und besucht hat, sondern auch durch die besonderen künstlerischen Kreationen ein Verständnis für die Geschichte und Kunst zu schaffen.

Dass die Aufgabe fernab der englischen Heimat nicht leicht werden würde, zumal an einem Ort wie dem MET-Museum, der koch- und backtechnisch dafür überhaupt nicht ausgerüstet oder geeignet ist, waren von Anfang an seine Befürchtungen mit schlaflosen Nächten.

Dennoch wird es eine erfolgreiche Orgie des Backens, ein Fest für die Augen, nicht nur für die geladenen Gäste, sondern vor allem für die Kinobesucher, die sich immer und immer wieder daran sattsehen können, während vor Ort der bezaubernde Spuk bereits nach wenigen Stunden verspeist ist.

W.F.


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Ein wenig ums Kochen geht es auch in "Walchensee forever", allerdings nicht nur, sondern auch um ein Generationskonflikt, den fast jeder durchlebt.

"WALCHENSEE forever" Dokumentation von Janna Ji Wonders über eine Familiengeschichte, die ein ganzes Jahrhundert umspannt (Deutschland, 2020). Seit 21. Oktober 2021 im Kino. Hier der Trailer:



Unsere Kurzkritik:

Die mehrfach preisgekrönte Doku von Janna Ji Wonders war der Höhepunkt der deutschen Reihe »Perspektive Deutsches Kino« auf der 70. Berlinale 2020, also vor fast zwei Jahren. Erst jetzt, von uns fast schon wieder vergessen, kommt der Film ins Kino.

Unvergessen im Gedächtnis und tief verankert sind jedoch die Szenen mit dem Kommunarden Rainer Langhans, der in den 1980er Jahren nicht nur linke Parolen verbreitete, sondern auch für die freie Liebe plädierte und mehrere Frauen um sich geschart hatte. Uschi Obermaier war eine davon, doch sie kommt in diesem Film gar nicht vor.

Vielmehr geht es um Jannas Mutter Anna, also der Mutter der Filmdebütanten, die erst später mit Langhans sich auf einer griechischen Insel zurückzog und dort vollständig entblößt über Monate in einer aus Schilfrohren zusammengezimmerten Behausung am Strand lebte und kiffte.

Zuvor war sie mit ihrer jüngeren sehr lebenslustigen und aufgeschlossenen Schwester Frauke Ende der 1960er als unternehmungslustige Hippies aus dem beschaulichen Bayern nach dem ersehnten Amerika gezogen.

Allein zurückblieb die schon betagte Mutter, die dennoch ihre Pflicht darin sah, weiterhin, wenn auch ohne Hilfe der Töchter völlig überfordert, Gäste im schönen Anwesen am Walchensee mit eigener Hausmanns-Kochkunst zu Frieden zustellen.

Die jungen Mädel dagegen hatten ganz anderes im Sinn.

"Walchensee forever" erzählt die Geschichte einer deutschen Familie über fünf Generationen aus der Sicht der Frauen. Allerdings wurden diese Zeilen von einem Mann geschrieben, der den Fokus des Films ein wenig anders sieht. Beeindruckt waren wir dennoch, ohne zu viel zu verraten.

Als Anna mit Janna schwanger wurde, entschied sie sich, nach Deutschland zurückzukehren. Um nach dem unerwarteten Freitod ihrer Schwester zu sich selbst zu finden. Darauf zieht sich auch Janna schließlich an den Walchensee zu ihrer Oma zurück.

W.F.


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Unsere dritte Filmempfehlung dreht sich um Zeitungen und Zeitschriften. Nach den Watergate Affäre und einer bedrohten Pressefreiheit, die bei der Aufdeckung der Pentagon-Papiere durch Washington Post zutage kam und mit Maryl Streep und Tom Hanks 2018 verfilmt wurde, schickt sich nun Wes Andersons Komödie an, ein zerbrechliches Kartenhaus zu inszenieren, das am Ende mit dem Tod des Gründers in sich zusammenfällt.

"THE FRENCH DISPATCH" Dramödie von Wes Anderson um eine Sammlung von Geschichten aus der letzten Ausgabe eines amerikanischen Magazins, dass in einer fiktiven französischen Stadt des 20. Jahrhunderts erscheint. (USA, Deutschland, 2020). Mit Benicio Del Toro, Timothée Chalamet, Léa Seydoux, Bill Murray, Frances McDormand, Tilda Swinton, Willem Dafoe, Christoph Waltz und vielen anderen mehr seit 21. Oktober 2021 im Kino. Hier der Trailer:



Unsere Kurzkritik:

Um es kurz vorweg zu nehmen: Wir hatten einerseits das Glück, die Originalfassung zu sehen und konnten somit bei dem unheimlichen Cast von mehr als 50 hochrangigen Schauspielern endlich deren original Stimmen im Kino auf der großen Leinwand live erleben. Andererseits müssen wir gestehen, manchmal nicht all zu viel von den oft zu schnell in englisch und französisch durcheinander gesprochenen Worten, verstanden zu haben, denn Untertitel gab es nicht.

Allein die exzentrischen Bilder dieser Fake-Geschichten über ein fiktives Magazin, das angesichts der aktuellen Vorfälle bei Springers Bild uns sehr nachdenklich über den Wahrheitsgehalt von Nachrichten sinnieren lässt, war bereits sehenswert.

Allen voran Benicio Del Toro als Künstler, der ganz offensichtlich als Gefangener in Form des einst ehemals eingesperrten chinesischen Künstlers und Dissidenten Ài Wèiwèi auftritt und dessen ziemlich eintönige Werke von Tilda Swinton als einmalige, hochwertige und außerordentliche Kunst angepriesen werden.

Auch Timothée Chalamet hadert mit sich und der Aufgabe, als Anführer einer Studentenrevolution möglicherweise zu scheitern. Lieber liegt er halbnackt im Bett neben einer angezogenen älteren resoluten Dame, die von keiner geringeren als Frances McDormand dargestellt wird.

Kein Problem mit Nacktheit und dem Posieren vor der Kamera hat dagegen Léa Seydoux, wie sie kürzlich in einem Zeitungsinterview bekannt gab. Nacktheit ist etwas Schönes, wenn auch manchmal beim Dreh etwas unangenehm, von allen begafft zu werden.

Drei Beispiele aus einem nostalgischen Magazin, das sowohl Kriminalgeschichten und Politik als auch Erotisches wöchentlich oder täglich veröffentlichen muss, um Käufer zu gewinnen. Doch mit dem Tod des strengen Herausgebers, gespielt von Bill Murray, bricht das Kartenhaus in sich zusammen. Ein ironischer Abgesang auf die Zeit altmodischer Printmedien.

W.F.


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Leider ganz übersehen hatten wir den offiziellen Kinostart der Dokumentation über den bosnischen Musiker Robert Soko, der als Teenager nach Berlin kam, wo er als DJ mit seinen Balkan Beats berühmt wurde.

"HERE WE MOVE HERE WE GROOVE" Musik-Biopic von Sergej Kreso (Niederlande). Mit Robert Soko und weiteren Musikern bereits seit 7. Oktober 2021 im Kino. Hier der Trailer:



Unsere Kurzkritik:

Obwohl wir den den Dokumentarfilm bereits im Sommer 2021 bei einer Open-Air-Veranstaltung der Berliner BUFA-Studios sehen konnten, ist er immer noch ganz präsent im Gedächtnis geblieben.

Die swingende Musik, die Aufnahmen bei einer Party in dem lange Zeit wegen de Pandemie geschlossenen Berliner Club LIDO, und die einzigartige Präsenz des bosnischen Musikers Robert Soko, kann man einfach nicht vergessen.

Das Highlight des Films ist allerdings die rasant geschnittene Montage, die wir in dieser Form noch bei keiner anderen Doku gesehen haben. Dabei machen die Balkan Beats von Robert Soku nur einen kleinen Teil des Film aus.

Ähnlich wie Matthew Herbert, der mit seinem Film "A Symphony Of Noise" gerade beim Deutschen Filmpreis für den Sound ausgezeichnet worden war, wird auch Robert Soku mit der Zeit überdrüssig nur als DJ aufzutreten und widmet sich deshalb unter anderem der Klangforschung.

Anfang der 1990er war er als Teenager aus dem auseinanderbrechenden Jugoslawien geflohen und landete in Berlin. Aus diesem Grund fand die Deutschland-Premiere des Films im Sommer 2021 hier statt. Als DJ machte er in den Berliner Clubs Karriere, indem er herkömmlichen Techno mit Balkan-Beats mixte. Diese ungewöhnliche Kombination kam an und machte ihn erst in Berlin, später auch außerhalb der Stadtgrenzen bekannt.

Doch der Film geht weit darüber hinaus und zeigt wie Robert Soko bald 30 Jahre später erneut auf der Suche ist, um sich in einer verändernden Welt zu positionieren. Der Film begleitet den DJ, wie dieser durch Europa fährt und unterwegs auf die unterschiedlichsten Menschen trifft.

Zudem handelt der Film von einem Austausch zwischen mehreren Musikschaffenden, denen gemeinsam ist, dass sie ihre Heimat hinter sich lassen mussten.

W.F.



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