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Bitkom fordert Abkehr von der Kinofilmförderung

Digitalwirtschaft fordert Abkehr vom Prinzip der Kinofilmförderung - verhaltene Zustimmung dagegen bei den Filmjournalisten. (UPDATE)



Um ihre Fördereffizienz zu erhöhen, soll die Filmförderungsanstalt (FFA) nach Auffassung der Digitalwirtschaft neue Plattformen wie Streaming-Dienste ins Visier nehmen.

Im Vorfeld des Runden Tisches zur Novellierung des Filmförderungsgesetzes (FFG) haben am 12. November 2015 der Verband der Deutschen Kabelnetzbetreiber e.V. ANGA, der Digitalverband Bitkom und eco - Verband der Internetwirtschaft e.V. klargestellt, dass sie die Heranziehung der Anbieter von Internetzugängen und Übertragungsplattformen zur Filmabgabe entschieden ablehnen. Anstatt auf diesem Wege zusätzliche Einnahmen für die FFA zu generieren, sollten die Mittel effizienter vergeben werden. Laut einer Pressemitteilung sei aus Sicht dieser Verbände eine Ausweitung der Filmförderung weder sachlich zu rechtfertigen noch notwendig. Die vorhandenen Mittel würden demnach "vollkommen ausreichen, wenn ihre Vergabe besser organisiert wäre".

Zu diesem Ergebnis komme ein Gutachten, dass der ehemalige Präsident der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf, Prof. Dr. Dieter Wiedemann, im Auftrag der Digitalwirtschaft erstellt hatte. Sie finden dieses Gutachten an dieser Stelle als PDF.

Wie daraus hervorgehe, hätten deutsche Filmfördereinrichtungen zwischen 2010 und 2012 insgesamt 1.501 Filmprojekte finanziell unterstützt. Bis zum Jahr 2014 seien davon aber nur 1.093 Filme tatsächlich in der Öffentlichkeit gezeigt worden. Die deutschen TV-Sender strahlten derzeit sogar weniger als die Hälfte der deutschen Kinofilme aus. Demnach gebe es eine Überproduktion an deutschen Filmen und eine Überförderung wirtschaftlich erfolgloser Projekte.

An Stelle einer Ausweitung der Filmförderung schlage der Gutachter zahlreiche strukturelle Änderungen vor. Einer der augenfälligsten Vorschläge: Geförderte Filme sollten nicht immer zuerst im Kino gezeigt werden müssen. Stattdessen müssten neue Plattformen wie zum Beispiel Streaming-Dienste im Internet berücksichtigt werden, um jüngere Zielgruppen zu erreichen.

Wiedemann schreibt in seinem Gutachten: "Es gibt aus meiner Sicht keinen Grund mehr, die Förderung des deutschen Films und der deutschen Filmwirtschaft an Erstaufführungen im Kino oder auf Filmfestivals zu koppeln, nicht zuletzt auch wegen der vom Gesetzgeber geforderten 'gruppennützigen Verwendung des Abgabeaufkommens'".

Und weiter: "Es sollte über Einschränkungen bei der Exklusivfunktion des Kinos für den Start deutscher Filme nachgedacht und damit auch eine Diskussion zu deren Verwertungsfenstern geführt werden. Es wäre zeitgemäßer, die Beschränkung der Filmförderung durch den Bund auf den Erstaufführungsort Kino insbesondere hinsichtlich der starren Verwertungsfristen aufzuweichen und beispielsweise eine Auswertung in VoD-Diensten parallel zum oder auch vor dem Kinostart zu ermöglichen."

Anzumerken ist dabei, dass zumindest die Möglichkeit einer parallelen Auswertung geförderter Filme auf unterschiedlichen Plattformen (darunter auch Video on Demand - VoD) tatsächlich bereits im geltenden FFG in § 20 III verankert ist.


NACHTRAG vom 24.11.2015

ARD und ZDF beteiligen Produzenten an VoD-Erlösen.
Nach dreijährigen Verhandlungen haben ARD und ZDF mit der Produzentenallianz die „Eckpunktevereinbarung über die vertragliche Zusammenarbeit zu Film-/Fernseh-Gemeinschaftsproduktionen und vergleichbare Kino-Koproduktionen“ abgeschlossen.

Die Pay-VoD-Rechte an Produktionen, an denen ARD oder ZDF beteiligt sind, stehen künftig exklusiv dem Produzenten zu, solange der Anteil des beteiligten Senders an den Herstellungskosten unter 50 Prozent gelegen hat. Die Free-VoD-Rechte stehen dagegen exklusiv ARD oder ZDF für ihre Nutzungsgebiete zu. Zudem kommen künftig Geolocation-Maßnahmen durch die Sender zum Einsatz, um beim Streaming den Zugriff auf ihre Programme außerhalb des deutschsprachigen Europas auszuschließen. Eine Ausnahme bildet allerdings Südtirol, da zum Schutz der deutschen Minderheiten in dieser Region deren Sprache seit 1972 dem amtlichen Italienisch rechtlich gleichgestellt ist.

Auch für die Verwertung im Pay-TV wurden Regelungen getroffen. So sei eine Pay-TV-Ausstrahlung vor der Free-TV-Ausstrahlung dann möglich, wenn sich der Pay-TV-Veranstalter an den Produktionskosten beteiligt hat und sich durch die Pay-TV-Ausstrahlung keine Verschiebung des Free-TV-Nutzungsbeginns ergibt.

Links: www.ffa.de | www.bitkom.org | www.produzentenallianz.de



Medienjournalisten begrüßen Vorschläge zur FFG-Novelle.
Die Filmjournalistin Katharina Dockhorn (DJV), die auch im Vorstand des neu gegründeten Bundesverbands deutscher Medienjournalisten e.V. (BVMJ) aktiv tätig ist, teilte uns in einem Textauszug mit, dass ihr Verband den Vorschlag von Monika Grütters begrüßt, bei der anstehenden Novellierung des Filmförderungsgesetzes (FFG) die Gewichtung von Referenz- und Projektförderung beizubehalten und sich nicht den Forderungen der Expertenkommission der Filmförderungsanstalt (FFA) anzuschließen, das Verhältnis einseitig zu Gunsten der wirtschaftlich erfolgreichen Produzenten zu verschieben. Die Berlinerin Grütters liebt filmische Experimente, die ohne Filmförderung nicht entstehen. Das machte sie in einem Interview mit der Nachrichtenagentur dpa zur Diskussion um die Novellierung des Filmförderungsgesetzes (FFG) deutlich.

Der Verband, der erstmals am 5.11.2015 bei einer Podiumsdiskussion im Rahmen des Filmfest Braunschweig öffentlich in Erscheinung trat, hätte sich im Interesse des Nachwuchses, der Lust am Experimentieren und insbesondere der Unterstützung der Filmkunst gewünscht, dass das Verhältnis von 50:50 zwischen Referenz- und Projektförderung zu Gunsten der Projektförderung verschoben wird. Der Verband plädiert dafür, in der Projektförderung künftig alleine die künstlerische und inhaltliche Relevanz des einzelnen Projektes bei der Prüfung der Förderungswürdigkeit zu bewerten.

Die Filmförderung ruht bislang auf drei Säulen, schreibt Dockhorn. In die Kulturelle Förderung fließen aus Steuermitteln über 30 Millionen Euro. Das FFG regelt dagegen, dass Kinos. Fernsehsender und Videoanbieter einen Teil des Umsatzes in einen Topf einzahlen, damit neue Werke entstehen. Rund 50 Millionen Euro kommen zusammen, sie werden von der Filmförderungsanstalt (FFA) verteilt. 2007 kam der Deutsche Filmförderfond (DFFF) hinzu, der 20% des Budgets eines Films automatisch mit Steuergeldern subventioniert. Bei 10 Millionen Euro je Film ist allerdings Schluss.

Der Kuchen von rund 150 Millionen Euro ist nicht groß genug, daher streitet die deutsche Filmbranche erbittert um die Verteilung. Im Zentrum steht das FFG. Im Juni plädierten die wirtschaftlich etablierten Unternehmen für einen radikalen Wechsel bei der Verteilung des FFA-Etats zu Gunsten der kommerziell Erfolgreichen. Grütters favorisiert den Ausgleich. Die Hälfte automatisch für den 3. Teil von „Fuck ju Göhte“ oder eine Komödie von Til Schweiger. 50% für neue Projekte wie „Victoria“ und den Nachwuchs.

Im Streit um den DFFF steht Grütters gegen die Filmbranche. Lautstark fordern Filmwirtschaft und Oppositionspolitiker die Wiederaufstockung des Etats. Der Ansatz greift zu kurz. Denn jetzt kommt Gabriel mit einer neuen Förderung ins Spiel. Mit zehn Millionen Euro will er ab 2016 Steven Spielberg oder George Clooney wieder nach Deutschland locken. Mit diesem Minietat wird das kaum gelingen, er reicht für einen Film mit 50 Millionen Euro Budget. Europäische Länder locken hochbudgetierte Serien und Filme mit bis zu 25% Nachlass auf das gesamte Budget. Die Studios in London sind voll, Babelsberg schreibt rote Zahlen.

Langsam dämmert Gabriel, dass dem Land ein lohnendes Geschäft in einer grünen Zukunftsindustrie entgeht. Für jeden Euro Förderung geben Hollywoods Produzenten fünf in Görlitz oder „Sexy Anhalt“ aus. Dazu kommen Steuern und Sozialabgaben.

Die Einführung des Steuererlasses wie in GB wäre die Rettung für das Studio Babelsberg. Filme wie „Bridge of Spies“ oder „Inglorious Basterds“ benötigen dann keine weitere Unterstützung durch den DFFF. Er bliebe den deutschen Filmemachern vorbehalten. Der Etat könnte wahrscheinlich sinken. Diese Mittel wären gut in der Kulturellen Filmförderung angelegt, so Dockhorn weiter.

Der Ausbau der Drehbuchförderung ist ein erster Schritt in diese Richtung, so der BVMJ. Die Autoren müssen allerdings frei entscheiden können, welche Hilfe sie benötigen. Die angestrebte künstlerische Spitzenförderung ist nur durch die Verbesserung der Ausbildung der Filmemacher, die weitere Unterstützung von Aus- und Weiterbildung sowie der Professionalisierung der Arbeit der Gremien der FFA möglich. Sie müssen mit anerkannten Experten besetzt werden.

Der Verband mahnt an, den Filmjournalismus nicht zu vergessen. Schon heute leidet der Verleih vieler kleinerer Filme unter fehlenden Mitteln. Vorführungen für die Presse finden nur partiell statt. Die Marketing-Budgets müssen endlich steigen, diese Mittel müssen auch dort eingesetzt werden, wo die kritische und lustvolle Auseinandersetzung mit dem Kunstwerk Film gepflegt wird. Der Verband erinnert an die Forderung, dass alle Produzenten und Verleiher, die in den Genuss der FFA-Förderung kommen, reguläre Pressevorführungen in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg Köln, Leipzig, München und Stuttgart durchführen müssen.

Nicht zuletzt muss der Golden Globe, der Preis der Auslandspresse in Hollywood, wieder in die Referenzfilmförderung aufgenommen werden. Außerdem regen wir an, die Auszeichnung deutscher Filme durch die Kritiker-Jurys der FIPRESCI, der Internationalen Assoziation der Filmkritik, neu in die Kriterienliste aufzunehmen. Die Ehrungen werden weltweit auf mehr als 60 Festivals vergeben. In Deutschland unter anderem auf der Berlinale, dem Internationalen Dokumentarfilmfestival in Leipzig und dem Internationalen Kinderfilmfestival „Schlingel“.

Bundesverband deutscher Medienjournalisten e.V.
Link: www.bvmj.de

Quellen: Blickpunkt:Film | ANGA | K. Dockhorn | Produzentenallianz

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