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Offener Brief an Claudia Roth: Künstlerisch-kulturelle Ausrichtung der Berlinale im Fokus

Die Initiative Zukunft Kino+Film, zu der acht Filmverbände gehören, fordern Klarheit von Kulturstaatsministerin Claudia Roth zum geplanten Führungswechsel der Berlinale.



Am gestrigen Montag, den 11.09.2023, wurden von der Kulturstaatsministerin Claudia Roth die Namen der Findungskommission für eine neue Intendanz der Berlinale bekannt gegeben.

Dazu gehören Oscar-Preisträger Edward Berger, Regisseur des Films „Im Westen nichts Neues.“, die Geschäftsführerin der Deutschen Filmakademie Anne Leppin, die deutsch-persische Schauspielerin Sara Fazilat, die 2021 als beste Nachwuchsdarstellerin in "Nico" mit dem Bayerischen Filmpreis ausgezeichnet wurde, der Produzent und Geschäftsführer von »Razor Film« Roman Paul, der zudem das Postgraduierten-Programm für junge Produzenten an der Filmakademie Ludwigsburg leitet, sowie Roths Staatssekretär für Medien Florian Graf.

Die Initiative Zukunft Kino+Film, ein Bündnis aus acht Filmverbänden, schaut "mit Sorge auf die Entwicklungen, die es seit einigen Monaten, insbesondere aber in den letzten Tagen, um die Berlinale gegeben hat“, heißt es in einem ebenfalls am Montagabend veröffentlichten offenen Brief.

Das angekündigte Intendanzmodell dürfe nicht bedeuten, dass „künftig weniger Wert auf die kuratorische Arbeit gelegt wird. Der Fokus müsse auf der kulturellen und künstlerischen Bedeutung der Berlinale liegen“, schrieb die Initiative weiter, zu der unter anderem der Bundesverband Regie und der Verband der deutschen Filmkritik gehören. Roth müsse nun schnell klären, wann etwa die neue Position besetzt wird und ob es eine öffentliche Ausschreibung dafür geben wird.


Nachfolgend der Brief im Wortlaut:

Sehr geehrte Frau Staatsministerin, liebe Claudia Roth,

die Berlinale ist das wichtigste Filmfestival Deutschlands mit großer internationaler Ausstrahlung und mit enormer Bedeutung für den deutschen Film. Darüber hinaus vermittelt die Berlinale ihrem diversen Publikum vor Ort das, was wir alle gemeinhin unter Kino verstehen und fördern wollen. Die Berlinale ist für uns wie für viele andere Akteur*innen der Filmkultur unersetzlich, weswegen uns die Zukunft des Festivals ein besonderes Anliegen ist.

Wir schauen mit Sorge auf die Entwicklungen, die es seit einigen Monaten, insbesondere aber in den letzten Tagen, um die Berlinale gegeben hat. Nach dem angekündigten Weggang der jetzigen Geschäftsführerin Mariette Rissenbeek hat nun auch der Künstlerische Leiter Carlo Chatrian, der die Schlüsselposition beim Festival innehat, seinen Rückzug erklärt – als Folge der von Ihnen angekündigten Neustrukturierung der Führungsspitze der Berlinale. Einige Hundert Filmschaffende haben sich mit ihm solidarisch erklärt und gegen Ihren Umgang mit einer international geschätzten und respektierten Persönlichkeit Protest erhoben. Dem schließen wir uns an. Die personalstrukturelle Entscheidung, in Zukunft eine Intendanz und nicht mehr eine Doppelspitze aus Geschäftsführung und künstlerischer Leitung zu implementieren, wirft zudem drängende Fragen auf.

Das Modell einer Intendanz kann auf sehr unterschiedliche Weise ausgefüllt werden. Ein Konzept mit einer nachhaltigen Zukunftsvorstellung ist in jedem Fall unabdingbar. Um einen Rückschritt in vergangene Zeiten auszuschließen, ist es wesentlich, dass künftig in der Leitungsposition der Fokus auf die kulturelle und künstlerische Bedeutung des Festivals und des Mediums Film auf internationaler wie nationaler Ebene gelegt wird. Eine solche Intendanz muss mit Persönlichkeiten besetzt werden, die Expertise in kuratorischer Arbeit vorweisen. Vergleichbare internationale Filmfestivals mit großer Strahlkraft wie Cannes und Venedig werden von Personen mit entsprechendem filmwissenschaftlichen, -kuratorischen und -historischen Wissen geleitet und von einem starken Team unterstützt. Internationale Vernetzung und Reputation in der Filmbranche sind für diese Position von höchster Bedeutung.

Das von Ihnen angekündigte Intendanzmodell darf nicht bedeuten, dass künftig weniger Wert auf die kuratorische Arbeit gelegt wird. Daher fordern wir Sie auf, zügig öffentlich die drängenden Fragen zu klären: Was genau ist unter der vorgesehenen Funktion der Intendanz zu verstehen? In welcher Teamkonstellation wird die neue Intendanz arbeiten und zu welchen Bedingungen? Wird es für die Intendanz eine öffentliche Ausschreibung geben? Wann wird die neue Position besetzt?

Die aktuelle Unsicherheit und die international von über 400 Filmemacher*innen höchster Reputation geäußerte Sorge bezüglich der zukünftigen Ausrichtung der Berlinale muss schnellstmöglich durch ein transparentes, faires und zukunftsorientiertes Verfahren ausgeräumt werden. Essenziell ist dies auch bei der Besetzung der Findungskommission, die aus diversen Vertreter*innen der Filmkultur bestehen muss, nicht ausschließlich aus Mitgliedern und Mitarbeiter*innen einer einzigen Institution.

Gerne stehen wir und unsere Mitglieder für einen konstruktiven Dialog hierzu zur Verfügung.

Ihre Initiative Zukunft Kino+Film

AG Filmfestival
AG Kurzfilm
Bundesverband Regie
Crew United
Hauptverband Cinephilie
VeDRA – Verband für Film- und Fernsehdramaturgie
Verband der deutschen Filmkritik
Zukunft deutscher Film

Es fehlen in der Liste allerdings die Produzentenverbände, die maßgeblich an der deutschen Filmwirtschaft beteiligt sind.

Link: initiative-zukunft-kino-und-film.de


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