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Ilona Ziok - Werkschau einer Dokumentarfilmerin

Das Lichblick Kino präsentiert eine außergewöhnliche Dokumentaristin.



Vor knapp einer Woche gab es Bundestagswahlen in Deutschland und das Volk strafte diesmal diejenigen Parteien ab, von denen sie sich verschaukelt fühlten. Doch es gab schon andere Zeiten in Deutschland, wo ein ganzes Volk den Nationalsozialisten auf den Leim gegangen war.

In Ilona Zioks 2010 entstandenem Werk "Fritz Bauer - Tod auf Raten" wird genau vor solchen Rattenfängern gewarnt. Die Dokumentarfilmerin hat nicht zuletzt mit diesem Film einen ganz eigenen Stil entwickelt, der auch in den Kinos funktioniert ohne seicht zu werden. Ihr 1999 auf der Berlinale gezeigte Film "Kurt Gerrons Karussel" über eine Cabaret-Aufführung machte Ilona Ziok über Nacht weltbekannt. Heute lehrt sie ihrer spezielle Machart an einigen internationalen Filmhochschulen, vor allem in den USA, wo dieser Stiel besonders geschätzt wird.

In dem Film "Fritz Bauer - Tod auf Raten" lässt Sie einen deutschen Staatsanwalt zu Worte kommen, der bei seinen Ermittlungen über NS-Verbrechen in die Netzwerke von Alt-Nazis gerät. Es ist das Psychogramm eines Aufrechten und einer Nation, die in den 50er und 60er Jahren von ihrer Vergangenheit nichts wissen wollte. Im sogenannten Braunschweiger Verfahren hatte der Generalstaatsanwalt Bauer im Jahre 1952 einen Prozess gegen den ehemaligen Wehrmachtsoffizier Otto Ernst Remer geführt.
Hier der Trailer:



Fritz Bauer, der von 1956 bis zu seinem Tode 1968 als hessischer Generalstaatsanwalt der maßgebliche Initiator der Frankfurter Auschwitzprozesse war, gelang es, dass erstmalig in Deutschland der NS-Staat von einem Gericht zum Unrechtstaat erklärt wurde, die Grundlage für die Rehabilitierung des Widerstands schlechthin und für vieler anderer Verfahren gegen Nazis.

Der in Braunschweig angeklagte Otto Ernst Remer wurde zwar wiederholt wegen Volksverhetzung verurteilt, doch er entzog sich stets der Strafe und flüchtete ins Ausland. Nach seiner Flucht war Remer mehrere Jahre lang als Militärberater des ägyptischen Präsidenten Gamal Abdel Nasser sowie in Syrien tätig, was indirekt auch Rückschlüsse auf die Gesinnung des jetzigen Staatschef Baschar al-Assad ziehen lässt. Auf zahlreichen Veranstaltungen von Rechtsextremisten trat Remer auch in Spanien immer wieder als Hauptredner auf. Doch da die spanischen Gesetze damals keine entsprechenden Strafbestimmungen wegen Holocaustleugnung kannten, wurde ein von den deutschen Behörden gestellter Auslieferungsantrag 1996 abschlägig beschieden. Remer verstarb 1997 in Marbella, Spanien.

Das Kino Lichtblick zeigt vom 28.09. - 2.10.2013 insgesamt fünf Werke der Dokumentarfilmerin Ilona Ziok mit einigen Wiederholungen. Sie wird am Sonntag , den 29. September 2013 persönlich bei der Vorführung ihres Filmes "Fritz Bauer - Tod auf Raten" um 20:30 Uhr und zur anschließenden Diskussion anwesend sein.

Die Filme:

"Und dann mussten wir noch wat schwören" -Special Olympics in Minneapolis
D 1992, 45 min, Regie: Ilona Ziok und Jacek Blawut

1991 fanden die Special Olympics in Minneapolis statt. Es war damals die weltweit größte Sportveranstaltung des Jahres und der größte internationale Wettkampf in verschiedenen Sportarten, der jemals im Staat Minnesota ausgetragen wurde. Über 100 Länder waren durch 6.000 geistig behinderte Sportler vertreten, die in 16 Sportarten der Special Olympics im Wettkampf standen. Ilona Ziok und Jacek Blawut (auch Kamera) haben darüber einen berührenden Film für den SR gemacht, der absolut sehenswert ist. Sie begleiteten eine Gruppe deutscher Teilnemer zu dieser Olympiade der Geistigbehinderten, die sich nach Rückkehr an die Wettkämpfe erinnern.

"Die Reise nach Tunesien" - Psychisch Kranke machen Urlaub
D 1993, 45 min, Regie: Ilona Ziok und Jacek Blawut

Durch ihre Arbeit als Redakteurin bei ttt erfuhr Ilona Ziok von einer geschlossenen Einrichtung für psychisch kranke Menschen im hessichen Taunus, die dort seit vielen Jahren lebten, ohne die Abteilung zu verlassen, und davon dass der dortige Seelsorger seit einigen Jahren als eine Art Therapie einmal im Jahr mit einer Patientengruppe auf Urlaub fuhr. Die Idee zu ihrem nächsten TV-Film war geboren, für den sie wieder Jacek Blawut als Ko-Regisseur gewann. Im Sommer 1991 begleitete sie mit einem Team des SR eine Patientengruppe nach Tunesien. Sie freundet sich mit einigen der Teilnehmer an, die ihr dann eindrucksvoll ihr Schicksal erzählen. Ein berührerder Film aus einer Welt entstand, zu der nicht viele Zugang haben.

"Kurt Gerrons Karussel"
D/CZ/NL 1999, 70 min, Regie Ilona Ziok, mit Ute Lemper, Bente Kahan, Ursula Ofner, Coco Schumann, Max Raabe, Schall & Hauch, Ben Becker & Manuel Göttsching

Berlin 1928. Kurt Gerron singt die Ballade vom Mackie Messer in Brechts „Dreigroschenoper“ und wird über Nacht zum Star. Als Magier in dem Film „Der blaue Engel“, an der Seite von Marlene Dietrich, aber auch als überaus erfolgreicher Filmregisseur der beliebten UFA-Komödien setzt er seine viel versprechende Laufbahn fort. Doch 1933 ist die Karriere zu Ende: Gerron ist Jude, muss vor den Nazis nach Paris fliehen, später nach Amsterdam, wo er im Lager Westerbork interniert wird und nach Theresienstadt kommt. Hier in dem KZ für jüdische Künstler und VIPs gründet er ein Kabarett, das er „Karussel“ nennt. Die Nazis bieten ihm dort gar die Chance, einen Film zu drehen über das „großartige Leben der Juden in einem KZ“ (die sich vor der Front drücken). Hat er eine Wahl, denn die Gage ist das Versprechen, nicht vergast zu werden”¦.
Am Samstag, 28.9.13, 18:30h, in Anwesenheit von Ilona Ziok

"Der Junker und der Kommunist"
D 2003-2009, 72 min, Regie: Ilona Ziok

Der Film zeichnet das Leben Carl-Hans Graf von Hardenbergs (1891-1958) und Fritz Perlitz′ (1908-1972) nach, zweier Männer, deren Ideale unterschiedlicher kaum sein können. Während Hardenberg, letzter Standesherr auf Schloss Neuhardenberg bei Berlin und überzeugter Monarchist, in das gescheiterte Attentat auf Adolf Hitler vom 20. Juli 1944 involviert ist, ist Perlitz ein überzeugter Kommunist. Und doch sind beide durch den gemeinsamen Feind, das NS-Regime, verbunden. Anlässlich eines Landarbeiterstreiks zur Weltwirtschaftskrise 1931 begegnen sich die Männer zum ersten mal - Fritz Perlitz auf Seiten der Arbeiter, der Graf auf der anderen. Das Wiedersehen der beiden "Vaterlandsverräter" im Krankenbau des KZ Sachsenhausen im Jahr 1944 markiert den Beginn einer Freundschaft wider Willen - die Vereinigung zweier unüberbrückbarer Geisteshaltungen.
Am Samstag, 28.9.13, 20:30h, in Anwesenheit von Ilona Ziok

"The Sounds of Silents – Der Stummfilmpianist"
D/ CZ 2005, 80 min, Regie Ilona Ziok

Der Film entführt uns auf eine Reise durch das Leben und die Musik von Willy Sommerfeld. Das Publikum feierte ihn wie einen Rockstar.
Kulturhistoriker, Cineasten, Hausfrauen und Punks verehrten ihn, jung wie alt. Er war lebende Kinogeschichte, das musikalische Gedächtnis eines Jahrhunderts: Willy Sommerfeld, Stummfilmpianist, Jahrgang 1904. Er hatte die Anfänge des Films am Piano miterlebt, und spielte mit über hundert Jahren immer noch. Spontan, ohne ein Notenblatt, komponierte er den „Soundtrack“ zum Film. Mit ihm tauchen wir in die wunderbare Welt des Kintopp ein, wie es pulsierte und klang, als es entstand.
Am Sonntag, 29.9.13, 18.30h, in Anwesenheit von Ilona Ziok

"Fritz Bauer - Tod auf Raten"
D 2010, 97 min, Regie: Ilona Ziok

Fritz Bauer war wohl der profilierteste Staatsanwalt, den die Bundesrepublik je hatte. Er sah sich als "Jurist aus Freiheitssinn" und war überzeugt, dass der Bürger ein Widerstandsrecht gegen Willkürakte des Staates hat. Hierfür stritt er als niedersächsischer Generalstaatsanwalt 1952/53 in einem aufsehenerregenden Prozess, in dem es um die Legitimität des 20. Juli 1944 ging und in dessen Verlauf Bauer die Rehabilitierung der hingerichteten Verschwörer erreichte.In diesem Prozess wurde erstmalig in Deutschland der NS-Staat von einem Gericht zum Unrechtstaat erklärt.

Mit derselben Zielgerichtetheit hat er die Aufhellung und Ahndung der NS-Verbrechen in Gang gesetzt. Als hessischer Generalstaatsanwalt (1956–1968) war er der maßgebliche Initiator der Frankfurter Auschwitzprozesse.

Eine wichtige Rolle spielte Bauer auch bei der Ergreifung Adolf Eichmanns, indem er den Aufenthaltsort des „Buchhalters der Endlösung“ an den israelischen Mossad verriet, damit Eichmann in Jerusalem vor Gericht gestellt werden konnte. Während seiner Amtszeit hat er zudem die Reform des Strafvollzugs vorangetrieben. Dessen Humanisierung gehörte für ihn zu einer humanen Gesellschaft. Im restaurativen Klima der Adenauer-Ära wurde Bauer zu einer „Provokation für den Zeitgeist“. Aufsätze und Reden mit Titeln wie „Mörder unter uns“ und „Am Ende waren die Gaskammern“ erregten nicht nur rechtsradikale Kritik, sondern auch beim bürgerlichen Publikum Anstoß. Antisemitische und politische Anfeindungen begleiteten das Leben des jüdischen Schwaben. Ein schwerer Schlag war für Bauer die Verabschiedung der Notstandsgesetze im Mai 1968. Bauer sah sie als eine irreparable Wende zum autoritären Staat an. Am 30. Juni 1968 wurde er tot in seiner Frankfurter Wohnung aufgefunden. Die Umstände seines Todes geben bis heute Rätsel auf.
Am Sonntag, 29.9.13, 20.30h, in Anwesenheit von Ilona Ziok

Die Termine:

Sa 28.09.13
18:30 Kurt Gerrons Karussel (In Anwesenheit der Regisseurin)
20:30 Der Junker und der Kommunist (In Anwesenheit der Regisseurin)

So 29.09.13
18:30 Der Stummfilmmpianist (In Anwesenheit der Regisseurin)
20:30 Fritz Bauer – Tod auf Raten (In Anwesenheit der Regisseurin)

Mo 30.09.13
17:30 Der Junker und der Kommunist
18:45 Kurt Gerrons Karussel

Di 01.10.13
18:00 »Und dann mussten wir noch wat schwören« – Special Olympics in Minneapolis
18:45 Fritz Bauer – Tod auf Raten
20:30 Der Stummfilmmpianist

Mi 02.10.13
18:15 Reise nach Tunesien – Psychisch Kranke machen Urlaub
19:15 Der Junker und der Kommunist
20:30 Fritz Bauer – Tod auf Raten

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Lichtblick-Kino
Kastanienallee 77
10435 Berlin
Link: www.lichtblick-kino.org

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