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Weitere sechs Filmkritiken im August 2021, Teil 2

Unter allen jetzt anlaufenden Filmen ist Dominik Grafs großartige Verfilmung von Erich Kästners 1931 erschienenen Roman „Fabian – Die Geschichte eines Moralisten“ unsere wichtigste Empfehlung.



"DEATH OF A LADIES' MAN" Drama von Matt Bissonnette (Irland, Kanada) und der Musik von Leonard Cohen. Mit Gabriel Byrne, Jessica Paré, Brian Gleeson u. a. seit 5. August 2021 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Samuel (Gabriel Byrne) unterrichtet Poesie an der Universität. Privat führt er ein ziemlich egoistisches Leben. Er ist ein Schürzenjäger und leider auch ein Alkoholiker. Leicht hatte es seine Familie nicht mit ihm. Als ein inoperabler Gehirntumor bei ihm festgestellt wird, plagen ihn äußerst seltsame Halluzinationen, in denen ihm sein Vater (Brian Gleeson), der verstorben ist als er noch ein Kind war, erscheint. Mit ihm sinniert er über seine Fehler und Träume, die sein Leben begleitet haben.

In diesen surrealen Halluzinationen erfährt er auch, dass er wahrscheinlich nicht mehr lange leben wird.

„Death of a Ladies' Man“ wird untermalt von Leonard Cohens gleichnamigen Album, das bereits 1977 erschienen ist. Seine Songs sind Teil der Geschichte. Samuel geht zurück nach Irland verliebt sich und blickt auf sein Leben zurück und träumt von einer letzten Liebe”¦ “Like a bird on the wire, I have tried in my way to be free“...

Die verschiedenen Songs helfen dem totkranken Mann, Dinge die er fühlt, die für ihn aber schwer auszusprechen sind, auf wunderbar poetische Weise benennen zu können. Der Soundtrack des kanadischen Songwriters wird zum Spiegel seiner Emotionen.

Dass Regisseur Matt Bissonnette ein Fan, dieses poetischen Sängers ist muss man nicht betonen. Schon in seinem Erstling „Looking For Leonard“ näherte er sich dem poetischen Sänger und Songschreiber.

Byrne, den man schon längere Zeit nicht mehr auf der Leinwand gesehen hat, zeigt hier wieder mal, was für ein großartiger Schauspieler er ist.

Samuels surreale Halluzinationen enthalten so einige Überraschungen und humoreske Situationen.

Ulrike Schirm


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"ABSEITS DES LEBENS" Drama von Robin Wright (USA, Kanada). Mit Robin Wright, Demian Bichir, Sarah Dawn Pledge u. a. seit 5. August 2021 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:
(Eine Frau geht nach einem schmerzhaften Verlust in die Wildnis)

„Abseits des Lebens“, Originaltitel „Land“ ist Robin Wrights erste Regiearbeit fürs Kino. Die Hauptrolle wollte sie gar nicht selbst spielen. Aber da das Budget nur sehr klein war und sie nur 29 Drehtage hatten und die Zeit sehr knapp war, fragte man sie selbst. Sie spielt Edee, die sich nach einem schweren Schicksalsschlag in die Einsamkeit der Rocky Mountains zurückzieht, da es ihr schwer fällt in ihrer Trauer mit anderen Menschen zusammen zu sein.

Auf den Rat ihrer Schwester, eine Therapeutin mit magischen Kräften aufzusuchen, scheitert sie. Edee kann einfach nicht von sich erzählen. Sie hofft in der Einsamkeit der Wildnis Erlösung zu finden. Sie begreift sehr schnell, dass es gar nicht so einfach ist in der rauen Natur zu überleben. Die Blockhütte, die ihr als Unterschlupf dient, wird von einem Braunbären zerstört. Draußen ist es windig und es liegt Schnee. Vom Jagen und Fallenstellen hat sie keine Ahnung. Sie stößt an ihre Grenzen, ihre Vorräte sind aufgebraucht, hungrig und frierend liegt sie erschöpft auf dem Boden der Hütte.

Zum Glück, taucht im letzten Moment Miguel (Demián Bichir) auf, ein Jäger aus dem nächstgelegenen Dorf. Edee fällt es schwer zu reden. Ganz zaghaft tritt sie aus ihrer selbstgewählten Isolation heraus. Robin Wright gehört zu den Schauspielerinnen, die auch mit einem verschlossenen Gesicht ganz viel ausdrücken können. Ihr Blick öffnet sich langsam, als Miguel, der auch eine Familientragödie hinter sich hat, ihr zeigt, wie man in der Natur überleben kann. Er bringt ihr das Jagen bei, zeigt ihr, wie man Spuren liest, und das Wild fachgerecht zerlegt, ein Reh häutet und Holz hackt.

„Abseits des Lebens“ ist die Geschichte einer Frau, die nach einem schweren Verlust ganz langsam wieder zu sich selbst findet und lernt wieder mit Menschen zu leben. Sehr beeindruckend ist die archaische Kulisse, der rapide Wetterwechsel, die aufregenden Geräusche der Natur und das glaubwürdige Spiel der beiden Darsteller. Zwei Fremde, die sich einander ganz langsam nähern und zu Freunden werden. Das lässt einen nicht unberührt.

Ulrike Schirm


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"Look me over – LIBERACE" Dokumentation von Jeremy J. P. Fekete (Deutschland) über den amerikanischen Pianisten und Entertainer Liberace. Seit 5. August 2021 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

„Look Me Over – Liberace“ ist das Portrait des Entertainers Liberace, der mit seiner schillernden Bühnenshow einer der ersten Superstars in Las Vegas wurde. Er gehörte zu den extravagantesten und lustigsten Entertainern der Geschichte Amerikas. Frühere Protegés, Liebhaber und Weggefährten ergründen den Erfolg des begnadeten Pianisten. Das besondere an seinen Shows war die Eins-zu-Eins-Situation mit der er schon am Anfang der Fünfziger-Jahre eine unglaubliche Karriere startete und Millionen verdiente. Unvergessen seine Auftritte, in denen er sich von seinem Chauffeur in einem verspiegelten Rolls-Royce auf die Bühne kutschieren ließ und in einem bodenlangen weißen Chinchilla Mantel aus dem Auto stieg. „My clothes may look funny, but they`re making me the money“, verkündete er augenzwinkernd.

Regisseur Jeremy J. P. Fekete interessiert sich für den Menschen hinter der schillernden Fassade dieses einmaligen Showgiganten. Trotz all seinem Pomp und Bling-Bling, führte der sehr katholische und fromme Mann, der in all seinen Häusern eine kleine Kapelle hatte, ein zwiespältiges Leben, in dem er seine Homosexualität bis zu seinem Lebensende (1987) verleugnete.

Seine Karriere startete zu einer Zeit, als Amerikaner in einer Bäckerei keinen Kuchen kauften, der von einem Schwulen gebacken wurde. Zu den Schattenseiten seines rauschhaften Lebens gehörten auch die Menschen, die um ihn herumschwänzelten, ihn dreist beklauten oder ihn ausbeuteten, besonders die, die auf seiner Gehaltsliste standen.

Ein besonders inniges Verhältnis hatte er zu seiner Mutter Frances, die einen großen Einfluss auf sein Leben hatte und die Teil seiner Shows war. Als sie starb, ließ er sie von einem Make-up Spezialisten wunderschön herrichten.

Seinen besonderen Schützlingen bot er Auftrittsmöglichkeiten, um ihre Karriere zu fördern. Wir erfahren viel über seine tragische Liebe zu Scott Thorson, den er als seinen Sohn adoptieren wollte. Er verlangte von ihm, sein Gesicht so operieren zu lassen, dass er ihm ähnlich sieht. Thorson, der als Stricher unterwegs war, bevor er Liberace kennenlernte, war in Verbindung zu Liberace ein absoluter „Bad-Boy“, was sich, durch den ganzen Film zieht und Liberace gerade deswegen nicht von ihm loslassen konnte.

Das diese schillernde Persönlichkeit mit 67 an Aids erkrankte, was man ihm verschwieg, und wie diese Tatsache an die Öffentlichkeit kam, hat er auf keinen Fall gewollt.

Was von ihm bleibt: Er war die erste Legende in Las Vegas. Und ohne Pelze, Ringe, und seinem ganzen Blink-Blink, ein verdammt guter Pianist.

Ulrike Schirm


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"FABIAN oder der Gang vor die Hunde" Literaturverfilmung von Dominik Graf (Deutschland). Der Film lief im Wettbewerb der 71. Berlinale 2021. Mit Tom Schilling, Albrecht Schuch, Saskia Rosendahl u. a. seit 5. August 2021 im Kino. Hier der Trailer:



Unsere Kurzkritik:

Über Dominik Grafs großartige Verfilmung von Erich Kästners 1931 erschienenen Roman „Fabian – Die Geschichte eines Moralisten“ ist bereits soviel in den Medien ausführlich berichtet worden, sodass wir hiermit nur eine kurze, dafür aber umso eindringlichere Empfehlung für den Film abgeben, zugleich aber auch auf Pietro Marcellos bombastische Verfilmung von Jack Londons Schlüsselroman „Martin Eden“ verweisen wollen, dessen Geschichte sich in einigen Punkten ähnelt.

Letzterer lief bereits 2019 auf den Filmfestspielen von Venedig, kommt aber pandemiebedingt erst jetzt, am 26. August 2021 in die Kinos. Wir werden zu einem späteren Zeitpunkt darauf noch einmal zurück kommen.

Jakob Fabian ist Werbetexter mit einer Schreibblockade, denn mit der Machtergreifung der Nazis bahnen sich düstere Zeiten mit Bücherverbrennungen in Deutschland an.

Martin Eden dagegen ist ungebildeter Seemann, der aber viel erlebt hat und dies unbedingt zu Papier bringen will. Er wird später tatsächlich ein erfolgreicher Schriftsteller, scheitert aber dennoch mit seinen sozialkritischen Lebensvorstellungen und begeht Suizid. Regisseur Pietro Marcello inszeniert den Film ganz im Stil von Bertolucci oder Fellini, ein Epos, das man heute kaum noch auf der Leinwand erleben kann.

Auch Dominik Graf ist bei seiner dreistündigen Kästner Verfilmung etwas ganz Großartiges gelungen. Der Regisseur, der leider viel zu oft nur fürs Fernsehen arbeitet, entfesselt auf der großen Kinoleinwand die goldenen 20er Jahre mit Splitscreens und Collagen, wie er es fürs Fernsehen niemals machen könnte. Ein Genuss, der leider viel zu selten im deutschen Kino zu erleben ist.

Fabian ist Moralist, der von der Welt noch Anständigkeit erwartet. Doch die Weltwirtschaftskrise holt ihn ein. Fabian verliert seinen Job und steht darauf mit verkrüppelten Veteranen und Obdachlosen vor dem Sozialamt.

Martin Eden kennt all dies bereits. Er weiß, wie es sich anfühlt zur Unterschicht zu gehören, aus der er als Individualist ausbrechen will, um ein besseres Leben seiner Liebsten bieten zu können. Doch auch er scheitert an seinen Moralvorstellungen. Hier der Trailer:


"MARTIN EDEN" Drama von Pietro Marcello frei nach Jack Londons gleichnamigen Roman (Italien, Frankreich, Deutschland). Mit Luca Marinelli, Jessica Cressy, Denise Sardisco u. a. ab 26. August 2021 im Kino.

Zwei Filme im Arthaus-Kino, die man unbedingt im August sehen sollte.
W.F.


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"QUO VADIS, AIDA?" historisches Kriegsdrama von Jasmila Žbanić (Bosnien/Herzegowina, Österreich, Rumänien, Niederlande, Deutschland Polen, Frankreich, Türkei Norwegen). Mit Jasna Đuričić, Izudin Bajrovic, Boris Ler u. a. seit 5. August 2021 im Kino. Hier der Trailer:



Unsere Kurzkritik:

Die Hoffnungen, dass die Welt sich nach dem Zweiten Weltkrieg zum Besseren kehrt, sind trügerisch. Auch heute gibt es in Europa wieder Diktaturen mit Folterungen, wenn man jüngst nach Belarus (Weißrussland) blickt.

Das Drama "Quo vadis, Aida?" schildert die Anfänge des Massakers von Srebrenica, auch bekannt als Völkermord von Srebrenica, einem Kriegsverbrechen während des Bosnienkriegs (1992 bis 1995), das durch UN-Gerichte gemäß der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes als Genozid klassifiziert wurde.

Das Verbrechen wurde unter der Führung von Ratko Mladić von der Armee der Republika Srpska, der Polizei und serbischen Paramilitärs verübt. Mehr als 8000 Bosniaken – fast ausschließlich Männer und Jungen zwischen 13 und 78 Jahren – wurden ermordet. Das jüngste Opfer war ein Mädchen im Säuglingsalter. Die Täter vergruben anschließend tausende Leichen in Massengräbern.

Vor allem die Rolle der niederländischen Blauhelm-Soldaten und die ihres Kommandanten Thom Karremans, die nicht entschieden einschritten, um die Morde zu verhindern, ist bis heute umstritten.

Aida (Jasna Djuricic) ist Übersetzerin für die Blauhelme in einem Militärlager. Ihr Job für die Vereinten Nationen scheint ihr ein gewisses Maß an Sicherheit zu geben. Doch sie irrt und ist ganz verzweifelt, denn auch für ihre Familie scheint es keine Rettung vor dem Blutvergießen mehr zu geben.

Aida ist zwar eine fiktive Gestalt, aber die Schilderungen der Ereignisse sind so detailgenau, dass man jeglichen Glauben an diplomatische Erfolgsaussichten in der Politik verliert. Der Film, der auch für den europäischen Filmpreis vorgeschlagen worden war, schaffte es in diesem Jahr auf die Liste der Nominierten für den Fremdsprachen-Oscar, verlor aber gegen den Konkurrenten Thomas Vinterberg mit seinem Alkoholdrama "Der Rausch", das bereits seit dem 22. Juli 2021 erfolgreich in den Kinos läuft.

W.F.


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