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Historisches, märchenhaftes, eindringliches und ärgerliches im Kino

Vier Rezensionen zu neuen Filmen im Kino und eine Empfehlung zu einer Sonderveranstaltung.



"TULPENFIEBER" Historiendrama von Justin Chadwick.
Mit Alicia Vikander, Dane DeHaan, Christoph Waltz, Judi Dench u.a.
seit 24. August 2017 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Amsterdam 1636. Die Waise Sophia (Alicia Vikander) verlässt den Ort ihrer Kindheit, das ehrwürdige Kloster St. Ursula. Die Äbtissin (Judi Dench) schickt die junge Frau in den sicheren Hafen der Ehe. Sie soll dem wesentlich älteren Gewürzhändler Cornelis Sandvoort (Christoph Waltz) einen Erben gebären.

Obwohl steinreich, fehlt Sandvoort zu seinem Glück der ersehnte Stammhalter. Nach dem schmerzlichen Tod seiner ersten Ehefrau und seiner beiden Kinder, ist der Wunsch stärker denn je. Auch wenn Sophia in einem stattlichen Herrenhaus lebt und Sandvoort sie offensichtlich wirklich liebt, fühlt sie sich nicht gerade wohl. Sie kommt sich wie eine Gefangene in einem goldenen Käfig vor. Mit der ersehnten Schwangerschaft hat es immer noch nicht geklappt, obwohl Cornelis „seinem kleinen Soldaten“ immer wieder gut zuredet.

Traurig beobachtet Sophia die leidenschaftliche Liebe zwischen ihrer Magd Maria (Holliday Grainger) mit dem Fischhändler Willem. Als Cornelis beschließt, sich mit Sofia in einem Gemälde verewigen zu lassen, entsteht während der lang andauernden Sitzungen zwischen dem jungen Maler Jan van Loos (Dane Dehaan) und Sofia ganz heimlich eine brisant stürmische Affaire.

Während draußen, im Amsterdam des frühen 17. Jahrhunderts, ein reger Handel mit einer aus dem Osmanischen Reich importierten Blume tobt, und die völlig überteuerten Tulpenzwiebeln die Menschen regelrecht in einen Rausch nach dem großen Geld versetzten, ist auch Jan dem „Tulpenfieber“ verfallen und versucht an der Börse Gewinn zu machen, um mit seiner Geliebten nach Westindien durchzubrennen. In den Gasthäusern blühte die Spekulation mit Zertifikaten und anrüchigen Optionen. Man scheute sich nicht, sich zu verschulden, um an dem Boom teilzuhaben. Als sich herausstellt, dass Maria schwanger ist, entwickelt Sofia mit der Magd einen perfiden Plan.

Die Ausstattung dieses Historienfilms ist eine wahre Pracht. Beinah jede Szene gleicht einem opulenten Gemälde holländischer Künstler. Regisseurin Justin Chadwick (die Schwester der Königin) lässt das Amsterdam des Goldenen Zeitalters in perfekt ausgeleuchteten Bildern wieder auferstehen. Geschickt verknüpft er den Spekulationswahnsinn mit dem persönlichen Schicksal seiner Hauptfiguren. Erfreulich”¦ endlich sieht man Waltz mal wieder in einer zurückgenommenen Rolle.

Ulrike Schirm


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"HAMPSTEAD PARK - Aussicht auf Liebe" Romanze von Joel Hopkins.
Mit Diane Keaton, Brendan Gleeson, Lesley Manville u.a.
seit 24. August 2017 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Die leicht spleenige Amerikanerin Emily Walters (Diane Keaton) lebt in einer Luxuswohnung in Hampstead in einem exklusiven Viertel Londons, gegenüber dem berühmten Park Hampstead Heath. Eigentlich kann sie sich die teure Wohnung kaum noch leisten, bewahrt aber vor ihren hochgestochenen Nachbarn die Contenance. Ihr verstorbener Mann hat sie nicht nur betrogen, sondern ihr auch eine Menge Schulden hinterlassen.

Ehrenamtlich arbeitet sie in einem Oxfam-Laden, dessen Erlös an wohltätige Einrichtungen geht. Innerlich ist sie ziemlich angeschlagen. Sie müsste sich um ihre Finanzen kümmern und die Wohnung müsste auch renoviert werden. Gerne betrachtet sie von ihrem Dachboden aus, mit einem Fernglas bewaffnet , den malerischen Park. Sie entdeckt einen etwas behäbigen Mann, der sich in einem Teich abseift, unweit von einer selbst gezimmerten Hütte. Irgendwie erweckt der Fremde ihre Neugier.

Als sie einige Tage später beobachtet wie der Einsiedler von einer Gruppe Jugendlicher angegriffen wird, ruft sie die Polizei. Am nächsten Tag beschließt sie, den Mann unter einem Vorwand aufzusuchen. Nach längerem Suchen findet sie die versteckt gelegene Hütte, umgeben von einem gepflegten Gemüsegarten. Der Einsiedler ist nicht da. Sie entdeckt ihn aber auf einem nahegelegenen Friedhof. Er gibt sich brummig und ist misstrauisch. Als sie ihm erklärt, dass sie es war, die am Abend zuvor die Polizei gerufen hat, bessert sich seine Laune etwas.

Der Fremde ist ein gewisser Donald Horner (Brendan Gleeson) der seit 17 Jahren zurückgezogen in der Hütte haust und ein einfaches und sich selbstversorgendes Leben führt und den ein offensichtlich schweres Schicksal aus der Bahn geworfen hat. Die beiden auf den ersten Blick ungleichen Menschen, lernen sich kennen und lieben. Donald, dessen idyllisches Heim von der Gentrifizierung bedroht ist, hat in Emily eine starke Frau an seiner Seite, die mit ihm zusammen, nach längerer Überredungskunst, den Kampf gegen seine Vertreibung auf sich nimmt.

Der Ire Harry Hallowes lebte tatsächlich von 1987 bis zu seinem Tod 2016 in seiner Hütte in dem Park. Der anberaumte Gerichtsprozess, der sich mit dem Bleiberecht des Mr. Hallowes in „Hampstead Park“ beschäftigte, galt für Regisseur Joel Hopkins als Inspiration für diese märchenhaft romantische Komödie zweier sympathischer Außenseiter, besetzt mit der hochkarätigen Diane Keaton und dem großartigen Charakterdarsteller Brendan Gleeson. Eine fröhliche Seniorenromanze, gespickt mit schwarzem Humor, die etwas betulich vor sich hin plätschert.

Ulrike Schirm

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"EIN SACK VOLL MURMELN" Drama von Christian Duguay.
Mit Dorian Le Clech, Batyste Fleurial, Patrick Bruel u.a.
seit 17. August 2017 im Kino. Hier der Trailer:



Unsere Kurzkritik:

Schon seit mehr als einer Woche läuft in erstaunlich vielen Arthaus-Kinos mit großem Erfolg das jüdische Drama "Ein Sack voll Murmeln". Das Werk ist mitnichten ein Kinderfilm, auch wenn die beiden Hauptdarsteller im Alter zwischen kindlicher Naivität und jugendlichem Teenager-Gehabe angesiedelt sind. Bereits Anfang Juli, zum jüdischen Filmfestival, hatten wir auf den Film aufmerksam gemacht, obwohl er gar nicht auf dem Festival gezeigt worden war. Dafür gewann "Un sac de billes", wie der Film im Original heißt, Mitte Juni auf dem 28. Internationalen Filmfest Emden-Norderney gleich mehrere Preise.

Der kanadische Regisseur Christian Duguay hatte zwei Jahre zuvor mit der Fortsetzung des Kinderabenteuerfilms "Belle et Sébastien" bewiesen, wie einfühlsam er mit Kindern inszenieren kann. Doch diese Geschichte um zwei Buben, die vor den Nazis fliehen müssen, war ungleich schwerer zu vermitteln. Den jungen Darstellern, die von ihren Eltern getrennt wurden und sich alleine im besetzten Frankreich durchschlagen sollten, musste erst behutsam beigebracht werden, wie sie auf Provokationen durch die Nazis reagieren müssen. Das Ergebnis ist beindruckend und dürfte noch lange für Gesprächsstoff in den Arthaus-Kinos sorgen.

W.F.


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"ATOMIC BLONDE" Actionthriller von David Leitch.
Mit Charlize Theron, James McAvoy, Sofia Boutella u.a.
seit 24. August 2017 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Als eine Art weiblicher James Bond macht die britische eiskalte Agentin M16 Lorraine Broughton (Charlize Theron) Berlin der achtziger unsicher und gerät in ein verwobenes Netz voller Geheimnisse.

1989, kurz vor dem Mauerfall. In dem rasanten Action – Spionage – Thriller soll sie eine Liste mit den Namen aller Agenten, die in Berlin im Einsatz sind und für verschiedene Geheimdienste arbeiten, finden. Die brisante Liste ist bei einem Mord an einem Agenten in die falschen Hände geraten. Auf der Suche, enttarnt sie nebenbei mehrere Doppelagenten. Wir sehen Theron in ihrer bisher härtesten Rolle. Ich möchte nicht wissen, wie viele Blessuren sie einstecken musste, die von der Maske teilweise überschminkt wurden. Acht Trainer standen ihr zur Seite, um die Kampfchoreografien mit ihr einzustudieren. Sie kämpft mit allem, was ihr in die Finger kommt. Action, Blut und Sex pflastern ihren Weg. Brougton, eine Frau, die bis an die Grenzen ihrer physischen Kräfte gelangt und sich danach in seelenruhig einen Wodka mit viel Eis runterkippt.

Großartig die Kamera mitten im Setting von Berlin. Der kalte Krieg nähert sich seinem Ende. Gleich zu Anfang sieht man Ronald Reagan, wie er „Tear down this wall“ gen Osten ruft. Die Straßen Ost-Berlins voller Demonstranten, ein wahres Eldorado , in dem sich Agenten wunderbar verstecken können. Dazwischen M16, die dem KGB und gleichzeitig dem US-Geheimdienst CIA zudienen scheint.

Um die maroden Straßen Ost-Berlins stilecht in Szene zu setzen musste die Crew allerdings nach Budapest ausweichen. Echt sind jedoch der Fernsehturm, vor dem ein erschossener West-Agent mal eben in die Spree gekippt wird, das Kino International, in dem sowjetische Agenten die strahlend blonde Gegenspielerin gefangen halten wollen. Stimmig ist der gesamte Cast. Neben Superweib Theron brilliert James McAvoy mit starker Präsenz als Doppelagent David Percival, auf dessen Tisch ein Tagesspiegel liegt, doch die Zeit zum Lesen hat er nicht.

Til Schweiger in einer prägnanten kurzen Nebenrolle, spielt bemerkenswert zurückgenommen. John Goodman als undurchsichtiger CIA-Agent, natürlich gut wie immer. Der Achtziger – Jahre – Soundtrack von Bowie über The Clash bis hin zu Nena lohnt sich allemal zum runterladen. Was der Film gar nicht will, ist eine perfekte historische Authentizität zu liefern und das nimmt man Regisseur David Leitch (John Wick) auch gar nicht übel. Mein Lieblingssatz: „David Hasselhoff ist in der Stadt, mit der Stadt geht es bergab“. Ab 31. August auch im Cinestar IMAX ( OV und DF) zu sehen.

Ulrike Schirm


Oben rezensierter Film hat leider etliche stilistische Fehler. An die Qualität der zitierten Bond Filme gereicht er bei weitem nicht. Zudem platzte der in Babelsberg geplante Dreh, sodass die lokale Filmförderung entfiel. Die in Budapest gedrehten Szenen, sind zwar schön anzusehen, jedoch der Story mangelt es an Logik, weshalb wir vom BAF e.V. von dem Werk nicht überzeugt sind - ärgerlich.

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Veranstaltung:
Am Montag, den 28. August 2017 um 20:00 Uhr im Literarischen Colloquium Berlin e.V. (LCB)
Am Sandwerder 5
14109 Berlin-Wannsee

"MENSCHEN AM SONNTAG" Dokumentarfilm von Robert Siodmak (1930) nach einem Drehbuch von Billy Wilder. Hier der komplette Clip des restaurierten Films:



Über den Film:

Junge Filmbegeisterte drehen in den Jahren 1929-30 in Berlin und Umgebung (Bahnhof Zoo, am 'Großen Fenster' am Ufer des Wannsees und auf den Straßen Berlins) einen Film mit Darstellern, die spontan auf der Straße angesprochen wurden. Er zählt zu den späten Vertretern der „Neuen Sachlichkeit“.

Isolde Arnold

„Die Arbeit mit Laien und an realen Schauplätzen versteht man als Vorläufer des Neorealismus, auch verzaubert der unbeschwerte, von kommerziellen Interessen scheinbar unberührte Blick Siodmaks auf das Lebensgefühl des Berlins der zwanziger Jahre, auf eine Großstadtkultur, die kurz darauf von Nationalsozialisten erstickt wurde. Nicht zuletzt schließen die Cinephilen den Film auch deswegen ins Herz, weil sie glauben, er sei gegen die Filmindustrie entstanden; er scheint somit die 'politique des auteurs' vorwegzunehmen.“ (Deutsche Kinemathek).


Über den Film „Menschen am Sonntag“ sprechen im Anschluss an die Vorführung im Literarischen Colloquium Berlin Hanns Zischler, der bereits im Februar zwei Filmabende zur Neuausgabe seines Kult-Buchs „Kafka geht ins Kino“ präsentierte, und Martin Fass, Direktor der Liebermann-Villa am Wannsee. Dort in der Colomierstr. 3 in 14109 Berlin-Wannsee ist noch bis 3. Oktober 2017 die Ausstellung „Streit am Wannsee - von noblen Villen und Strandbadfreuden“ zu sehen, die ebenfalls Gesprächsthema sein wird.

Eintritt 8 € / 5 €* (*ermäßigt)


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