Vorbote zum Deutschen Filmpreis: Filmkritik zu "ISLANDS"
„Islands“ ist für den Deutschen Filmpreis, der am morgigen Freitag in Berlin verliehen wird, in den Kategorien „Bester Film“, „Beste männliche Hauptrolle“, „Beste Filmmusik“ und „Beste Tongestaltung“ nominiert.

Vielleicht erinnert sich noch jemand an Jan-Ole Gersters wunderbaren, 2012 leicht subversiv gedrehten Film "OH BOY" mit Tom Schilling. Auch Gersters neuer Film "ISLANDS", der als Special Gala Vorführung auf der 75. Berlinale seine Premiere im Februar feierte, erzählt die Geschichte eines „falschen“ Lebens, doch unter gänzlich anderen Vorsätzen.
"ISLANDS" Ein Mystery-Noir Drama von Jan-Ole Gerster über einen abgehalfterten Tennistrainer in einem heruntergekommenen Hotelresort inmitten der staubigen Wüstenlandschaft von Fuerteventura. (Deutschland, 2025; 123 Min.) Mit Jack Farthing, Dylan Torrell, Pep Ambròs, Bruna Cusí, Ramiro Blas und Ahmed Boulane ab 8. Mai 2025 im Kino. Hier der Trailer:

Vielleicht erinnert sich noch jemand an Jan-Ole Gersters wunderbaren, 2012 leicht subversiv gedrehten Film "OH BOY" mit Tom Schilling. Auch Gersters neuer Film "ISLANDS", der als Special Gala Vorführung auf der 75. Berlinale seine Premiere im Februar feierte, erzählt die Geschichte eines „falschen“ Lebens, doch unter gänzlich anderen Vorsätzen.
"ISLANDS" Ein Mystery-Noir Drama von Jan-Ole Gerster über einen abgehalfterten Tennistrainer in einem heruntergekommenen Hotelresort inmitten der staubigen Wüstenlandschaft von Fuerteventura. (Deutschland, 2025; 123 Min.) Mit Jack Farthing, Dylan Torrell, Pep Ambròs, Bruna Cusí, Ramiro Blas und Ahmed Boulane ab 8. Mai 2025 im Kino. Hier der Trailer:
Axels Filmkritik:
Noir sei, meinte vor Jahren ein Autor, als er nach einer Definition von Noir gefragt wurde, das Gegenteil von Disney. Mit dieser damals flott formulierten, insgesamt erstaunlich zutreffenden Definition im Gepäck ist Jan-Ole Gersters neuer Film „Islands“ ein Noir. Auch wenn es in dem Film für einen klassischen Noir erstaunlich wenig bis überhaupt keine Verbrechen, keine Betrügereien und auch keine sexuellen Verwicklungen gibt.
Aber Noir ist, wie Disney, ein Blick auf die Welt. Es ist eine Haltung, die Gersters Film von der ersten bis zur letzten Minute prägt.
Auf Fuerteventura arbeitet Tom (Sam Riley) seit längerem und ohne weitere Ambitionen als Tennislehrer in einem All-Inclusive-Hotel. Schon während der Arbeit trinkt er. Den Feierabend verbringt er in der Disco und anschließend geht der Samenspender gerne für einige Stunden mit jungen Inselbesucherinnen ins Bett. Flüchtiger Urlaubssex ohne weitere Verpflichtungen eben.
Eines Tages fragt ihn die im Hotel mit ihrem Mann und Sohn Urlaub machendende Anne (Stacy Martin), ob er ihrem siebenjährigen Sohn Anton (Dylan Torrell) Einzelunterricht geben könne. Er tut es. Er bringt sie auch, nachdem Annes Mann Dave (Jack Farthing), ein ziemliches Arschloch, sich über das Zimmer beschwerte, in einem ruhigeren Zimmer unter. Und er zeigt ihnen die schönen, von Touristen noch nicht entdeckten Seiten der Insel.
Warum er sich so ungewöhnlich intensiv um diese Hotelgäste kümmert, bleibt lange unklar. Er wird auch immer mehr zu Annes und Antons potentiellem Beschützer gegenüber Dave.
Als Dave nach einer gemeinsamen Sauftour verschwindet, beginnt die Polizei den spurlos verschwundenen Urlauber zu suchen. Er könnte ins Wasser gefallen sein. Oder jemand stieß ihn ins Wasser. Ein vom Festland abgestellter Kommissar vermutet, dass Dave ermordet wurde. Tatverdächtig sind selbstverständlich Anne und Tom.
In diesem Moment sind schon gut achtzig Minuten des zweistündigen Films vergangen, in denen für Fans eines konventionellen Noir-Krimis in dem ein Mann sich in die falsche Frau verliebt, es zu Mord und Verrat kommt, wenig bis nichts passierte. Das ändert sich auch im letzten Drittel des Films nicht. Gerster will hier keine Erwartungen erfüllen. Er benutzt Noir-Motive und lässt anschließend die Erwartungen des Publikums an eine spannende Noir-Geschichte konsequent ins Leere laufen.
Als Thriller ist „Islands“, obwohl die Macher den Film im Presseheft mehrmals so labeln, bestenfalls ein Slow-Burner, der erst mit dem Auftauchen des Kommissars, der sofort einen Mordfall mit zwei auf dem Silbertablett präsentierten Tatverdächtigen vermutet, etwas spannender wird. Wirklich spannend wird es nicht.
Aber als Noir-Charakterstudie, in der jede Person in ihrem eigenen Gefängnis gefangen ist und sie nicht aus ihrem selbstgewählte Gefängnis entkommt, ist „Islands“ ziemlich interessant. Der ehemalige Tennisprofi Tom vegetiert seit Jahren nur noch als letztklassiger Tennislehrer für Hotelgäste vor sich hin. Seine Tage sind seit Ewigkeiten nur eine immergleiche Abfolge aus Tennisstunden, Trinken und flüchtigem Sex. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen kümmert er sich um eine das Hotel besuchende Familie. Seine Gefühle gegenüber Anne sind weniger sexuell, sondern freundschaftlich und vielleicht sogar etwas beschützend. Anne ist in einer gewalttätigen Ehe gefangen. Trotzdem bleibt sie bei ihrem Mann Dave, der ebenfalls in seinem Verhalten gefangen ist.
„Am Ende ist alles beim Alten – der Urlaub ist vorüber und jeder geht zurück in sein gewohntes Leben“, sagt Jan-Ole Gerster über seinen dritten Spielfilm, der im Presseheft fälschlicherweise als Noir und Thriller verkauft wird. Denn dieses Labeling weckt Erwartungen, die Gerster in seiner deprimierenden Charakterstudie über Menschen, die in ihrem Leben gefangen sind und die im Kreis herumlaufen, nicht erfüllen will.
Das ist nicht uninteressant, durchaus gut gemacht und gut gespielt. Trotzdem ist „Islands“ mit zwei Stunden als langsam erzählter Soft Noir ohne richtiges Verbrechen zu lang. Gerster hätte sich besser an der Länge seiner vorherigen und gelungeneren Charakterstudien „Oh Boy“ (83 Minuten) und „Lara“ (98 Minuten) orientieren sollen. Oder an Billy Wilders 99-minütiger Noir-Trinkerstudie „Das verlorene Wochenende“ (The lost Weekend, USA 1945).
Axel Bussmer (kriminalakte.org)