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Neuverfilmung von »Im Westen nichts Neues« nur kurze Zeit im Kino - unsere Filmkritiken im Oktober 2022

In diesem Jahr gibt es mit "IM WESTEN NICHTS NEUES" erstmals einen Oscar-Beitrag aus Deutschland, der von Netflix produziert wurde.



Als im Jahre 2019 das mexikanische Filmdrama "ROMA" von Alfonso Cuarón nicht nur den Golden Globe Award als bester fremdsprachiger Film, sondern auch drei Oscars gewann, war das Entsetzen der Kinobetreiber groß, dass die herausragende Netflix Produktion nur für drei Tage im Kino zu sehen sein sollte, denn der der Streaming Gigant wollte das Werk in erster Linie auf seiner Online-Plattform vermarkten.

Ähnliches scheint sich in diesem Jahr mit dem deutschen Oscar-Beitrag "IM WESTEN NICHTS NEUES" von Edward Berger ("JACK") anzubahnen, denn die dritte Neuverfilmung des Antikriegsfilmes nach dem gleichnamigen Roman von Erich Maria Remarque, der die Schrecken des Ersten Weltkriegs aus der Sicht eines jungen Soldaten schildert, wird nach seinem Kinostart in Deutschland ebenfalls nur für kurze Zeit im Kino zu sehen sein, obwohl der Film mit seiner 4K-Aufnahmetechnik auf der Leinwand sehr viel besser als auf dem TV-Gerät zur Geltung kommt.

Die erste Kinofassung des US-amerikanischen Antikriegsfilm von Lewis Milestone aus dem Jahr 1930 wurde damals mit zwei Oscars ausgezeichnet und hat den Ruf eines Filmklassikers. Ob dies auch der Neufassung gelingt, sagt uns Ulrike Schirm in ihrer nachfolgenden Filmkritik.

Die zweite Verfilmung, die von Delbert Mann im Jahre 1979 in der Tschechoslowakei gedreht wurde, hielt sich zwar enger an die Buchvorlage, erreichte aber nicht die Intensität der grausamen Fronterlebnisse des Deutschen Paul Bäumer und stand zudem im Schatten des im selben Jahr von Francis Ford Coppola veröffentlichten Werkes "APCALYPSE NOW" über den Vietnamkrieg der USA, das zudem mit der Goldene Palme in Cannes, zwei Oscars und drei Golden Globe Awards ausgezeichnet wurde.

Alle paar Jahre erscheinen Antikriegsfilme, die mit zahlreichen technischen Tricks, wie Breitbild und Cinemascope, oder preisgekröntem Sounddesign wie bei Christopher Nolans "Dunkirk" aus dem Jahre 2017, das Grauen des Krieges den Zuschauer hautnah erfahren lassen sollen.

Letzter technischer Höhepunkt war vielleicht vor drei Jahren mit "1917" ein Kriegsfilm von Sam Mendes, der zwei Soldaten der British Army scheinbar in Echtzeit folgt, denn das Werk über die beiden Meldegänger an der Westfront im Ersten Weltkrieg, wurde nahezu in einer One-Shot-Einstellung, ohne sichtbare Unterbrechung gedreht.

Angesichts des Grauens in der Ukraine, dürfte die neue Fassung von "IM WESTEN NICHTS NEUES", die einige erschreckende Einstellungen zeigt, die man so zuvor noch nirgendwo anders gesehen hat, von Erfolg beschert sein, auch wenn sie an manchen Stellen die Geschehnisse etwas übertreibt und zu viel Filmblut zeigt.


"IM WESTEN NICHTS NEUES" Kriegsdrama von Edward Berger. (Deutschland 2022; 148 Min.) Mit Felix Kammerer, Albrecht Schuch, Edin Hasanovic, Daniel Brühl, Devid Striesow, Sebastian Hülk u.a. seit 29. September 2022 im Kino und ab 28. Oktober 2022 auf NETFLIX. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

"Im Westen nichts Neues" von Erich Maria Remarque gilt als Klassiker der Anti-Kriegsliteratur (1928). Das Buch schildert die Grauen des Ersten Weltkrieges aus der Sicht eines Jungen Soldaten, basierend auf seinen eigenen Erlebnissen. Es ist der bisher meistverkaufte deutsche Roman weltweit.

Die erste deutsche Verfilmung dieses Bestsellers, mit Schauspieler Felix Kammerer in der Hauptrolle wurde als deutscher Oscar-Vorschlag eingereicht und hat gerade in Toronto beim TIFF Filmfestival seine umjubelte Weltpremiere gefeiert.

In Edward Bergers Film steht der 17-jährige Rekrut Paul Bäumer (Felix Kammerer) im Mittelpunkt dieses Dramas, in dem es keine Sieger und Gewinner gibt. Er und seine Kumpels Albert (Aaron Hilmer) und Müller (Moritz Klaus) sind fasziniert von den patriotischen Reden ihres Lehrers und können es kaum erwarten, sich freiwillig zum Dienst an der Waffe zu melden. „Bald erschießen wir unseren 1. Franzosen“. Laut singend und voller Stolz sind sie losgezogen. Es sind Kindersoldaten, die in verschlammten Schützengräben landen, um zu retten, was noch zu retten ist. Die Zukunft Deutschlands liegt in seiner jungen Generation. Es ist das Frühjahr 1917. Nordfrankreich an der Westfront.

In der ersten Szene sieht man die bittere Realität dessen, was die jungen Menschen erwartet. Auf dem Schlachtfeld in Frankreich rennt ein junger Soldat auf den Feind zu, während um ihn herum seine Kameraden fallen, es dauert nicht lange, bis auch er fällt. Seine Uniform wird aufgesammelt, von Näherinnen geflickt, dann nach Deutschland zurückgeschickt, wo sie an Paul weiter gegeben wird. Und das passiert mit allen Leichen bevor sie in ein Massengrab geworfen werden. Man zieht ihnen die Uniformen aus, bringt sie mit dem Zug nach Deutschland, wäscht das Blut heraus, flickt sie wieder zusammen, am Ende sehen sie wieder fast wie neu aus. Der Krieg eine Maschine, ein ewiger Kreislauf des sinnlosen Untergangs.

Edward Berger wollte einen Film machen, der einem die Faust in die Eingeweide rammt. Das ist ihm gelungen. Er hat einen Kriegsfilm geschaffen, der bei dem Zuschauer ein intensives visuelles Kinoerlebnis hinterlässt, wie man es beim deutschen Film eher selten erlebt. Man sieht diesen Film nicht nur, man hört und spürt ihn bis tief in die Magengegend. Er zeigt den Ersten Weltkrieg in seiner Grausamkeit und Erbärmlichkeit und dem Zynismus derer die ihn in eleganter Atmosphäre angezettelt haben und nicht im Dreck und Matsch der Schützengräben um ihr Leben bangen und mitansehen, wie Kameraden um sie herum getötet werden, in einem sinnlosen Stellungskrieg.

Eine ganz große Entdeckung ist der junge Österreicher Felix Kammerer, ein Mitglied des Wiener Burgtheaters, der in der Rolle des Paul Bäumer seinen ersten Leinwandauftritt hat. Ihn begleitet man durch den physischen und psychischen Schlachtfeldhorror dieser brutalen Entmenschlichung zwischen sinnlosem Schlachten und Momenten der Ruhe. Besonders wenn vor lauter Dreck und Schlamm nur noch seine großen, verängstigten Augen zu sehen sind, zieht einen sein Spiel fast magisch, voller Empathie an.

Richtig böse wird es, wenn Berger vom Original abweicht und die Handlung ans Ende dieser Gräuel verlegt. Daniel Brühl spielt den liberalen Abgeordneten Erzberge, der sich in einem Zugabteil mit Marechal Foch trifft, um die Kapitulation zu besprechen im November 1918, was bei den Soldaten eine befreiende Hoffnung auslöst, die sich dann aber wieder zerschlägt. Devid Striesow spielt den General der bei Wein und Geflügel die Moral der gebeutelten Truppe beklagt und gegen eine Kapitulation ist. Noch 15 Minuten Waffenstillstand, dann geht der Wahnsinn von vorne los, vom deutschen General befohlen. Wieder werden die Plaketten der toten Soldaten eingesammelt. Es starben über 13 Millionen Soldaten.

„Im Westen nichts Neues“ verlangt dem Zuschauer Einiges ab an Bildern, die kaum zu ertragen sind und dennoch schaut man wie hypnotisiert auf die Leinwand, weil sich dieser deutsche Anti-Kriegsfilm von seiner Machart durch ein hohes Niveau auszeichnet. Deutsches Kino, wie man es leider viel zu selten zu sehen bekommt.

Ulrike Schirm


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"LIEBE, D-MARK UND TOD" Dokumentarfilm von Cem Kaya über türkische Gastarbeiter in den Sechzigerjahren. Ausgezeichnet mit dem Panorama Publikumspreis auf der 72. Berlinale. 2022. (Deutschland 2022; 96 Min) seit 29. September 2022 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Anfang der Sechzigerjahre kamen viele Türken zum Arbeiten nach Deutschland, sogenannte „Gastarbeiter“. Sie brachten ihre Musik und ihre Kultur mit. Sie kamen, weil Deutschland sie brauchte. „Liebe, D-Mark und Tod“ ist ein Streifzug durch die türkische Musikszene von damals bis heute. Musik, durch die die Menschen ihre Gefühle zum Ausdruck gebracht haben, hin- und hergerissen zwischen dem Fremdsein und der Sehnsucht nach ihrer Heimat und ihren Kindern, die sie oftmals zurück lassen mussten.

Der Dokumentarfilm von Cem Kaya setzt sich intensiv, mal traurig, mal humorvoll, mit der deutsch-türkischen Kultur auseinander. Es geht um große Gefühle, denn viele Ankömmlinge spürten eine große Trauer, beim Weggehen aus ihrer Heimat in ein fremdes Land, wo sie die Sprache nicht verstehen und respektlose Arbeits- und Lebensbedingungen vorfinden. Ein gutes Drittel der „Gastarbeiter“ waren Frauen, von denen es immer hieß, dass sie Nachzügler seien, sie kamen als Arbeiterinnen und wurden in sogenannte Leichtlohn-Gruppen eingeteilt, in denen sie weniger verdienten als die Männer für vergleichbare Arbeit.

Ihr Ventil, um Frust, Schmerz und Trauer zu verarbeiten, war ihre Musik, deren Liedtexte in türkischer Sprache von Armut, Heimweh und Außenseitertum, bis hin zu Abschiebungen, als man sie nicht mehr brauchte, führte. Tausende von Kassetten wurden in Deutschland produziert und verkauft, Liebeslieder wechselten mit Protestsongs festgehalten auf Kassetten, die man vielseitig hören konnte. Im Auto, Zuhause und sonst wo, einen Recorder konnte man überall mithinnehmen. Was sollten sie auch in ihrer Freizeit tun. Sie konnten oftmals die Sprache nicht, was teilweise auch regelrecht erwünscht war, Deutsche wollten mit ihnen nichts zu tun haben und so wurden die Bahnhöfe zu Wartesälen der Heimat. Viele Lieder handelten von Trennung. Fast alle Exilanten fühlten mehr oder weniger dasselbe.

500 - 600 türkische Künstler produzierten inzwischen insgesamt Millionen von Kassetten. Viele türkische Künstler*innen eroberten die Bühnen, wie zum Beispiel den Türkischen Basar in der Berliner Bülowstraße.

1973 sorgte die globale Ölkrise für eine Rezession. Es brechen viele wilde Streiks aus. Gründe, ungerechte Bezahlung und krankheitsbedingte Kündigungen, von denen, die „Gastarbeiter“ als erste betroffen waren. Cem Karaca war einer der berühmtesten Protestsänger und wurde zur schillerndsten Figur, die die deutsch-türkische Popkultur hervorgebracht hat. Schon in seiner Heimat war der 2004 Verstorbene ein Rockstar. 1984 wurde sein Album „Die Kanaken“ veröffentlicht. Eines der tollsten Archivclips in diesem Film ist der Auftritt von ihm beim Festival des politischen Liedes in Ost-Berlin in den 1980er Jahren. Er war bekannt dafür ohne Mikro zu singen.

Der Pop Pionier, Hatay Engin gehört in Deutschland zu den wichtigsten Vertretern der Sanat Müzik. Seine Auftritte im Türkischen Bazar am stillgelegten U-Bahnhof Bülowstraße waren legendär. Ein Ort, in dem die türkischen Gastarbeiter ein Heimatgefühl gefunden haben. Auch viele türkische Frauen haben ihre Liebe zur Musik entdeckt und treten auf. Hier und in der Kreuzberger Oranienstraße war das türkische Nachtleben am stärksten verbreitet. Viele türkische Kinder waren auf den Straßen zu sehen. Da die Eltern arbeiten mussten, waren sie sich selbst überlassen.

Es gab damals nicht einen einzigen türkischen Hochzeitssaal. Auf türkischen Hochzeiten wird in der Regel viel Geld ausgegeben. Das Exil machte die Menschen spendabel. Auch die Deutsche Mark war damals viel wert. Auch viel Schwarzgeld war im Umlauf.

1982 steigt die Ausländerfeindlichkeit an. Gewalttaten und Anschläge gegen Ausländer häuften sich. Ein Teil der Menschen ging wieder zurück.

Es kursierte der Song: „Oh Germany, du tust mir manchmal weh“. Inzwischen singen auch die türkischen Künstler auf Deutsch. Auch heute ist die Hasenheide ein beliebter Treffpunkt für türkische Bürger, wo man Musik machen kann, denn viele von ihnen sind geblieben. Bis heute ist das Verhältnis von Deutschen zu Türken leider noch immer mit Vorurteilen belastet. Vielleicht kann ja dieser erhellende Film dazu beitragen, dass sich etwas ändert. Cem Kaya ist für seinen Film tief in die Archive gestiegen und das Ergebnis beschert uns ein halbes Jahrhundert unterhaltsame Musikgeschichte, von der Liebesschnulze bis zum wütenden Protestsong.

Ulrike Schirm


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"MUTTER" Doku-Drama von Carolin Schmitz. (Deutschland 2022, 88 Min.) Mit Anke Engelke und den Stimmen von: Helga Michels, Erika Nagel, Heike Thelen, Barbara Niklaus, Johanna Hamma, Marianne Tigges, Nicole Kalteier. Seit 29. September 2022 im Kino. Hier der Trailer:



Elisabeths Filmkritik:

Mutterschaft. Das ist das Thema. Die Filmemacherin Carolin Schmitz ("Portraits deutscher Alkoholiker", 2010; "Schönheit", 2011) hat acht Frauen im Alter zwischen 30 und 75 nach ihrem Verhältnis zur Mutterschaft befragt. Soweit der Weg eines Dokumentarfilmes.

Schmitz wählte dagegen einen experimentellen Ansatz. Für die Rolle einer fiktiven Frau, die den Stimmen dieser Frauen einen Körper gibt, konnte Schmitz die Kabarettistin und Schauspielerin Anke Engelke gewinnen. Die Kamera folgt nun einer Figur durch ihren Alltag. Das sind eher Spielfilmelemente. Im Verbund wagt das Filmteam hier ein Experiment. Wie man aus einzelnen Aussagen eine Rolle formt, einer Figur Gestalt gibt, dies lernen Schauspielschüler und Schauspielschülerinnen ganz selbstverständlich.

Was kann diese Verbindung von einer Rolle, die mit mehreren Stimmen spricht, über Mutterschaft aussagen? Das hängt sicherlich mit den Erfahrungen und Beobachtungen ab, die das Publikum bereits hat.

Den Ansatz fand ich sehr interessant. Ja, sagen wir es so: Wäre das jetzt ein Kurzfilm gewesen, maximal eine halbe Stunde, dann wäre alles gut und gar nicht so aufgefallen, aber über die lange Laufzeit treten manche Probleme immer mehr in den Vordergrund.

Mutterschaft? Ja, aber man setzte sich eben nicht mit der Mutterschaft umfassend auseinander, sondern zeigt nur einen Aspekt und am Ende steht die Aussage einer Frau: "Ich möchte ein Kind. Mindestens eins." Positiv aufgefallen ist mir, dass der Schnitt Leerräume lässt. Das Gehörte kann sacken und man kann darüber nachdenken.

Anke Engelke spricht mit den Stimmen von verschiedenen Frauen. Das heißt, sie spricht eben nicht, sie mimt zu den Stimmen. Sie ist nur Körper. Das ist erst einmal interessant, wird dann aber zum Gimmick. Auch weil das, was sie macht, eigentlich so gar nichts mit dem zu tun hat, was sie erzählt. Haushalt, Theater, Kostümprobe, Bühnenprobe. Ihr Umfeld lässt noch nicht einmal einen Bezug zu Kindern erkennen.

Warum werden die Leute ins Kino gehen? Weil sie das Thema Mutterschaft interessiert oder weil sie Anke Engelke sehen wollen? Es gibt, für mich erkennbar, keinen roten Faden, die Stimmen fließen ineinander, sie sind sich, auch in dem, was sie erzählen, zu ähnlich. Thematisch gibt es auch kein von hier nach da. Die Figuren in der einen Figur entwickeln sich nicht. Das müssen sie nicht, aber für eine spannendere Dramaturgie wäre es hilfreich gewesen.

Zudem werden bei den Erzählungen der Frauen die Stimmen immer lauter, die man nicht hört, bei den Erfahrungen, die nicht Eingang gefunden haben. Die befragten Frauen, kommen wohl alle aus der oberen Mittelschicht. Alle sind gut situiert, zum Beispiel hat der Mann eine Praxis im Haus oder, oder...

Ob bewusst oder nicht, diese Frauen haben Privilegien. Und alle stellen fest, sie wollen doch Kinder. Und Kinder zu haben ist das Größte, denn ohne ihre Kinder können sie gar nicht sein. Wenn sie sich entscheiden müssen, dann entscheiden sie sich für die Kinder und wenn ihnen die Kinder entzogen werden - warum, wird nicht gesagt - dann sind sie nicht fähig zu leben. Sie blühen nur auf, wenn sie die Kinder am Wochenende haben.

Eine Frau erzählt, sie sei frigide, doch ein Mann, einer von vielen, hat sich abgerackert und dann hat es doch Klick gemacht. Warum bekommen wir das zu hören? Das Wort an sich ist schon eine Wertung und es hat mit Mutterschaft nichts zu tun.

Was hören wir nicht? Wir hören keine Frauen, die Kinder ablehnen, die abtreiben wollen, keine Frauen mit behinderten Kindern, was eine andere Art der Sorgearbeit erfordert. Aber um Sorgearbeit geht es als Teil der Mutterschaft auch kein Stück. Es geht hier nur um die Erfüllung in der Mutterschaft. Um das 'Ich'.

Ferner: Wir bekommen keine queeren Mütter zu hören, keine Frauen mit Migrationshintergrund. Keine Frau aus einer Großfamilie oder aus einem Hochhaus in Marzahn-Hellersdorf, die 3 Kindern in 2 Zimmern oder weniger großzieht. Nichts dergleichen. Schade. So greift der dokumentarische Teil des Filmes zu kurz.

Das Fazit im letzten Satz, der fällt, der alle Erkenntnisse zusammenfast, ist ärgerlich und macht den Film ärgerlich, denn der Film fällt genau in diese Kategorie von Themenaufbereitungen, die ein Thema vorgeben und eigentlich ein ganz anderes bearbeiten.

Elisabeth Nagy


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"DER BAUER UND DER BOBO" Dokumentation aus Österreich von Kurt Langbein über nachhaltige Landwirtschaft in den 2010er Jahren. Seit 29. September 2022 im Kino. Hier der Trailer:



Synopsis:
Auf Facebook entspinnt sich zwischen dem Biobauer Christian Bachler und dem „Oberbobo“ Florian Klenk, dem Chefredakteur der Wiener Wochenzeitschrift „FALTER“, eine Disput über die Verantwortung von Bäuerinnen und Bauern für ihre Tiere, wodurch der Bauer nach einem Gerichtsurteil über das "gefährliche Verhalten" seiner Kühe, in Insolvenz gerät. Als die Bank Christians Hof versteigern will, startet Florian jedoch eine Spendenaktion, die satte 420.000 Euro einbringt und Christians Hof auf einen Schlag schuldenfrei macht. Zwischen den beiden ist danach eine tiefe Freundschaft entstanden. Gemeinsam kämpfen sie nun für eine nachhaltige Landwirtschaft, die sowohl gut für die Tiere als auch wirtschaftlich für die Landwirte sein soll.


Ulrikes Filmkritik:

Der Bio-Bergbauer Christian Bachler und der Chefredakteur Forian Klenk können unterschiedlicher nicht sein.

Bachler bewirtschaftet den höchstgelegenen Bauernhof der Steiermark, Klenk, studierter Jurist, gibt in Wien die österreichische Wochenzeitung „FALTER“ heraus. Als Klenk ein umstrittenes Schadensersatzurteil gutheißt, welches gegen einen Bauern gefällt wurde, rastet Bachner aus. Auf Facebook macht er sich Luft und fordert den Bobo (bourgeoiser Bohemien), umgangssprachlich ein meist jüngerer liberaler und gebildeter Wohlstandsbürger, der authentische, nicht konformistische Werte sucht, auf, ein Praktikum auf seinem Hof zu machen. „Der Typ gehört von seinem hohen Ross runter.“ Auf einem Video beschimpft er ihn fünfzehn Minuten lang. Klenk nimmt die Herausforderung für eine Woche auf der Alm mitzuarbeiten an. Dann kann er eine Gesellschaftsreportage über das Leben eines Bauern schreiben.

Bachler musste den Hof nach dem Schlaganfall seines Vaters weiterführen. Am Ende des Monats bleibt ihm so gut wie nichts übrig. Im Netz ist er als 'Wutbauer' fast schon legendär.

Der Satz: „Lieber verrückt als einer von euch“, prangt in weißen Großbuchstaben auf seinem grauen T-Shirt.

Für seine Tiere sorgt er vorbildlich. Er betreibt eine alternative Landwirtschaft mit Kühen, Alpenschweinen, Yaks, Hühnern und Gänsen. Eine alternative Landwirtschaft mit Almbetrieb und Selbstvermarktung. Mit zwanzig Jahren hat er den Hof übernommen. Mit Hilfe von Krediten hat er eine konventionelle Milchproduktion aufgezogen. Als sich die Subventionen änderten, brach der Milchpreis ein. Nebenbei stellt er noch Zirbelschnaps her. Obwohl er einen Umstieg in die alternative Landwirtschaft wagte, blieben seine Schulden. Bachner führt einen Hof, wie man ihn aus alten Kinderbüchern kennt. Klenk bekommt immer mehr Einblick in die Sorgen des Rebells. Als er erfährt, dass die Raiffeisenbank den Hof versteigern will, reagiert der Journalist nicht etwa mit einem Artikel in seinem Blatt, sondern startet via Facebook eine Crowdfunding-Aktion. Innerhalb von zwei Tagen spenden 13.000 Nutzer 420.000 Euro. Die Menschen sind beeindruckt von seinem fürsorglichen Umgang mit den Tieren. Mit Klenks Hilfe ist Christian Bachner schuldenfrei, was nicht bei jedem gut ankommt.

Bachner macht nun im Gegenzug, eine Art Praktikum in der Redaktion vom „Falterberger“, wie er ihn in seiner Wut nannte.

Regisseur Kurt Langbein nutzt in seinem Dokumentarfilm geschickt den Streit seiner beiden Protagonisten bis zur letzten Minute aus, um die Gegensätze zwischen Stadt und Land, Wirtschaft und Ökologie, Tradition und Fortschritt unterhaltsam darzustellen. Der Zuschauer bekommt einen Einblick in das brutale System von Agrarindustrie und Subventionspolitik, in dem sich Konsumenten nicht auskennen können und es auch gar nicht sollen und in die Bedeutung der sozialen Medien, die der Bauer geschickt nutzt. Hinzu kommt die fortschreitende Klimaveränderung, die erneut ein Umdenken erfordert und die Existenz bedroht.

Ulrike Schirm


(Der promovierte Jurist, Buchautor, Blogger und Enthüllungsjournalist Florian Klenk ist seit 2012 Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung „FALTER“. Sein Buch „Bauer und Bobo“ wurde im Herbst 2021 zum viel beachteten Bestseller.)

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