Fahrplan für neue deutsche Filmpolitik steht
Ankündigung eines 40 Seiten langen Entwurfs zum neuen Filmförderungsgesetz am kinopolitischen Tag des HDF, dem 29. November 2023, im Kino in der Kulturbrauerei Berlin.
Bericht von Katharina Dockhorn.
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Bericht von Katharina Dockhorn.
Eine Präsentation von 40 Seiten des Entwurfs des neuen Filmförderungsgesetzes habe er der Tasche, verriet Dr. Andreas Görgen, Amtschef bei der Beauftragten für Kultur und Medien (BKM), beim filmpolitischen Abend des HDF im Kino in der Kulturbrauerei. Mitte des Monats geht der Entwurf für die Novellierung des 1967 erstmals verabschiedeten Gesetzes an die Verbände. Für Ende Mai ist die Ressortabstimmung geplant und in der zweiten Hälfte des Jahres 2024 das Gesetzgebungsverfahren des Bundestags.
Synchron geht das Haus von Kulturstaatsministerin Claudia Roth zwei weitere Großvorhaben an, die die Gemüter in der Branche seit Monaten erhitzen. Mitte Januar soll ein Vorschlag für die Umsetzung von Artikel 13 der europäischen Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMD-Richtlinie), kurz Investitionsverpflichtung, in deutsches Recht vorliegen. Die Richtlinie ermöglicht es den Mitgliedsländern, inländische und globale On-Demand Diensten zu Investitionen in einheimische bzw. europäische Werke zu verpflichten. Bis zu 25% des auf dem jeweiligen Territorium erzielten Umsatzes müssten sie dafür bereitstellen.
Frankreich hat den Satz längst voll ausgeschöpft. Spanien verpflichtete die Streaming-Anbieter zu 5%. Nutznießer des Geldes war unter anderem Antonio Bayonas „Die Schneegesellschaft“, Spaniens Oscareinreichung.
In Deutschland sind wohl 15% im Gespräch. Vaunet, der Spitzenverband der privaten AV-Medien in Deutschland, lobbyiert seit Monaten gegen die im Koalitionsvertrag bereits angekündigte Umsetzung der Europäischen Richtlinie. Ganz egal ob Sky oder die Branchenriesen Disney+, Prime Video oder Netflix – sie fürchten, dass sie ihr Geld in Filme und Serien stecken müssten, die kein Mensch sehen will. Was nicht ganz von der Hand zu weisen ist. Aber auch Kinos und Fernsehsender oder gar der deutsche Steuerzahler werden seit Jahrzehnten nicht gefragt, ob sie die Produktion von Filmen unterstützen wollen, die keiner sehen will.
O Felix Austria
Auch bei einem Steueranreizmodell gibt es Bewegung. Auch wenn Görgen bekannte, dass er im Moment bei den Kollegen aus dem Haus von Finanzminister Christian Lindner keine Gesprächspartner findet. Der FDP-Politiker muss dem Modell zustimmen, mit dem der Deutsche Filmförderfonds (DFFF) und German Motion Picture Fund (GMPF) wieder attraktiver gemacht werden sollen oder von einem Steueranreizmodell abgelöst werden sollen.
Ein Traum wird wohl die Übernahmen des erfolgreichen österreichischen Modells eines atmenden Fördertopfes bleiben. Mit mindestens 15 Millionen Euro wollte die Republik die Filmproduktion ab 2023 unterstützen. Die Zusage war mit dem Versprechen verknüpft, bei weiteren Anfragen aufzustocken. In dieser Woche wurde nun die Zahl von 130 Millionen bekannt, die in Österreich ausgegeben werden. Ein Land mit einem Zehntel der deutschen Bevölkerung steckt auf Bundesebene ebenso viel Geld in die Unterstützung der Filmproduktion wie die Bundesregierung im laufenden Jahr.
Der österreichische Finanzminister hat ebenso wie seine Kollegen aus vielen Ländern der Welt nichts zu verschenken. Sie kennen die Kosten-Nutzenrechnung. Die Österreicher sprechen von einem Regionaleffekt von bis zu 700%. Für jeden Fördereuro fließen also bis zu sieben Euro nicht nur in den Dreh. Einberechnet sind auch Effekte in Hotels, Gastronomie usw. Auch über zusätzliche Steuereinnahmen und Sozialabgaben fließt ein Teil des Geldes zurück in den Staatssäckel und die Kassen von Versicherungen.
Studien im Auftrag des Studios Babelsberg wiesen in der Blütezeit des DFFF mit zahlreichen Hollywood-Produktionen einen ähnlichen Effekt nach. Merkels Kabinett überzeugte das Zahlenwerk nie. Stattdessen tauchte plötzlich ein Hindernis auf, bei dem alle Beteiligten nach den Erfahrungen um die Diskussionen um die Digitalisierung der Kinos und des Filmerbes wussten, dass es nur schwer zu überwinden ist: Die Länder müssen mit im Boot sein. Und die, so war gestern am Rande zu hören, sind von der Idee eines Steueranreizmodells not amused.
Axt am deutschen Film
So wird es wohl beim Zuschussmodell bleiben, bei dem pro Jahr im Bundeshaushalt eine bestimmte Summe für die Unterstützung von Film- und Serienproduktionen zur Verfügung gestellt wird. An DFFF und German Motion Picture Fund legen Regierung und Parlament aber gerade die Axt an und kürzen im Vergleich zu anderen Posten im Haushalt der Kulturstaatsministerin (BKM) überproportional.
In der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestags Mitte November wurden die Etats von DFFF und GMPF auf jeweils rund 44 Mio. Euro gekürzt, was zwei Drittel der Summe entspricht, die das kleine Österreich in diesem Jahr ausgibt. Ärgerlich ist dabei auch, dass die BKM dafür erstmalig die Produktion von Games unterstützt, sprich das Spiel für den Nerd im trauten Heim, statt attraktiver Produkte für das kollektive Kinoerlebnis.
Eine Änderung ist auch nicht zu erwarten. Claudia Roth geht bekanntlich davon aus, dass zu viele Filme in Deutschland von zu wenig Menschen gesehen werden. Gregory Theile, Geschäftsführer Kinepolis, untermauerte die Thesen mit Zahlen. Um die 150 deutsche Produktionen würden im Kino deutschlandweit nicht mal 10.000 Zuschauer anziehen.
Roths Parteifreund Michael Sacher, Berichterstatter Filmpolitik für die Fraktion, ging noch einen Schritt weiter: Es würden zu viele Filme gemacht. Eine Schrumpfung der Branche, die mit vielen staatlichen Hilfen durch die Corona-Pandemie gebracht wurde, scheint gewollt zu sein. Intern wird in den Gesprächen mit den Verbänden wohl offen von der Bundesregierung eingestanden, dass nicht alle mitgenommen werden könnten.
Kino steht im Regen
Auch beim Zukunftsprogramm Kino kürzt die Bundesregierung die Mittel. Obwohl die Kinobesitzer gerne 110 Millionen Euro investieren wollen, wie HDF-Vorstandsvorsitzende Christine Berg berichtete. Zwei Drittel der Kinobesitzer seien aber nicht in der Lage, sie alleine zu stemmen und anschließend rezufinanzieren. Nach Rekonstruktion und Modernisierung verzeichnen die Kinos im Durchschnitt 30% mehr Besucher, auch wenn sie höhere Eintrittspreise von bis zu 20 Euro die Karte aufrufen müssen. Der Pferdefuß sei aber, so Gregory Theile, die Gefahr, dass sich Teile der Bevölkerung den Kinobesuch nicht mehr leisten könnten oder wollten. Noch sind die Vor-Corona-Besucherzahlen nicht wieder erreicht. Erschreckend ist vor allem, dass 70% der Deutschen heute gar nicht mehr den Weg ins Filmtheater finden. Vor der Pandemie waren es noch 10% weniger.
Unter dem Strich rückt nicht nur das Ziel des HDF in weite Ferne, 2030 ca. 35 Millionen Tickets für deutsche Filme zu verkaufen. Der deutschen Filmbranche steht ein gewaltiger Schrumpfungsprozess ins Haus, der die schönen Worte der Politik über den Kulturort Kino und den Wert des Films für die demokratische Gesellschaft schal aussehen lassen. Zynisch könnte man dann sagen, vereinigen wir uns doch am heimischen Computer bei einem Game.
Katharina Dockhorn
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