Skip to content

13. Kurdisches Film Festival Berlin eröffnet mit Mystery-Thriller der Berlinale

Ayşe Polats Werk "Im toten Winkel" (In the Blind Spot) aus der Sektion Encounters der 73. Berlinale eröffnet am Freitag im Kino Babylon Berlin das 13. Kurdische Film Festival.



Gerade erst hat die türkische Polizei nach einem Selbstmordanschlag in Ankara am Sonntag fast 1.000 Menschen festgenommen, darunter angeblich viele, die verdächtigt würden, der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) anzugehören. Ihnen wurde illegaler Waffenbesitz oder Waffenschmuggel vorgeworfen.

Zudem hat das türkische Militär erneut eine Luft-Boden-Offensive in Nordsyrien gegen die Kurdenmiliz der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) gestartet, die ein enger Verbündeter der USA im Kampf gegen islamistische Terroristen sind.

Es sind einmal mehr die üblichen Beschuldigungen gegen kurdische Landsleute in der Türkei, die dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan ein Dorn im Auge sind. Viele von ihnen mussten bereits früher das Heimatland fluchtartig verlassen. Zahlreiche von ihnen sind in anderen Ländern untergetaucht, um ein friedfertiges Leben führen zu können.

Ein Großteil von ihnen war aber einst auch als Gastarbeiter angeworben worden. Schätzungen zufolge leben zwischen 500.000 bis 1,5 Millionen Menschen kurdischer Abstammung in Deutschland, zwischen ca. 100.000 und 150.000 Personen davon auch in Berlin.

Genügend also für ein eigenes Filmfestival, das vom 06. - 12. Oktober 2023 ein vielschichtiges Festivalprogramm rund um das kurdische Kino in der Hauptstadt präsentiert. Das Programm vereint traditionelles und zeitgenössisches Filmschaffen aus kurdischer Perspektive über kurdische Realitäten.

Zudem will das kurdische Filmfestival auch anderen Berlinern die Vielfalt kurdischen Lebens und der Kultur sichtbar machen. Zu dem Thema wird es auch eine Lesung geben, in der die kurdischen Menschen im Mittelpunkt stehen, "mit ihren Gefühlen, Ängsten und Hoffnungen“, so Festivalleiter Roj Hajo.


Festival-Fokus dieses Jahr ist die Region Rojhelat, aus der die am 16. September 2023 hingerichtete Iranerin Reyhaneh Jabbari stammt.

Spielstätten in Berlin sind das Kino Babylon Mitte, FSK-Kino am Oranienplatz und das moviemento am Kottbusser Damm.


Eröffnet wird das Film Festival im Kino Babylon am Rosa Luxemburg Platz am 06.10.2023 um 19:00 Uhr mit "IM TOTEN WINKEL" von Regisseurin Ayşe Polat. Der Film war erstmals im Februar 2023 auf der 73. Berlinale in der Sektion »Encounters« gezeigt worden und soll am 4. Januar 2024 regulär in die Kinos kommen.

Hier der Trailer:



Im Mittelpunkt des sensiblen, poetischen Dramas über ein Generationentrauma steht das 7-jährige Mädchen Melek. Sie als einzige sieht, was sich im toten Winkel, einem blinden Fleck im Nordosten der Türkei abgespielt hat, dort wo die Geister einer grausamen Geschichte wohnen, muss sie nun die Bürde dafür tragen.

Eingebettet in einen hochaktuellen, spannenden Mystery-Thriller, der in drei Kapitel gegliedert ist und in verschiedenen Medienformaten gefilmt wurde, erzeugt die kurdische Regisseurin Ayşe Polat eine spannungsgeladene Stimmung, die den Zuschauer mit jeder Minute tiefer in das komplexe Netz aus Verschwörung und Paranoia zieht, in dem jeder jeden überwacht und alles Vertrauen verlorengeht.


Dieser einzigartige Film greift eine Reihe relevanter Themen auf und beleuchtet nicht nur die multiethnische Geschichte des Gebiets, sondern auch die politische Paranoia, die die dort lebende Gesellschaft durchdringt. Wohl kaum kein anderer Film der Reihe „Encounters“ wurde vom Publikum stärker umjubelt. Als ein politisches Statement, aber auch aus Solidarität mit einer leidgeprüften Region, die zuletzt durch ein schweres Erdbeben wieder viele Tote zu beklagen hatte.

Das Kurdische Filmfestival Berlin, veranstaltet von mîtosfilm, ist die größte Veranstaltung zum kurdischen Film in Europa. Das breitgefächerte Programm ermöglicht Einblicke in die Vielfalt der kurdischen Gesellschaft und schafft Raum für persönliche Begegnung und Austausch zwischen Filmschaffenden und dem Berliner Publikum.

Das Festivalprogramm setzt sich aus Kurz-, Dokumentar-, Experimental- und Spielfilmen zusammen, und präsentiert sowohl Werke von kurdischen Filmschaffenden aus kurdischen Regionen und der Diaspora als auch prägnante Werke europäischer Filmschaffender, die sich mit kurdischen Lebensrealitäten beschäftigen.

Darüber hinaus zeigt das Festival mit einer Auswahl prägender Filme eine Hommage an den in Rojhelat-Kurdistan geborenen Regisseur und Drehbuchautor Rahim Zahibi, der 2018 aus unbekannten Gründen zwei Tage nach seiner Freilassung aus iranischer Haft ermordet wurde.

Mit einer weiteren Auswahl prägender Filme würdigt das Festival auch die beiden Filmemacher Ebrahim Saeedi und Taha Karimi, wovon letzterer ebenfalls aus Rojhelat stammt und 2013 bei einem Autounfall ums Leben kam.

In einem Kurzfilmwettbewerb werden ergänzend neue Stimmen des kurdischen Kinos sichtbar gemacht und auf ihrem Weg unterstützt. Unter der Leitung von Regisseurin Binevsa Berivan werden die Schauspielerin Zübeyde Bulut und der Regisseur und Drehbuchautor Mohammed Shaikhow gemeinsam ihre Favoriten des Kurzfilmwettberwerbs auswählen und bei der Abschlussfeier die Siegerfilme ehren.

Rahmenveranstaltungen wie Podiumsdiskussionen, Konzerte, Ausstellungen oder Lesungen ergänzen das Filmprogramm.

Bereits am Donnerstag, den 05. Oktober 2023, zeigt das fsk Kino um 20:00 Uhr im Rahmen des Kurdischen Filmfestivals die Dokumentation "EREN" von Maria Binder über die unbequeme, aber preisgekrönte Menschenrechtsaktivistin Eren Keskin.


Bei dem Event wird Maria Binder zu Gast sein und sich den Fragen des Publikums stellen.

Hier der Trailer:



Eren Keskin stellt das System in Frage, sie stellt sich in Diensten jener, deren Stimme unterdrückt werden soll, setzt sich gegen ein System ein, das auf vielfältige Art Unterdrückungsmechanismen nutzt. Dafür wurde sie schon verhaftet, verklagt und eingesperrt, aber aufhalten kann sie das nicht. Maria Binders Dokumentation wirft einen Blick auf ein Land, an dessen Grundfesten die Anwältin wieder und wieder rüttelt.

Die Menschenrechtsverteidigerin kämpft seit über 30 Jahren in der Türkei für Pressefreiheit und die Rechte von Frauen, LGBTIQ+ sowie andere Minderheiten und setzt sich gegen Folter und staatliche, sexualisierte Gewalt ein. Mehr als 140 Strafverfahren wurden gegen sie eröffnet, aber die Trägerin u.a. des Amnesty Menschenrechtspreises gab nie auf.

Ihr ausgeprägter Sinn für Gerechtigkeit kennt keine Tabus und rüttelt an den Grundfesten des türkischen Staates. Dafür wird Eren Keskin mit absurden Anklagen zur Staatfeindin erklärt. und muss sich selbst verteidigen. In mehr als hundert Strafverfahren droht ihr eine lebenslange Haftstrafe. Seitdem lebt sie in einem Schwebezustand, denn sie weiß nicht, wie viel Zeit ihr noch in Freiheit bleibt. Jeden Augenblick könnte sie für immer hinter Gittern verschwinden.


Link: kurdisches-filmfestival.de
Quelle: Zoom Medienfabrik

Anzeige