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Sehsüchte: Nach 15 Preisen zur Abschlussparty

Das 38. Internationale Studentenfilmfestival sehsüchte in Potsdam-Babelsberg prämierte 15 Preisträger mit einem Preisgeld von 49.300 Euro.


Während diese Zeilen geschrieben werden, tobt immer noch die Abschlussparty der Sehüchte im Atrium der HFF Potsdam-Babelsberg. Nach den opulenten Preisen ist diesmal das Buffet allerdings nicht mehr so reichlich und vor allem nicht mehr kostenlos wie zur Eröffnungsnacht. Dennoch wurde auf der Bühne kräftig und deutlich zu lautstark gerockt. Kein Wunder, wenn die Gesundheitsbeörde festgestellt hat, dass fast jeder vierte Jugendliche heute Gehörschäden aufweist. Die Zahl der jugendlichen Hörgeräteträger sei um 38% gestiegen meldet die Deutsche Angestellten-Krankenkasse. Hauptursache sei laute Musik bei Disco- oder Konzertbesuchen und vor allem die laute Dauerberieselung über Mini-Kopfhörer der iPod-Generation. Inzwischen werden nicht nur Musik sondern gerne auch Kurzfilme auf den kleinen Handheld Geräten angesehen und der Ton dabei oft zu laut direkt im Gehörgang aufgedreht.

Auf der Preisverleihung wurde tatsächlich ausdrücklich darauf hingewiesen, dass alle 20 Animation Filme, die im Wettbewerb vertreten waren, bereits bei YouTube abrufbar sind und somit ggf. auch auf die Miniplayer geladen oder sogar damit direkt empfangen werden können. Der Preis für den Besten Animationsfilm wurde an die niederländische Regisseurin Evelien Lohbeck für ihren Beitrag „Noteboek“ verliehen. Der kleine Film zeigt die Vision, wie ein man auf einem im Internet virtuell gezeichneten Musikinstrument plötzlich richtig spielen kann. Inzwischen ist die Vision fast Realität geworden, denn Web basierte Programme gibt es mittlerweile tatsächlich für viele Anwendungen.

Von den insgesamt 15. verliehenen Preisen richtete sich das Hauptaugenmerk natürlich auf den Spielfilm. Regisseur Matthias Glasner, Mitglied der Spielfilmjury, übergab den Preis für den Besten Spielfilm an den mexikanischen Beitrag „La canción de los niños muertos“. Stellvertretend für den Regisseur David Pablos nahm der Kameramann Hatuey Viveros den Hauptpreis entgegen.
Der Film ist poetisch, archaisch, fast mystisch. Von großer, gestalterischer Kraft und doch niemals manieriert, sondern ganz nah an dem verzweifelten Mann und seinen Kindern, deren natürliches Erwachen der Sexualität der Film trotz des vorherrschenden Leidens nicht verschweigt. Der Kameramann komponiert dafür Bilder, die schön sind, weil sie wahrhaftig sind. Die intuitiv richtig gesetzt werden, auf dem schmalen Grad zwischen dokumentarischem und erfundenem. Ein mutiger Film, der sich nirgendwo anbiedert und der den Zuschauer tief berührt zurücklässt", so die Spielfilmjury in ihrer Laudatio.
Dennoch ist der Film zwiespältig und jeder Politiker, der nach dem Amoklauf von Winnenden (siehe BAF Blog vom 13. & 24. März) für Verbote von Gewaltdarstellungen plädiert, würde bei dem Film die Hände über den Kopf schlagen und sich fragen was in den Köpfen der heutigen Jugend und Filmstudenten vor sich geht. Die Jury hat sich in ihrer Urteilsfindung von solchen Überlegungen jedoch nicht beirren lassen:
Eine Mutter stirbt. Die Kinder und ihr Vater sind daran vielleicht nicht ganz unschuldig. Wie lebt man mit diesem Verlust und mit dieser Schuld? Zurückgezogen in einem Haus am Meer, scheinbar außerhalb von Zeit und Raum, erzählt der Film von den inneren Kämpfen dieser Gemeinschaft und findet dabei ebenso grausame wie zärtliche Bilder für ihren Schmerz. Der Vater wird wegen des Todes der Mutter nicht nur gedemütigt, sondern von den eigenen Kindern gesteinigt und mit der Baseballkeule fast totgeschlagen. Dennoch kommt er wieder zu sich und rafft sich unter den Augen der Kinder schließendlich auf die Mutter ordentlich zu bestatten, um danach einen Neuanfang zu beginnen.
Der englische Titel des Films lautet ubrigens: "The Dead Children Song" und erinnert stark an Sergio Leones deutschen Filmtitel "Spiel mir das Lied vom Tod" aus dem Jahr 1968.

Nicht weniger verstörend und irritierend war der Pubikumsgewinner "Schlaraffenland" von Sarah Judith Mettke (Filmakademie Baden-Würtemberg), der ebenfalls von Tod und Verzweiflung zweier Kinder handelt. Eine gewisse Ähnlichkeit in der Namensgebung und damit auch Verwechslung mit dem diesjährigen Oscargewinner „Spielzeugland“ von Jochen Alexander Freydank (auf DVD in der aktuellen avfbild.de) ist womöglich dabei sogar beabsichtigt gewesen, ohne das Werk abzuwerten.
Eine Mutter gibt ihre beiden Kinder in die Obhut des ungeliebten Vaters. Weder die Kinder noch der offensichtlich mittlerweile neu verheiratete Mann sind darüber hoch erfreut. Es kommt zu einem tödlichen Unfall, den zunächst nur der Gärtner bemerkt. Doch der Gärtner ist diesmal nicht der Mörder, wie gemeinhin vom Volksmund gesagt und in vielen anderen Filmen dargestellt. Er flieht dennoch und verzichtet sogar auf den Lohn, damit die Kinder etwas Geld zum Einkaufen haben. Die Kinder, nun allein gelassen, sind zum Teil noch zu klein, um den Tod des Vaters zu begreifen. Ganz im Gegenteil, sie fühlen sich jetzt wie im Schlaraffenland, denn niemand kann ihnen von nun an mehr etwas vorschreiben. An das Entsorgen der Leichen geht zumindest der Junge ganz pragmatisch ran. Allerlei Getier aus dem Garten soll die Verwesung beschleunigen.
Trotz aller Ironie ist der Film durchaus realistisch in Szene gesetzt. Perfektes Handwerk und großartig von den Kindern gespielt.

Im Dokumentarfilmbereich gab es neben zwei lobende Erwähnungen und zwei Preise. Den Hauptpreis erhielt der bulgarische Film „Goleshovo“ von Ilian Metev und bester Dokumentarfilm unter 25 Minuten wurde „Kuppikunta“ von Reetta Huhtanen aus Finnland.

Kameramann Armin Dierolf von „Schwester Ines“ erhielt den Preis für die Beste Kamera und der polnische Spielfilm „Luksus“ von Jarek Sztandera wurde für den Besten Schnitt ausgezeichnet. Der Fokus-Dialog-Preis ging an den indischen Spielfilm „Erased“ von Neha Raheja Thakker. Der höchstdotierte Preis des Studentenfilmfestivals, der Produzentenpreis, wurde an den Spielfilm „Sores & Sí®rí®n“ von Stephanie Blum verliehen. Der Preis gegen Ausgrenzung ging an den Dokumentarfilm „Unter Nachbarn“ von Steffen Düvel. Bester Kinderfilm wurde „Bienenstich ist aus“ von Sarah Winkenstette. Darüber hinaus wurde auch bei der Lauscherlounge während des Festivals ein Preis für das beste Drehbuch vergeben.

Ergebnisse der Jury mit Begründungen finden Sie hier auf der Homepage der sehsüchte 09. Alle Gewinnerfilme werden heute am Sonntag noch einmal im Thalia Arthauskino am S-Bhf. Babelsberg um 15:00 Uhr gezeigt. Anschließend gibt es die Andreas Dresen Studentenfilm Retrospektive ab 17:30 Uhr mit nachfolgender Diskussion.

Veranstaltungsort
Thalia Arthouse Kinos
Rudolf-Breitscheid-Str. 50
14482 Potsdam-Babelsberg
Tel: 0331 / 7437020
Web: www.thalia-arthouse.de


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