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Zwei erste Filmkritiken im Dezember 2021 und ein fulminanter Festivalstart

Corona wütet und die Warteschlangen an den Testcentern werden täglich länger. Aber wozu eigentlich, denn nur Geimpfte und Genesene erhalten Zugang zu Kino- und Kulturveranstaltungen.



Es gibt nur wenige Kinos, die in Berlin neben einen Impfnachweis auch einen tagesaktuellen Corona-Test verlangen. Berlin hat zwar die 2G-Plus-Regel flächendeckend eingeführt, es bleibt aber den Kinos überlassen, ob diese alternativ eine Maskenpflicht am Sitzplatz anordnen und dazu die Sitzplatzanzahl reduzieren, oder aber einen aktuellen negativen Corona-Test verlangen.

Bei der gestrigen Eröffnung des Weltkino-Festivals »Around the World in 14 Films« im Kino der Kulturbrauerei in Berlin-Prenzlauer Berg war der Andrang trotz der bedenklichen Corona-Situation groß. Wegen des reduzierten Platzangebotes wurde Norwegens Oscar-Beitrag "The Worst Person in the World" von Joachim Trier in zwei Sälen als Berlin-Premiere gleichzeitig gezeigt.

Für den Einlass werden allerdings einfache Impfpässe für den 2G-Nachweis nicht mehr akzeptiert. Der Nachweis muss digital per QR-Code erfolgen, weshalb wir uns ein neues Smartphone anschaffen mussten, denn für unser noch funktionierendes Windows-Phone gibt es die passende App nicht.

Ein Eröffnungsumtrunk gab es wegen der Corona-Pandemie im Anschluss an die Vorführungen dagegen nicht, während die Nacht-Bars in Prenzlauer Berg durchweg gut besucht waren, als gäbe es kein Ansteckungs-Risiko. Sogar der Weihnachtsmarkt in der Kulturbrauerei musste nicht schließen.

Wie der Einlass in anderen Kinos und anderen Städten gehandhabt wird, muss jeder selbst herausfinden. Hamburg soll besonders streng sein. Auch in Mecklenburg-Vorpommern gilt die 2G-Plus-Regelung. Geimpfte und Genesene brauchen zusätzlich noch einen tagesaktuellen negativen Corona-Test und unsere Filmempfehlungen für den Kinobesuch.

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"HOUSE OF GUCCI" Tragikomödie von Altmeister Ridley Scott (Kanada / USA). Mit Lady Gaga, Adam Driver, Al Pacino, Jared Leto, Jeremy Irons u.a. seit 2. Dezember 2021 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Mode, Intrigen, Triumphe, Geld und Mord. Es war nur eine Frage der Zeit, wann sich Hollywood der Saga vom Aufstieg und Fall der Familie Gucci annimmt.

Ein Freund nimmt die junge Patrizia Reggiani (Lady Gaga) mit in einen Nobel-Club. Dort findet ein Kostümfest statt. Patrizia, die aus kleinen Verhältnissen stammt, genießt die luxuriöse Atmosphäre. Noch ahnt sie nicht, wer der junge, schüchterne Mann ist, mit dem sie sich unterhält.

Es ist Maurizio Gucci, (Adam Driver), der Erbe des Gucci-Clans. Sie trifft ihn, geschickt eingefädelt, obwohl sie lesen hasst, in einem Buchladen wieder und schreibt ihm draußen ihre Telefonnummer auf das Plastikschild seines Motorrollers. Dass ein Security-Mensch in seiner Nähe ist, bemerkt sie nicht. Sie hat es geschafft, dass er sich in sie verliebt. Er stellt sie seinem Vater Rodolfo (Jeremy Irons) vor. Der ist entsetzt, wen er da anschleppt. Sie sei vulgär und ehrgeizig und habe es auf das Geld der Familie abgesehen.

Gegen den Willen des Patriarchen, heiraten die beiden. Das Verhältnis zu seinem Vater ist zerstört. Maurizios Onkel Aldo (Al Pacino) lädt zu seiner Geburtstagsparty ein. Patrizia überredet ihren Mann mitzugehen. In ihrer leicht vulgären Aufmachung, schafft sie es, den Charmeur, um den Finger zu wickeln. Um Frieden zu stiften, lässt er die beiden nach New York kommen und bietet Maurizio an, eine Ausbildung im Bereich Mode zu machen, um den Weg zurück in die Familie zu finden. Patrizia ist begeistert. Sie treibt Maurizio an. Nach ihrer Rückkehr hat sich die Modewelt verändert. Armani und Versace haben das Ruder übernommen. Aldo wird in der Zwischenzeit wegen Steuerhinterziehung verhaftet. Maurizio schwingt sich zum Unternehmenschef auf, führt Verhandlungen mit der in Bahrain registrierten „Investcorp. International,“ mit deren Hilfe er die Anteile seiner Verwandten aufkaufte. Es kam zu familiären Zerwürfnissen, zu Verrat und Prozessen.

Patricia hat ihren Platz in der Welt zwischen Glamour und Celebrity gefunden. Doch das Paar lebt sich auseinander. Maurizio verlässt Frau und Kind, trifft in der Schweiz zufällig seine Jugendliebe Paola Franchi wieder, eine große, blonde Frau, das Gegenteil von Patricia. Maurizio und Patricia werden offiziell geschieden. Ein weiterer Gebrauch des Namens Gucci wurde ihr untersagt. Gekränkt und voller Wut, gibt sie die Ermordung ihres Ex-Gatten in Auftrag, angestachelt von ihrer Freundin, der TV- Wahrsagerin Pina (Salma Hayek).

Das Ganze basiert auf dem gleichnamigen Roman von Sarah Gay Forden, der auf eine wahre Geschichte zurückgreift.

Ein ernsthaftes Drama hat Regisseur Ridley Scott daraus nicht gemacht. Bis auf Adam Driver, steckt er seine Darsteller in absurd überzeichnete Rollen à la Commedia dell’arte. Allen voran Jared Leto, nicht wiederzuerkennen mit Gesichtsprothese und Fatsuit, der Paolo, den Sohn von Aldo spielt, von seinem Vater Idiot genannt wird und als schwarzes Schaf der Familie, chargieren darf, was das Zeug hält. Lady Gaga zelebriert ihre Gier nach Geld und Luxus mit einem köstlich vulgären Touch.

Driver, ein Ruhepol in der ganzen „Aufgeregtheit“, der als Maurizio Gucci, mit fünf Jahren seine Mutter verlor, zwar in seiner Jugend vom Erfolg der Familie geprägt ist, aber dennoch ein Außenseiter ist, darf sich wie ein normaler Mensch verhalten, mit Arbeitskollegen Fußball spielen, mit seinem Rad oder Vesper herumfahren oder ab und zu seinen Lamborghini durch die Straßen Mailands bewegen. Und dann ist da noch Salma Hayek, als Kartenlegerin Pia, die Patrizia in ihrer Gier kräftig pusht. (Übrigens, das Gucci-Unternehmen gehört inzwischen ihrem Mann.)

Entstanden ist eine auf hochglanzpolierte Seifenoper, die das Gefühl vermittelt, von Scott mit einer gewissen Häme und Schadenfreude über das Gebaren der Superreichen inszeniert ist. Die Vermischung von englischer Sprache mit italienischem Akzent, sorgt seit dem Kinostart für Entsetzen in Italien und bei Familia Gucci, der ganze Film.

Ulrike Schirm


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"HARALD NAEGELI - Der Sprayer von Zürich" eine Hommage an den Künstler und Utopisten Harald Naegeli von der Dokumentarfilmerin Nathalie David (Schweiz / Deutschland). Mit Harald Naegeli, Benjamin von Blomberg, Christoph Doswald, Regine Helbling u.a. seit 2. Dezember 2021 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Die Regisseurin Nathalie David zeigt in ihrem feinfühligen Portrait Harald Naegelis facettenreiche Persönlichkeit als visionären, streitbaren Künstler, Rebellen, Philosophen und scharfsinnigen humorvollen Menschen.

„Mein schlechtes Gewissen, was ich manchmal habe, ist das Bürgerliche in mir aber der Künstler in mir jubelt“.

Seit Ende der Siebzigerjahre kritisiert der Schweizer Künstler, Sohn der Züricher Großbourgeoisie, mit seinen Graffitis das monotone Züricher Stadtbild. Nachts ist er unterwegs und zeichnet auf trostlose Betonmauern seine kontroversen Strichmännchen. Seine Strichmalereien sind voller Bewegung und sind überwiegend in schwarzer Farbe gemalt. Eines seiner gemalten Lieblingstiere ist die Wanze. Sie steht symbolisch für Spitzel, Staatsbeamte, Staatsanwälte, Polizisten, Steuereintreiber und Geschäftsleute. Der Flamingo ist der Vogel der Utopie und der Freiheit, sagt er.

Regelmäßig wird er angezeigt Er gilt als Nestbeschmutzer und Sachbeschädiger.

1979 wird der 39jährige Naegele ertappt.

1982 ging er ins Exil nach Düsseldorf. Dort wird er von Politikern wie Willi Brandt und Künstlern wie Joseph Beuys unterstützt, der seine soziale Kunst schätzt. „Seine Genialität liegt darin, dass er sich um menschliche Fragen kümmert und dass seine Figuren den Geist Zürichs tragen“.

1984 stellt er sich freiwillig der Schweizer Justiz. Es folgen 4 Monate im geschlossenen Vollzug, wo er Tüten kleben muss aber einen Weg fand, seine Kunst hinauszuschmuggeln. Nach zwei Monaten kam er in den offenen Vollzug in die Keramikabteilung, wo er Teller bemalte. Man warf ihm vor Sachbeschädigungen im Wert von 200.000 Franken begangen zu haben, was ihn auch noch so einige Geldstrafen kostete.

Angefangen hat er in den 68zigerjahren, in dem er Parolen an die Wände sprühte. „Wer begriffen hat und nicht handelt, hat nicht begriffen“.

Seit 2020 ist der 81jährige, schwerkranke Mann wieder endgültig in Zürich, wo seine Wurzeln sind.

„Die Sensenmänner oder der Totentanz sind meine letzte Utopie an die Gesellschaft“.

Sein Jahrzehnten gehegter Traum steht kurz vor der Vollendung: ein „Totentanz“ in den beiden Türmen des Züricher Großmünsters. Das streitet mit ihm. Das Kunstwerk bleibt unvollendet. Während des ersten Lockdowns sprayte er 50 „Totentänze“. Der Kanton verklagte ihn, die Stadt verlieh ihm den Großen Kunstpreis.

„Ich habe viel zur Aufklärung unseres Unbewussten mit meinen Graffitis getan“.

Diesem unbeirrten Menschen mit seinem köstlichen Humor kann man stundenlang zuhören. Diese Dokumentation kann ich nur wärmstens empfehlen.

Ulrike Schirm


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