Skip to content

WENDE FLICKS: Letzte Filme aus Ost-Berlin

Filmreihe KONTAKTE: Wiederaufführung Kino-Koproduktion „Herzsprung“ ZDF/DEFA



Helke Misselwitz gehört zu den wichtigsten Filmemachern der letzten DEFA-Generation. Bereits während der Studienzeit fallen ihre filmischen Übungen auf, aber erst 1988 kann sie mit der Dokumentation WINTER íDE (1988) nationale Anerkennung erzielen. Die Dokumentation ist eine der wichtigsten über Frauen in der DDR, Sehnsüchte und Befindlichkeiten kommen ungefiltert zum Ausdruck. Auch danach dreht die Regisseurin erfrischende Arbeiterporträts, liefert ungeschminkte Bilder über die DDR-Jugend ab und verfilmt mit HERZSPRUNG (1992) einen der wenigen deutschen Filme über die politische und gesellschaftliche Aktualität kurz nach der politischen Wende in Ostdeutschland.

Ihre filmische Laufbahn begann Helke Misselwitz als Regieassistentin beim Fernsehen der DDR. Sie studierte in Potsdam-Babelsberg Regie, arbeitete als freie Autorin und Regisseurin und war von 1985 bis 1988 Meisterschülerin bei Regisseur Heiner Carow an der Akademie der Künste der DDR. Neben ihrer Filmarbeit ist Helke Misselwitz auch im Verband der Film- und Fernsehschaffenden der DDR engagiert. Von 1988 bis 1990 ist sie Vorstandsmitglied, von 1990 bis 1991 stellvertretende Vorsitzende. Sie setzt sich massiv dafür ein, daß der Filmstock der DEFA nicht verkauft wird, sondern1998 in eine Stiftung eingeht. Auch nach dem Mauerfall setzte sie ihre filmische Arbeit erfolgreich fort. Seit 1993 ist sie Mitglied der Akademie der Künste Berlin-Brandenburg und seit 1997 Professorin für Regie an der an der Hochschule für Film und Fernsehen "Konrad Wolf" in Potsdam-Babelsberg.

Wenn das Herz (zer)springt: Spielfilmdebüt der Dokumentaristin Helke Misselwitz

Deutschland Ost im Jahre 1992. Es schneit Gänsefedern in einer Betriebsküche – und Eva-Maria Hagen singt volkstümliche Weisen. Danach verliert die Köchin Johanna ihren Job, tags darauf ihren Mann. Sie ist – wie die anderen im Dorf Herzsprung – nicht zu beneiden. Doch sie ist jung, will sich mit der brandenburgischen Einöde ebenso wenig abfinden wie mit der Nachwende-Tristesse.

Ein blutiges, sinnliches Märchen erzählt die Dokumentaristin Helke Misselwitz in ihrem bemerkenswerten Spielfilm-Debüt. Die Geschichte eines wundersamen Aufbruchs in einem wundersamen Land, in dem nicht nur Rowdies Hatz auf einen Schwarzen machen, sondern auch getanzt, gesungen und ein gesundes Heimatgefühl gepflegt wird. Und wo Liebe Berge versetzen kann. Johannas Herz macht Sprünge, als ihr der Farbige Manuel begegnet. Und selbst ihr Vater verliebt sich noch einmal.

Rot ist die Liebe, rot ist das Blut – und zugleich Signalfarbe in „Hersprung“. Johanna watet durchs Blut, färbt sich die Haare rot, schlüpft in rote Schuhe und steigt in einen roten Wagen. Bei Misselwitz sind das keine symbolischen Ausrufezeichen, eher sinnliche Reize. Der Film erzählt sich selbst, so wie sich das Leben oft wie selbst erzählt. Der Film braucht keine Stichwortgeber, die wie bei mäßigen TV-Spielen zur nächsten Szene überleiten. Ein kleines poetisches Meisterwerk mit Bildern zum Verlieben und Darstellern der Extraklasse ist hier als Kino-Koproduktion dem ZDF gelungen. Unvergesslich wie Claudia Geisler durch die fahle Winterlandschaft tänzelt oder ihr Körper bis zur Besinnungslosigkeit mit den Rockmusik-Rhythmen verschmilzt. Im Gegensatz dazu: Günter Lamprecht, stoisch, in sich ruhend und mit sich eins. Beeindruckend auch die jungen Männer: Ben Becker oder Nino Sandow – Gesichter!

Helke Misselwitz war die gefühlsmäßige Doppelwertigkeit von Titel und Geschichte wichtig: „dass einem das Herz aus Freude und vor Kummer springen kann“. Bewusst vereint habe sie auch „das Märchenhafte und das Wirkliche“ in ihrem Film. Es ging ihr nicht um die rechte Szene, eher um den latenten Rassismus. „Und den“, so betont sie, „hat es ja auch schon vorher gegeben, auch in der ehemaligen DDR. Nur wurde er unterdrückt, war nur unterschwellig vorhanden“.

Rainer Tittelbach (13.6.1994)
Dieser Artikel stammt von www.tittelbach.tv

„Herzsprung“
ZDF / DEFA / Kino-Koproduktion / Drama 1992
Mit Claudia Geisler, Günter Lamprecht, Eva-Maria Hagen, Nino Sandow und Ben Becker
Drehbuch/Regie: Helke Misselwitz
Kamera: Thomas Plenert
Produktionsfirma: Thomas Wilkening Filmgesellschaft
Nominated for the 1993 German Film Award

Filmreihe KONTAKTE des Berliner-FFV
Kino TONI
Montag, 30.05.2011 um 20.00 Uhr
Antonplatz / Max–Steinke-Str. 43
13086 Berlin
Tel.: 030 / 9279120-0
Web: www.kino-toni.de


Anzeige

Trackbacks

Keine Trackbacks

Kommentare

Ansicht der Kommentare: Linear | Verschachtelt

Noch keine Kommentare

Kommentar schreiben

Standard-Text Smilies wie :-) und ;-) werden zu Bildern konvertiert.
Die angegebene E-Mail-Adresse wird nicht dargestellt, sondern nur für eventuelle Benachrichtigungen verwendet.

Um maschinelle und automatische Übertragung von Spamkommentaren zu verhindern, bitte die Zeichenfolge im dargestellten Bild in der Eingabemaske eintragen. Nur wenn die Zeichenfolge richtig eingegeben wurde, kann der Kommentar angenommen werden. Bitte beachten Sie, dass Ihr Browser Cookies unterstützen muss, um dieses Verfahren anzuwenden.
CAPTCHA

Formular-Optionen

Kommentare werden erst nach redaktioneller Prüfung freigeschaltet!