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Zwei Filmbesprechungen zu Kinostarts in der 13. KW mit überlangen Werken

Arthouse-Filme werden vermehrt in Kooperation mit Streamingdiensten für kurze Zeit zuerst im Kino platziert, bevor die Werke danach nur noch online gesehen werden können.



Filme von zweieinhalb Stunden und manchmal sogar fast drei Stunden Dauer sind für Kinobetreiber eigentlich kein schlechtes Geschäft, denn zu den bereits kräftig angezogenen Ticketpreisen kommt ein Überlängen-Zuschlag hinzu, der vom Publikum inzwischen aber meist akzeptiert wird, wenn das Ambiente mit bequemen, nicht zu engen Sitzmöbeln den Preis aufwiegt.

In der 13. Kalenderwoche sind wieder zwei extra lange Filme gestartet, die gute Unterhaltung zu versprechen scheinen. Davon ist zumindest einer bald auch beim Streamingdienst MUBI zu sehen, obwohl wir das Sehvergnügen mit Dolby-Surround-Ton auf der großen Kinoleinwand immer noch bevorzugen.

"THE END" Musical von Joshua Oppenheimer, der als Dokumentarfilmer über Auftragsmörder und Diktatoren bekannt geworden ist, und sich nun der Fiktion eines traurigen Endzeitdramas zuwendet, das in einer Welt verrückter Autokraten leider nicht ganz abwegig geworden ist. (USA / Dänemark / Deutschland / Großbritannien / Italien / Irland / Schweden, 2024; 148 Min.) Mit Tilda Swinton, George MacKay, Moses Ingram u.a. seit 27. März 2025 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Seit langer Zeit ist die Erde unbewohnbar. Zu den wenigen Überlebenden gehört eine reiche Familie: Mutter, Vater, Sohn und seine Freundin sowie einem Arzt und einem homosexuellen Butler. Sie führen seit 25 Jahren ein Leben im Luxus ohne Sonnenlicht, tief unter der Erde, in einem Bunker eines hermetisch von der Außenwelt abgeschlossenen, ehemaligen Salzbergwerks, denn draußen ist die Welt aufgrund eines ökologischen Kollapses angeblich unbewohnbar.

Tägliche Routinen geben ihrem Leben eine Struktur. Die Mutter (Tilda Swinton) kümmert sich um ihre kostbare Gemäldesammlung. Der Sohn (George Mac Kay) hilft seinem Vater (Michael Shannon) dessen Memoiren zu Papier zu bringen. Sie sind eingefahren in ihrer Selbstdarstellung und üben sich in wiederkehrenden Idealen, wie das Schwimmtraining in ihrem riesigen Pool. Die Freundin (Bronagh Gallagher) übernimmt zudem einige Funktionen, genauso wie der Butler (Tim McInnery) und für Notfälle gibt es ja noch den Arzt (Lennie James). Namen haben sie alle nicht.

Der Vater verwaltete ein gigantisches Energieunternehmen und hat offensichtlich gegen die Umweltkatastrophe vorgesorgt. Der Sohn wurde in der Salzmine geboren und kennt die alte Welt da draußen nur vom Hörensagen. Er baut fantasievolle Modelleisenbahnlandschaften. Und wenn sie alle nichts wesentliches zu tun haben, singen sie sich die Apokalypse schön und stellen eine glückliche Familie dar, die ihren Zusammenhalt besingt, obwohl - bis auf den Sohn - keiner von ihnen wirklich gut singen kann.

Aber irgendwie muss diese Schicksalsgemeinschaft ja dem Bunkerkoller entgehen. Es gibt sogar die Möglichkeit zu gärtnern. Und ab und zu machen sie auch Katastrophenübungen.

Einiges ändert sich erst als ein junges Mädchen (Moses Ingram) plötzlich im Stollen auftaucht und Zuflucht sucht. Jetzt stellen sich alle die Frage, ob man der fremden Person helfen soll oder sogar bei sich aufnehmen darf? Joshua Oppenheimer („The Act of Killing“, „The Look of Silence“) interessiert sich jedoch nicht für eine potentielle Lücke im Sicherheitssystem. Vielmehr verliebt sich der Sohn in das fremde, dunkelhäutige Mädchen, das allein ist und hat niemanden mehr hat, weshalb sie nicht gleich wieder abgeschoben wird.

Allerdings wirbelt ihr Erscheinen die Routine in dem erstarrten Familienleben ziemlich durcheinander. Das Mädchen setzt mit ihren Fragen einen unangenehmen Prozess in Gang, in dem nicht wahrhabende Gefühle und verdrängte Wahrheiten spruchreif werden.

Auch die Mutter bekommt Gewissensbisse. Sie vermisst ihre Familie, ihre Mom und ihren Dad. Sie macht sich Vorwürfe, dass sie sich nicht gemeldet hat und fragt sich, warum sie nicht mehr Freunde aufgenommen haben.

Der Film kritisiert die Tatsache, dass sich nur die Reichen vor Katastrophen schützen können und entsprechende Behausungen für einen Ernstfall leisten können. Diese Familie ist bestens ausstaffiert, um eventuelle Gefahren abzuwehren. Wenn alles verschwindet, bleibt dem Sohn, die Liebe seiner Mutter. Trotz einiger Schwächen und Längen, bei der man nichts über die Katastrophe, die die Welt unbewohnbar macht erfährt, ist der Film ein bildstarkes, visuell beeindruckendes Drama.

Ulrike Schirm


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"BEATING HEARTS" Arthaus Liebesfilm von Gilles Lellouche um eine 20 Jahre umspannende Liebesgeschichte zwischen einem Mädchen aus einer Familie der gehobenen Mittelklasse und einem Jungen aus ärmeren Verhältnissen, die in den 1980er Jahren beginnt. (Frankreich / Belgien, 2024; 166 Min. im Wettbewerb von Cannes.) Mit Adèle Exarchopoulos, François Civil, Mallory Wanecque u.a seit 27. März 2025 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Der französische Schauspieler Gilles Lellouche erzählt in seinem Film eine mitreißende Geschichte über eine Amour Fou, Romeo und Julia im Klassenkampf, in der sich zwei unterschiedliche Menschen ineinander verlieben. Die strebsame Jackie (Mallory Wanecque) kommt aus einem bürgerlichen, intellektuellen Haus und ist darauf bedacht zu eifrig lernen, um eine gute Zukunft zu haben.

Clotaire (Malik Frikah) kommt aus einer Hafenarbeiterfamilie und hat sich offensichtlich für ein „No-Future-Leben“ entschieden. Gerne lungert er mit seiner Bande herum, quatscht die Schülerinnen an, die den Schulbus verlassen. Unter ihnen ist die 15-jährige Jackie, eine Neue, die ihm auf seine Anmache Paroli bietet und schlagfertig kontert. Beim genauen Hinsehen, erkennt man ein jedoch Funkeln in ihren Augen. Sie haben sich Hals über Kopf ineinander verliebt.

Clotaire klaut für Jackie eine Platte ihrer Lieblingsband THE CURE. Mit einem spitzbübischen Lächeln stellt er zwei Palletten ihres Lieblingsdesserts im Speisesaal der Schule vor sie hin. Während die beiden zunächst mehr Zeit miteinander verbringen, kann er sich auf dem Heimweg nicht beherrschen und prügelt sich vor einer Kneipe.

Jackie, die zufällig vorbei kommt, gibt ihm ihr Halstuch, damit er sich Blut und Schleim abwischen kann. Es folgt eine Traumsequenz: Beide tanzen und toben, begleitet von den Rhythmen einiger Cure-Songs ausgelassen durch die Gänge der Schule.

Zusehends rutscht er ins kriminelle Milieu ab, sodass es zu einem tragischen Verlauf kommt. Bei einem Überfall auf einen Geldtransporter wird einer der Fahrer erschossen. Clotaire hat sich mal wieder mit den falschen Leuten eingelassen. Da der wirkliche Täter, der Sohn des Bosses ist, greift man sich Clotaire für ein Verbrechen, das er nicht begangen hat und stempelt ihn als Sündenbock ab. Er wehrt sich verzweifelt mit Händen und Füssen. Für zehn lange Jahre wandert er ins Gefängnis, während Jackie gebrochen zurück bleibt.

Jackie, die ihre Mutter früh verloren hat, wird von ihrem Vater umsorgt. Es hat den Anschein, dass sie ihm zu Liebe, den Manager einer Autoverleihfirma heiratet, den sie aber nicht wirklich liebt.

Lellouche zeigt in seiner Erzählung, die verschiedenen Erscheinungsformen von Liebe. Originelle und sinnliche Bilder über Tod, Gewalt und Liebe wechseln sich ab.

Nach seiner Haftentlassung wird Clotaire von Francois Civil gespielt. Nun ist er gepeinigt von dem Wunsch nach Rache. Begleitet wird das Ganze von einem pulsierenden Soundtrack der achtziger Jahre.

Jackie wird jetzt gespielt von Adèle Exarchopoulos. Gibt es denn überhaupt noch ein Happy End für die beiden Liebenden? Sinnlich, romantisch und brutal, ein Film der unter die Haut geht, mit Protagonisten, bei denen das Herz für die Liebe pulsiert. Intensiv und berührend.

Ulrike Schirm


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