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FOSSIL: Tagebauarbeiter kämpft gegen Kohleausstieg an

Im Drama "FOSSIL" kämpft ein engagierter Tagebauarbeiter vehement gegen den unvermeidlichen Kohleausstieg an und verliert dabei den Rückhalt seiner Familie und seines Umfeldes.



Auch jenseits der Streamingportale oder dem gerade begonnen grandiosen Auftakt der Fußball-Europameisterschaft mit 5:1 für die deutsche Mannschaft beim Eröffnungsspiel in München gegen Schottland, gibt es auch in der 24. Kalenderwoche 2024 empfehlenswerte Filme in den Berliner und bundesweiten Indie-Kinos zu sehen.

"FOSSIL" Drama von Henning Beckhoff (Deutschland, 2023; 94 Min.) Mit Markus Hering, Ruth Reinecke, Victoria Schulz u.a. seit 13. Juni 2024 in einzelnen Kinos wie dem Klick, dem Cosima oder den Tilsiter Lichtspielen in Berlin. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Der für 2030 beschlossene Kohleausstieg ist für den alteingesessenen Tagebauarbeiter Michael (Markus Hering) der blanke Hohn. Die Arbeit im Tagebau ist sein Leben. Dass seine Frau Miri (Ruth Heinecke) mit einer Virtual-Reality-Brille im Haus herumläuft und fasziniert von dem Zukunftsprojekt ist, kann er nicht verstehen. Eine blühende Seelandschaft soll anstelle der Tagebaugrube entstehen. Die beeindruckenden Maschinen sollen gesprengt werden. All das zugunsten eines Riesenstausees.

Michael ist ein Mann mit festen Ansichten und harschen Formulierungen. Jahrzehntelang hat er den Koloss von Kettenbagger gewartet. Auch das seine Tochter Anja (Victoria Schulz) sich auf die Seite der Klimaaktivisten stellt und sich nur noch im Protest-Camp aufhält, anstatt sich um seinen Enkelsohn Toni zu kümmern, macht ihn fassungslos. Zum Glück hält sich Toni gerne bei seinen Großeltern auf. Zu der Fassungslosigkeit, dass man ihm seinen geliebten Arbeitsplatz wegnehmen will, gesellt sich auch noch die Trauer über den Suizid seines Arbeitskollegen Kostja, der sich im Wald erhängt hat. 10 Jahre haben sie zusammengearbeitet. Starrsinnig verteidigt Michael seine Ansichten und stellt sich damit auch gegen seine Familie.

Es ist ein verzweifeltes Auflehnen eines älteren Menschen, der sich in seiner Ehre gekränkt fühlt und sich mit den Folgen des Klimawandels nicht wirklich auseinandergesetzt hat. Er bemerkt nicht, dass er sich mit seinem Starrsinn immer mehr isoliert.

Man kann die Verzweiflung dieses alten Mannes durchaus nachvollziehen. Besonders die übereilte Abfacklung der Maschinen, statt einer langsamen Demontage, die Raum für einen Abschied lassen würde. Auch die Zerstörung des Stromkastens, die er in seiner Mischung aus Enttäuschung, Wut und Frustration vornimmt, damit im Ort der Strom ausfällt, kann man verstehen.

Regisseur Henning Beckhoff legt sein Augenmerk besonders auf den verzweifelten Kampf seines Protagonisten aus einer älteren Generation. Wie sagt die Oma zu ihrem Enkel: „In zehn Jahren werden wir hier baden gehen“.

Sachlich beschreibt er wie sich die Fronten immer mehr verhärten und bleibt nah an seiner alleingelassenen Hauptfigur. Er bezieht keine politische Stellung und zeigt auch nicht die Räumung des Camps durch die Polizei. Bilder von innerem und äußerem Widerstand zeichnen die Machtlosigkeit seines Protagonisten.

Beckhoff hat viel Wert auf eine gewisse Langsamkeit gelegt, angeregt durch die Langsamkeit des Baggers. Ein Teil des Films wurde in NRW gedreht, sie mussten dann aber wegen Wetterbedingungen in die Lausitz wechseln.

Über den Bildern liegt ein leichter Staubschleier. Der jahrzehntelange Tagebau mit den riesigen Fördergruben hinterlässt besondere Spuren in der Landschaft und Atmosphäre.

Beckhoff und sein Co-Autor Bastian Köpf zeigen nicht nur den störrischen Michael, sie heben auch seine mitfühlende Eigenschaft hervor. Sogar Wim Wenders hat sich die Zeit genommen und bei einer Sondervorführung des Films die Arbeit des relativ jungen Regisseurs (Jahrgang 1991) gelobt.

Ulrike Schirm


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