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Europaparlament verschiebt die Reform des Urheberrechts

Unterschiedliche Reaktionen auf die Aussetzung der Urheberechtsreform.



Nach der sehr hitzig geführten Debatte am 5. Juli 2018 zur Reform des Urheberrechts in der EU, die samt Upload-Filtern vorerst auf Eis gelegt wurde, weil zunächst weitere Beratungen zum Artikel 11 und 13 der neuen Copyright-Richtlinie gewünscht wurden, haben sich Parlamentarier, Verleger, Filmemacher und Bürgerrechtler recht unterschiedlich zum Ergebnis der Abstimmung geäußert.

Zumindest die Bürgerrechtsorganisation European Digital Rights (EDRi) zeigte sich begeistert und begrüßte, dass die Stimme des Volkes gehört worden sei. Der europäische Handelsverband Edima sprach von einem "Sieg für Demokratie". Auch der IT-Branchenverband Bitkom lobte die vorläufige Abwendung der Upload-Filterpflicht.

Die Verlegerverbände VDZ und BDZV kritisierten dagegen die "gezielte Verbreitung von Unwahrheiten" über die Richtlinie und forderten erneut ein Schutzrecht für Presseverlage und sprachen von einem schwarzer Tag für die Urheber.

"Heute ist ein schlechter Tag für Europas Kultur- und Kreativwirtschaft" – kommentierte auch die GEMA im Namen der gesamten Kreativwirtschaft die Abstimmung im EU-Parlament zum Urheberrecht.


Während die Grünen-Politikerin Helga Trüpel via Twitter von einem "traurigen Tag für die faire Bezahlung von KünstlerInnen" sprach, bezeichnete die Piraten-Politikerin Julia Reda das Ergebnis als "großen Erfolg".

Zuvor hatte sich auch die Deutsche Filmakademie bereits für ein starkes Urheberrecht eingesetzt. Mit einem dringenden Appell hatte sich deren Präsidentin Iris Berben an die Mitglieder des Europäischen Parlaments gewandt.

Doch nun sieht die Filmakademie die Gefahr, dass die erreichten Kompromisse, welche die Rechte der Urheber und Kreativen stärken würden, "durch die Beschwörung von Untergangsszenarien sowie durch gezielte Desinformationskampagnen im Interesse global agierender Internetunternehmen" grundsätzlich in Frage gestellt werden, sodass für Urheber und Künstler wesentlichen Regelungen entkräftet werden.

Hierzu erklärt die Präsidentin der Deutschen Filmakademie Iris Berben sinngemäß:

„Wir sind immer wieder verwundert, mit welcher Intensität die Debatte um das Urheberrecht geführt wird. Das Urheberrecht ermöglicht es uns Urhebern und Künstlern von unserer Kreativität leben zu können. Die Anpassung des Urheberrechts im digitalen Binnenmarkt sollte die digitale Nutzung von Filmen, Musik und Bücher für unser Publikum vereinfachen. Im Gegenzug sollen nicht die Verbraucher, sondern die großen Plattformen uns etwas von ihren Milliardengewinnen abgeben. Doch von den globalen Internetunternehmen wird bereits das Ende des Internets propagiert und wir als Zensoren beschimpft. Dabei sind wir es, die die Film-, Kunst-, Presse- und Meinungsfreiheit mit jedem unserer Werke gewährleisten und verteidigen. Wir brauchen die Modernisierung des EU-Urheberrechts für eine vielfältige, wirtschaftlich starke europäische Kultur- und Medienlandschaft!"


Auch Kulturstaatsministerin Monika Grütters bedauert den Entschluss des EU-Parlaments, den Trilog-Verhandlungen zur Urheberrechtsreform vorerst einen Riegel vorzuschieben. Die weitere Entwicklung ist nun offen.

Dazu Monika Grütters:
"Die weitere Anpassung des EU-Urheberrechts an die Herausforderungen der digitalen Welt ist überfällig und wird sich nun leider weiter verzögern. Professionelles kreatives Schaffen muss sich auch im Zeitalter des Internets und im digitalen Umfeld lohnen. Dies ist die Grundlage für die kulturelle und journalistische Vielfalt in Europa. Hierfür benötigen wir belastbare und funktionierende Regelungen."


Weiterer Gesprächsbedarf zum Urheberrecht.

"Mit 318 Stimmen gegen 278, bei 31 Enthaltungen, sprach sich das Parlament am 5. Juli 2018 dafür aus, das vom Rechtsausschuss am 20. Juni 2018 vorgeschlagene Verhandlungsmandat abzulehnen", heißt es in einer Mitteilung.

Im Wesentlichen geht es darum, die Rechte von Zeitungsverlagen und anderen Urhebern gegenüber digitalen Plattformen zu stärken. Doch Gegner behaupten, Brüssel plane eine Steuer auf „Links“ sowie eine Zensur im Netz. Eigentlich hatte sich der Rechtsausschuss des Europa-Parlaments bereits auf eine Position für die Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten geeinigt, doch nun muss noch einmal von vorne verhandelt werden.

Im Gesetzgebungsprozess geht es nun nicht in den sogenannten Trilog mit weiteren Verhandlungen zwischen dem Rat und der Kommission, sondern in eine komplett neue Verhandlungsrunde. Das Parlament wird die Urheberrechtsreform somit im Rahmen der nächsten Plenartagung im September noch einmal diskutieren und über eventuelle Änderungen abstimmen.

Wer soll für die Copyright-Nutzung künftig zahlen?

Digitale Plattformen und Suchmaschinenbetreiber sollen zahlen, wenn sie Artikel oder Auszüge aus Zeitungsartikeln auf ihre Seiten stellen. Es geht um Unternehmen, deren Geschäftsmodell es ist, über ihre Seiten Zugang zu Zeitungsartikeln Dritter oder Auszüge daraus zu gewähren und über das Schalten von Werbung auf ihren Seiten Einnahmen zu erzielen. Die Pläne der Kommission sehen vor, dass sich die Betreiber der Suchmaschinen vor der Nutzung der journalistischen Inhalte die Genehmigung einholen und für das Nutzungsrecht bezahlen müssen. Es geht um die Stärkung des Rechts am geistigen Eigentum. Der Plan dafür wird auch Leistungsschutz- oder Verlegerrecht genannt.

Wie soll das praktisch funktionieren?

Noch in seiner damaligen Funktion als Digitalkommissar hatte Günther Oettinger (CDU) vorgeschlagen, dass für eine Dauer von 20 Jahren nach der Erstveröffentlichung eines Artikels das Verwertungsrecht bei Verlegern und Autoren liegt. Gedacht ist daran, dass die Verlage sich zusammenschließen, um eine starke Position aufzubauen in Verhandlungen mit Google und anderen Betreibern von Suchmaschinen und für eine angemessene Nutzungsgebühr einzutreten. Der Verhandlungsführer im Parlament macht sich dafür stark, dass nicht nur die Verlage, sondern auch die Autoren an den Erlösen beteiligt werden. Er schlägt ein Verwertungsrecht von fünf Jahren vor.

Was wollen die Kritiker des Verlegerrechts?

Die Piraten-Politikerin Julia Reda führt die Kritiker an. Sie spricht ungeachtet aller Richtigstellungen bis heute von einer drohenden Verlinkungssteuer. Sie setzt statt einem umfassenden Urheberschutz darauf, Verlagen dabei zu helfen, schneller Lizenzen mit Suchmaschinen abzuschließen. Dafür ist eine „Vermutungsregel“ im Gespräch, nach der das Copyright in der Regel bei den Verlagen liegt. Das generelle Verwertungsrecht für Werke von Autoren im Internet wollen Julia Reda und andere aber nicht den Verlagen zusprechen. Der deutsche Verhandlungsführer Axel Voss (CDU) kontert: „Ein Anspruch auf Vergütung auf der Basis einer Vermutung kann leicht bestritten werden. Das ist nicht das starke Signal beim Copyright, das wir brauchen."

Ist die freie Presse in ihrer Existenz bedroht?

Die EU-Kommission und Axel Voss sehen die freie Presse in Europa durch die digitalen Umwälzungen und die Geschäftsmodelle von Suchmaschinenbetreibern existenziell bedroht. Die zunehmende Macht von Google, Facebook und Twitter gegenüber Verlagen und Nachrichtenagenturen habe schon zu einem beängstigenden Verlust der Medienvielfalt in der EU geführt. Voss geht es auch um die Sicherung journalistischer Standards und Qualität: „Europa ist bedroht durch immer mehr Falschinformationen, die in der digitalen Welt verbreitet werden.“

Droht Zensur im Internet?

Die Kritiker der Pläne argumentieren: Sogenannte Upload-Filter könnten dafür sorgen, dass künftig beliebten Diensten im Netz die Arbeitsgrundlage genommen werde wie Wikipedia, Dating- und Plattformen zum Austausch von Softwareprogrammen. Von einer Zensur des Internets will Axel Voss jedoch nichts wissen. „Der Vorwurf ist maßlos übertrieben. Wir wollen nur einige Spieler im Netz, die fortgesetzt geistigen Diebstahl begehen, dazu zwingen, vor der Nutzung die Urheber zu fragen.“ Unternehmen wie Youtube oder Facebook sollten verpflichtet werden, eine Software zu verwenden, die urheberrechtlich geschützte Werke erkennt und ihre illegale Nutzung unterbindet. Ziel ist es, die Plattformen zu zwingen, Lizenzverträge zur Nutzung des geistigen Eigentums abzuschließen und Urheber an Werbeeinnahmen zu beteiligen. Die Software ist notwendig, um Klicks von Nutzern zu registrieren und so Künstler im Netz an der Vergütung zu beteiligen.

Sind die Pläne zum Misserfolg verdammt?

Kritiker verweisen darauf, dass die Verlage hohe Gerichtskosten tragen müssen, aber im Gegenzug nur verschwindend geringe Erträge kassieren. Diesem Argument halten die Befürworter entgegen, dass man Geduld haben müsse, denn es dauere bei neuen gesetzlichen Regelungen immer Jahre, bis alle Streitpunkte vor Gericht ausgefochten sind. Zudem verweisen sie darauf, dass es innerhalb der EU bisher nur in Spanien und Deutschland das Verlegerrecht gibt. Deutschland, Spanien und die Marktmacht der dortigen Verlage seien aber zu klein, um in den Verhandlungen mit digitalen Playern wie Google und CO. bestehen zu können. Dies werde sich aber ändern, wenn das Verlegerrecht in der gesamten EU gelte.

Ist die Freiheit des Internets bedroht?

Es gibt eine Petition von über 240 Wissenschaftlern aus der internationalen Forschergemeinde, die die Freiheit des Internets in Gefahr sehen. Auch der Erfinder des World Wide Webs, Tim Berners-Lee, hat Bedenken: Er hält die Erkennungssoftware (sogenannte Uploadfilter) für einen „beispiellosen Schritt hin zur Transformation des Netzes von einer offenen Plattform zu einem Werkzeug für die automatisierte Kontrolle und Überwachung der Nutzer.“ Vor allem Blogger fürchten Sperrung ihrer Texte und Meinungen durch fehlerhaft arbeitende automatische Filter. In anderen Ländern wie China oder der Türkei sind Beschränkungen für bestimmte Suchmaschinen und diverse Nutzergruppen bereits Realität.

Quellen: Gamestar | Tagesspiegel | Blickpunkt:Film | Filmecho | Heise


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