Skip to content

Wenig Hoffnung für Kreative in der Filmbranche (update)



Am 28. November präsentierte Dr. Karsten Schneider, Leiter der Abt. Forschungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung, im Konferenzcenter bei ver.di am Gendarmenmarkt seine Studie:
Ausgeleuchtet – Vom Arbeiten und Leben in der Filmindustrie“.
Wir kündigten Einzelheiten zu der Erhebung am 22. November im BAF-Blog an.

Zahlreiche Medienvertreter und vor allem viele Filmverbände waren gekommen, um Neuigkeiten zu hören. Gespannt war man auf die Äußerungen der Mitglieder des Deutschen Bundestages (MdB) zu der Studie für die extra eine ganze Sitzreihe freigehalten worden war. Doch sie blieb bis zum Schluss leer. Kein einziger "Volksvertreter" hatte sich blicken lassen, außer der Bundestagsabgeordneten Angelika Krüger-Leißner (SPD), die auf dem Podium verzweifelt Rede und Antwort stehen sollte. Zu Ihrer Unterstützung hatte man außerdem noch die Bundesagentur für Arbeit (BA) geladen, um detaillierte Antworten zu bekommen. Doch auch hier war nur eine Dame der ehemaligen Abteilung Zentrale Bühnen-, Fernseh- und Filmvermittlung (ZBF) erschienen, die mit der Hartz-IV-Reform wenig zu tun hat. Zum 01.05.2007 wurde (ZBF) und die Künstlerdienste (Kd) zu einer kompakten Künstlervermittlung unter dem Dach der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) zusammengefasst. Die ZBF führte eine Sonderolle innerhalb der BA und hatte mit Leistungsbezug nichts zu tun. Laut Ihrer Aussage versucht die Abteilung nur Arbeitslose der Film- und Fernsehbranche zu vermitteln. Zur Bezugsdauer und Härtefällen kann Sie nicht Stellung nehmen. Das wäre Aufgabe der Jobcenter, nicht des Künstlerdienstes, zu dem Sie sich rechnet. Nach einer Kritik des Bundesrechnungshofes an der ZBV, sollen von der neuen ZAV nur noch Künstler vermittelt, die ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis suchen. Eine kaum zu realisierende Aufgabe, da viele Filmschaffende entweder auf Rechnung arbeiten oder nur tageweise, teilweise sogar nur stundenweise, für eine Produktion beschäftigt werden.

Fragen des Publikums, ob denn nicht verlässliche Statistiken zu Beschäftigungsdauer von der ZBF geführt würden, die relevant wären für einen Handlungsbedarf in der Branche, wurden von ihr verneint, denn das wäre Aufgabe der Politik und anderer Abteilungen. Sie würden nur vermitteln dürfen und ihre eigenen Erfahrungen sind sicherlich als verlässliche Erhebungen nicht aussagekräftig genug, auch wenn sie in der Tendenz der Hans-Böckler-Studie entsprechen.

Die Studie der Hans-Böckler-Stiftung hatte maximal 900 Personen zur Ihrer Situation in der Filmbranche befragt. Nur einen sehr kleinen Teil der ca. 10.000 Schauspieler und der mehr als 15.000 weiteren Beschäftigten in der Filmbranche. Die zahlreichen unstetig Beschäftigten der Fernsehanstalten wurden dabei offensichtlich sogar gar nicht berücksichtigt. Zwar zeigt die Studie, dass relativ viele Beschäftigte längerfristig in der Branche tätig sind - häufig mehr als 10 Jahre, besonders unter den Älteren. Doch viele sind nur sehr sporadisch in Arbeit. Zeiten der Beschäftigung wechseln sich regelmäßig mit Arbeitslosigkeit ab. Besonders hart ist es für jene, die Sozialunterstützung vom Jobcenter bekommen. Ihnen darf laut Gesetz der 1-Euro-Job verordnet werden. Doch damit stehen sie eine längere Zeit dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung und dürfen somit auch nicht mehr tageweise in der Filmbranche beschäftigt werden. Ein Teufelskreis, dem manche durch illegale Schwarzarbeit zu entgehen versuchen und damit aus jeder Statistik fallen.

Für die Politiker sind solche Studien unerlässlich, um aktiv werden zu können sagte die Dame von der SPD auf dem Podium. Doch es hat sich gezeigt, dass die Branche weniger als 9% aller Beschäftigten der Bundesrepublik darstellen und für eine solch kleine Gruppe könne man keine Ausnahmen machen. Erboste Zwischenfragen aus dem Publikum wurden zwar angehört, doch wenig ergiebig beantwortet. Die BA und die Politik gehen fast immer von regulären Arbeitszeiten aus. Dass in der Branche ein Arbeitstag oft mehr als 12 Stunden umfasst, wissen zwar die Politiker, doch eine Sonderregelung und neue Anweisungen für die BA wird es nicht vorerst nicht geben. Jedenfalls nicht bevor nicht weitere gesicherte statistische Ergebnisse vorliegen, die auf einer weitaus größeren Erhebungszahl beruhen müssten. Bei der BA und in den Jobcentern kennt man offensichtlich nur einen 8 Stundentag. Mehr wird nicht berücksichtigt. Gar nicht addiert werden wohl die Wochenendarbeitszeiten. Im Krankheitsfalle ist man in der Filmbranche sofort draußen, während in anderen Branchen der Arbeitgeber 6 Wochen weiter zahlt. Alles Nachteile, die mit anderen Berufen nicht zu vergleichen sind. Deshalb scheint bei Jüngeren die Neigung langfristig in der Branche zu arbeiten, mittlerweile deutlich geringer zu werden.

In anderen Ländern gibt es dagegen bessere Regelungen. Filmleute in der Schweiz können sich pro Beschäftigungstag pauschal das Doppelte beim dortigen Arbeitsamt anrechnen lassen. Eine Regelung, die man mit Argusaugen aus Deutschland betrachtet, die aber dennoch vielleicht einmal den Anstoß geben kann, dass sich bei uns etwas ändert. Die Idee der Gewerkschaft ver.di und ihr Projekt 5 statt 12 von connexx.av wird deshalb weiter verfolgt. Allerdings kamen diverse Vorbehalte auf, warum nun ausgerechnet 5 statt 12 sozialversicherungspflichtige Monate innerhalb von zwei Jahren als Bezugsgröße herangezogen werden sollten. Diese Zahl wäre willkürlich gewählt, ohne ausreichenden statistischen Hintergrund. Man könnte auch 6 oder 7 statt 12 sagen. Darüber müsse in den nächsten Monaten noch lange debattiert werden, war leider das wenig erfreuliche Fazit der Veranstaltung.

(update)
Das offizielle Protokoll des parlamentarischen Infoabends ist jetzt auch bei connexx.av nachzulesen:
http://www.connexx-av.de/meldung_volltext.php3?si=1&id=474ed338662f8&akt=presse_pressemeldungen&view=&lang=1


Anzeige

Trackbacks

Keine Trackbacks

Kommentare

Ansicht der Kommentare: Linear | Verschachtelt

Noch keine Kommentare

Kommentar schreiben

Standard-Text Smilies wie :-) und ;-) werden zu Bildern konvertiert.
Die angegebene E-Mail-Adresse wird nicht dargestellt, sondern nur für eventuelle Benachrichtigungen verwendet.

Um maschinelle und automatische Übertragung von Spamkommentaren zu verhindern, bitte die Zeichenfolge im dargestellten Bild in der Eingabemaske eintragen. Nur wenn die Zeichenfolge richtig eingegeben wurde, kann der Kommentar angenommen werden. Bitte beachten Sie, dass Ihr Browser Cookies unterstützen muss, um dieses Verfahren anzuwenden.
CAPTCHA

Formular-Optionen