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Leichtes Umsatzplus am Kinomarkt, HDR Filmtechniken und neue Filmkritiken

Unsere Filmkritiken, rezensiert von Ulrike Schirm im Januar 2020, Teil 2.



Mit rund 15 Prozent Umsatzplus und 14,5 Prozent mehr Besuchern als im Vorjahr hat sich der deutsche Kinomarkt in 2019 etwas erholt und sich dem Niveau von 2017 zumindest wieder angenähert, teilte der Verband HDF Kino mit. Offensichtlich sah das Filmangebot in 2019 einfach stärker aus als in 2018 und die Highlights waren besser über das Jahr verteilt.

Aus deutscher Produktion stachen "Der Junge muss an die frische Luft" und "Der Fall Collini" hervor. Insgesamt zogen deutsche Filme aber nur knapp 22 Mio. Zuschauer an, womit nicht alle Erwartungen erfüllt wurden. Das Ziel liege bei bis zu 35 Millionen. Im Herbst 2019 gab es 4889 Kinoleinwände bei gut 1000 Betreibern.

Zudem gibt es auch beim US-Mainstream-Kino im Vergleich zu früheren Jahren offensichtlich immer weniger Umsatzmillionäre, was sicherlich auch etwas mit der Abwanderung des jüngeren Publikums zu den Streamingdiensten mit ihren Serienhighlights zu tun hat, die zum Binge-Watching animieren, sodass danach kaum noch einer Lust aufs Kino verspürt.

Nur neue Film- und Soundtechniken wie Dolby Vision mit HDR und Dolby Atmos mit verbessertem Raumklang sowie herausragende Werke von 3D-Filmpionieren wie James Camerons "AVATAR" von dem weitere Teile ab 2021 folgen sollen, könnten das Blatt zukünftig noch einmal rumreißen und neue Kinotrends heraufbeschwören, um auch jüngeres Publikum wieder vermehrt anlocken zu können.

James Cameron gilt als verlässlicher Lieferant spannender Eindrücke mit einem zu erwartenden Effekte-Spektakel, der die nächste Kinorevolution des bildgewaltigen Sci-Fi-Abenteuers vielleicht in 8K-Qualität einläuten könnte.

Einen ersten inoffiziellen Fantrailer von "AVATAR 2", der aber erst am 18.12.2021 in die Kinos kommen soll, gibt es bereits. Es könnte aber auch ein Fake sein, wurde uns berichtet!



Weil Cameron als passionierter Taucher seit seinem 16. Lebensjahr von Wasser fasziniert ist, wie u.a. sein Spielfilm "Titanic" und auch sein Doku-Projekt, der Tauchfahrt zur versunkenen Titanic, zeigt, sind auch seine neuen Avatar-Bilder von glänzenden und spiegelnden Wasseroberflächen dominiert. Eine ziemlich schwer zu beherrschende Kamera- und Effekttechnik, bei der High Dynamic Range (HDR) endlich besonders zum Tragen kommen soll.

Um eine durchgehende Handlung zu haben, werden alle zukünftigen Folgen schon jetzt produziert. Im Gegensatz zu "Star Wars", bei denen die neuen Folgen zum Teil erst 40 Jahre später entstandenen sind, dürften somit weniger Anschlussprobleme auftreten, denn alle Darsteller sind schon jetzt mit dabei.

Der Avatar-Plan: Alle Starttermine für die Kinofortsetzungen:

Avatar 2: startet am 18.12.2021
Avatar 3: startet am 17.12.2023
Avatar 4: startet am 20.12.2025
Avatar 5: startet am 19.12.2027

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"MILCHKRIEG IN DALSMYNNI" Dramödie von Grí­mur Hákonarson (Island, Dänemark, Deutschland, Frankreich). Mit Arndí­s Hrönn Egilsdóttir, Sveinn Ólafur Gunnarsson, Sigurí°ur Sigurjónsson u.a. seit 9. Januar 2020 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

„Mit mir nicht“ sagt sich die Milchbäuerin Inga (Arndis Hrönn Egilsdóttir) als sie erfährt, dass sich ihr Mann das Leben genommen hat. Eine Nachricht hat er nicht hinterlassen.

Inga und ihr Mann betreiben eine Milchfarm im Nordwesten von Island. Sie sind hochverschuldet. In Reykjavik könnten sie erheblich preiswerteren Dünger kaufen, doch die korrupte örtliche Genossenschaft lässt das nicht zu und zwingt die Bauern, bei ihnen einzukaufen, obwohl sie Wucherpreise verlangen. Wer sich nicht daran hält, wird auf eine schwarze Liste gesetzt. Auch ihre eigenen Produkte müssen sie an die Kooperative verkaufen. Ihr Mann wurde gezwungen, die schwarzen Schafe zu denunzieren, mit der Drohung ihm den Hof wegzunehmen. Das konnte er mit seinem Gewissen nicht vereinbaren. Die verwitwete Frau geht auf die Barrikaden und wehrt sich.

Auf Facebook veröffentlicht sie einen Artikel über die mafiösen Machenschaften und spricht darüber in einem Rundfunkinterview. Daraufhin wird auch sie bedroht. Sie lässt sich jedoch nicht unterkriegen und stellt den Verkauf ihrer Milch ein. Herrlich die Szene, wie sie mit ihrem Traktor bei der Genossenschaft vorfährt und mit vollem Rohr die Strasse mit ihrer Milch überschwemmt. Es folgt eine Anzeige wegen Sachbeschädigung. Egal, Inga hat nichts mehr zu verlieren.

Der etwas spröde isländische Film nimmt den Zuschauer mit in eine graue, winterliche, ländliche Gegend, in der wortkarge Menschen versuchen ihr Auskommen zu finden und eine furchtlose Einzelkämpferin, die in einer von Männern dominierten Gesellschaft, kraftvoll ihr Recht einfordert.

Grí­mur Hákonarson erzählt sein Selbstbestimmungsdrama in ruhigen, unaufgeregten Bildern und einem sparsam eingesetzten Score.

Ulrike Schirm


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"QUEEN & SLIM" Cop-Thriller von Melina Matsoukas (USA). Mit Daniel Kaluuya, Jodie Turner-Smith, Bokeem Woodbine u.a. seit 9. Januar 2020 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Melina Matsoukas ist eine renommierte griechisch-amerikanische Musik-Video Regisseurin, die in ihrem Kinodebüt „Queen & Slim“, eine Geschichte erzählt, wie sie nur schwarzen Amerikanern widerfahren kann. Bei der Doppelung des Namens fällt einem sofort "Bonnie & Clyde" sowie "Thelma & Louise" ein.

Die junge Anwältin „Queen“ und ihre Tinder-Date Bekanntschaft „Slim“ treffen sich zum ersten Mal in einem amerikanischem Diner. Neugierig fragt Slim, warum sie sich ausgerechnet ihn ausgesucht hat. Ihre Antwort: „Du siehst auf dem Foto so traurig aus“.

Auf ihrer Heimfahrt geraten sie in eine Polizeikontrolle, bei der sie von einem weißen rassistischen Cop (Sturgill Simpson) auf übelste Weise gedemütigt werden. Es kommt zu einem Handgemenge, bei dem Slim den Cop in Notwehr erschießt. „Wäre ich nicht ausgestiegen, wärst du jetzt tot", meint Queen aufgrund ihrer Erfahrungen. Und da sie das Justizsystem gut kennt, weiß sie auch, dass ihnen nichts anderes übrig bleibt, als zu fliehen.

Da die Dashcam im Polizeiauto den Vorfall aufgezeichnet hat, dauert es nur kurze Zeit, bis das Video im Netz erscheint und ihr Foto in den Nachrichten auf allen Sendern verbreitet wird. In ihrem packenden Roadmovie konzentriert sich die Regisseurin auf das Paar und lässt reißerische Verfolgungsszenen außer acht. Auf ihrem Fluchtweg von Ohio, über Kentucky und New Orleans nach Florida, wo sie, wenn alles klappt, ein Privatflugzeug besteigen und gerettet auf Kuba landen. Überall, wo sie hinkommen, werden sie erkannt und gefeiert, besonders von ihrer eigenen schwarzen Community.

Der Film nimmt sich viel Zeit um die Charaktere zu entwickeln, auch derjenigen, denen die beiden auf ihrer Flucht begegnen. Streckenweise entwickelt der Film eine starke Dynamik, die von Momenten der Ruhe unterbrochen werden, zum Beispiel als die beiden ein zweites Date nachholen, bei dem sie in zärtlicher Zuneigung in einer Bar gemeinsam tanzen. Oder der Moment, als sie Unterschlupf bei Queens Onkel Earl (Bokeem Woodbine), einem Irak-Veteran und Zuhälter finden und sie sich von ihren langen Haaren trennt, um nicht sofort erkannt zu werden.

Er überlässt ihnen seinen alten Straßenkreuzer, mit dem sie Richtung Florida weiter fahren. Zwischendurch machen sie einen Abstecher zum Grab ihrer Mutter. Längst haben die beiden sich ineinander verliebt und man erfährt ihre wirklichen Namen: Angela Johnson und Earnest Hines. Die Fluchtgeschichte entwickelt sich in eine zu Herzen gehende Liebesgeschichte, fern von jedem Kitsch. Zwischen den beiden Hauptdarstellern, Jodie Turner Smith, die eine umwerfende Leinwandpräsenz ausstrahlt und Daniel Kaluuya, der schon in „Get Out“ mit seiner schauspielerischen Leistung überzeugte, stimmt die Chemie.

Die Ästhetik der Bilder und der funky und jazzige Soundtrack unterstreichen die eindeutige Sympathie, die Melina Matsoukas für das Paar hegt. Und dennoch verliert sie nicht den Blick auf den erneut aufkeimenden Rassismus, der sich nicht nur in den USA, sondern auch in Europa wie ein Virus verbreitet. Warum dieser bewegende und erschütternde Film bei der Nominierung für den Golden Globe leer ausging, ist mir ein Rätsel.

Ulrike Schirm


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"FREIES LAND" Nachwende-Krimi von Christian Alvart (Deutschland). Mit Felix Kramer, Trystan Pütter, Nora Von Waldstätten u.a. seit 9. Januar 2020 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

"Freies Land" beruht auf dem spanischen Thriller „La isla minima – Mörderland“, kurz nach dem Ende der Franco-Diktatur. Regisseur Christian Alvart („Antikörper“) hat das Original kongenial auf deutsche Verhältnisse übertragen.

1992, ein trostloses Dorf in Ostdeutschland im winterlichen Oderbruch. Von „blühenden Landschaften“ ist hier nichts zu sehen. Die Menschen sind enttäuscht und unzufrieden. Spekulanten aus dem Westen haben das örtliche Stahlkombinat gekauft und die Löhne gesenkt. Auch Katharina (Nora von Waldstätten) ist desillusioniert. Ihre beiden Töchter sind spurlos verschwunden. Sie waren ihr einziger Lichtblick. Die Dorfbewohner glauben, dass die beiden in den Westen abgehauen sind.

Zwei unterschiedliche Ermittler sollen sich darum kümmern. Der aus Westdeutschland angereiste Kommissar Patrick Stein (Trystan Pütter) und der aus Görlitz stammende Markus Bach (Felix Kramer), ein ehemaliger Stasi-Mitarbeiter. Beide sind verwundert, dass das Verschwinden der Geschwister offensichtlich niemanden stört, denn schon früher sind Mädchen aus dem Dorf verschwunden. Als ihre grausam verstümmelten Leichen gefunden werden, gehen die Kommissare davon aus, dass es sich hier um eine Mordserie handelt. Die verschwiegene Dorfgemeinde macht es ihnen nicht leicht. Man hat das Gefühl, dass die Ereignisse der Nachwende, die Dorfgemeinde in eine Art Schockzustand versetzt hat.

Die Zusammenarbeit der beiden Polizisten und ihre unterschiedliche Vorgehensweise bei den Ermittlungen, bedingt durch ihre unterschiedlichen Biographien, sorgt für Spannungen. Die Ängste des Westlers vor dem unbekannten Osten und die Ängste des Ostlers vor der unbekannten Zukunft begleiten ihre Arbeit. Stein, der zum ersten mal Vater wird und viel lieber daheim wäre, fühlt sich wie ein zerrissener Einzelgänger auf unbekanntem Terrain. Irgendwie sind alle Beteiligten von Unsicherheit geprägt. Die düsteren Schauplätze, die eisige Kälte und der spezielle Soundtrack sorgen für eine fast mystische Atmosphäre, die die Suche nach dem Phantom nicht gerade leicht macht.

Alvert hat sich mit Respekt an das Original gehalten. „Freies Land“ ist ein atmosphärisch düsterer Mix aus Krimi und Zeitgeschehen, getragen von herausragenden Hauptdarstellern. Vielschichtig.

Ulrike Schirm


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"Little Joe - Glück ist ein Geschäft" Sci-Fi-Drama von Jessica Hausner (Österreich, Deutschland, Großbritannien). Mit Emily Beecham, Ben Whishaw, Kerry Fox u.a. seit 9. Januar 2020 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Die gewissenhafte Botanikerin Alice (Emily Beecham) hat eine genmanipulierte Pflanze gezüchtet, deren Duft die Menschen glücklich machen soll. Die wunderbar rotzüngelnden Blüten müssen besonders gehegt und gepflegt werden und man sollte auch mit ihnen sprechen. Unterstüzt wird sie von ihren Kollegen Chris (Ben Whishaw) und Bella (Kerry Fox).

Alice nennt die Pflanze Little Joe, nach ihrem 13-jährigen Sohn. Schön sieht es aus, das grosse Gewächshaus in dem sich ganz viele rot-blühende Pflanzen befinden. Alice ist alleinerziehend. Aus schlechtem Gewissen heraus, weil ihr pubertierender Sohn (Kit Connor) zu lange alleine ist, da sie so viel arbeitet, nimmt sie heimlich eine Pflanze mit nach Hause und schenkt sie ihm. Sie schärft ihm ein, dass die Blume mit ganz viel Fürsorge gehegt werden muss. Ein gut gemeintes Geschenk, mit verheerenden Wirkungen.

Dass plötzlich die von Joe gehegten Ameisen in einer von ihm persönlich überwachten Sandanlage plötzlich tot sind, gehört noch zu den harmlosesten Auswirkungen. Obwohl, auch mit Joe ist etwas passiert, er will jetzt sofort zu seinem Vater. Ist es die Wirkung des Blütendufts oder der plötzliche Sinneswandel eines jungen Menschen in der Pubertät???

Emily Beecham wurde in Cannes für ihr feinfühliges und zurückgenommenes Spiel als beste Schauspielerin ausgezeichnet.

Ulrike Schirm


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Kommentare

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Clark am :

Das war ein sehr interessanter Blog-Artikel. Macht weiter so.

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