Treffen der Filmwelt in Rotterdam
Das 52. International Film Festival Rotterdam (IFFR) beeindruckte vom 25. Jan. – 5. Feb. 2023 mit einem vielfältigen Programm.
Das IFFR, das jährlich Ende Januar in Rotterdam stattfindet, ist das größte Filmfestival in den Niederlanden und zählt zu den wichtigsten in Europa. Das Festival mit dem Tiger als Maskottchen gehört zu den größeren Filmveranstaltungen Europas, ist aber kein A-Festival, wie die Berlinale oder die Festivals von Cannes und Venedig. Dennoch umfasste auch bei der diesjährigen 52. Ausgabe die offizielle Auswahl des Festivals wieder rund mehr als 500 Spielfilme, Langfilme und Kurzfilme aus über 50 Ländern.
Im Flaggschiff-Wettbewerb für aufstrebende Filmtalente, dem IFFR Tigerwettbewerb, präsentierte das Festival 16 Titel. Die Jury vergab drei Preise: den Tiger Award im Wert von 40.000 Euro und zwei Special Jury Awards im Wert von jeweils 10.000 Euro.
Der Hauptpreis ging an den Dokumentarfilm "LE SPECTRE DE BOKO HARAM" (Kamerun, 2023) von Cyrielle Raingou. Hier der Trailer:
Unsere Kollegin Katharina Dockhorn hat das diesjährige Festival besucht.
Hier ihr Bericht:
Hier der Trailer:
Link: iffr.com/en
Das IFFR, das jährlich Ende Januar in Rotterdam stattfindet, ist das größte Filmfestival in den Niederlanden und zählt zu den wichtigsten in Europa. Das Festival mit dem Tiger als Maskottchen gehört zu den größeren Filmveranstaltungen Europas, ist aber kein A-Festival, wie die Berlinale oder die Festivals von Cannes und Venedig. Dennoch umfasste auch bei der diesjährigen 52. Ausgabe die offizielle Auswahl des Festivals wieder rund mehr als 500 Spielfilme, Langfilme und Kurzfilme aus über 50 Ländern.
Im Flaggschiff-Wettbewerb für aufstrebende Filmtalente, dem IFFR Tigerwettbewerb, präsentierte das Festival 16 Titel. Die Jury vergab drei Preise: den Tiger Award im Wert von 40.000 Euro und zwei Special Jury Awards im Wert von jeweils 10.000 Euro.
Der Hauptpreis ging an den Dokumentarfilm "LE SPECTRE DE BOKO HARAM" (Kamerun, 2023) von Cyrielle Raingou. Hier der Trailer:
Synopsis:
Seit 2014 hat die fundamentalistische Terrororganisation Boko Haram brutale Gewaltakte gegen Dörfer und deren Bewohner*innen im Norden Kameruns verübt. In ihrem berührenden Debüt folgt die Filmemacherin Cyrielle Raingou eine Gruppe von Kindern, die versuchen, in diesem Kriegsgebiet zu überleben und so etwas wie Normalität zu finden.
Unsere Kollegin Katharina Dockhorn hat das diesjährige Festival besucht.
Hier ihr Bericht:
Es ist ein Spiel mit Farben, die Oscar-Preisträger Steve Mc Queen in seiner Installation „Sunshine State“ im Rotterdamer Depot Boijmans Van Beuningen präsentiert. Der Regisseur („12 Years a Slave”) verfremdet Ausschnitte aus typischen Hollywood schwarzweiß-Filmen, in den Schwarze und Weiße ihre Plätze hatten, und verfremdet sie auf mehreren Leinwänden gleichzeitig. Er dreht die Konstellation immer wieder um, aus schwarzen Gesichtern und Körpern werden langsam weiße und umgekehrt.
Die Inspiration für dieses Spiel mit Rollen war der Tod seines Vaters, der von den Westindischen Indien nach Florida kam und dort Apfelsinen pflückte. Im Alltag erlebte er den alltäglichen Rassismus. Ein Erlebnis, bei dem Kollegen ums Leben kamen, hat sich so tief in seiner Seele eingebrannt, dass er erst auf dem Sterbebett davon gesprochen hat, erzählt Steve Mc Queen beim Journalistengespräch nach dem Besuch der Installation.
Ehrengast Steve McQueen.
Es ist nicht das erste Mal, dass das Internationale Filmfestival Rotterdam eine filmische Installation des Ausnahmekünstlers zeigt, die dessen Gedanken zur Gleichstellungsdebatte reflektiert. Das niederländische Festival hat sich unter den großen europäischen Festivals seit Jahrzehnten sein Alleinstellungsmerkmal als Entdeckungsplattform für neue Erzählformate, die Grenzen der Genres durchbrechen, sowie für Filme aus Asien, Afrika und Lateinamerika gesichert. Insofern ist es konsequent, dass die in diesem Jahr verliehenen Tiger in diesen Regionen ihre neue Heimat finden.
Tiger nach Kamerun und Sri Lanka.
An „Le Spectre de Boko Haram” der Kameruner Regiedebütantin Cyrielle Raingou ging der mit 40.000 Euro dotierte Tiger Award. Einfühlsam zeigt er den Alltag von Kindern aus einem staubigen, abgelegenen Dorf. Die Eltern versuchen, sich mit der Gefahr, die von der Terrororganisation ausgeht, zu arrangieren. Was natürlich Auswirkungen auf die Entfaltungsmöglichkeiten der Heranwachsenden hat.
Einer der mit 10.000 Euro dotierten Spezialpreise der Jury ging nach Sri Lanka, an „Munnel“ des Menschenrechtsaktivsten, Anwalts und Künstlers Visakesa Chandrasekaram. Er erforscht in seinem Zeitdokument einfühlsam die Spuren, die der jahrzehntelange Bürgerkrieg in seiner Heimat in den Seelen der Menschen hinterließ.
Auch Deutschland kann sich indirekt über einen Preis freuen. Der VPRO Big Screen Award geht an „Endless Border“ von Abbas Amin, eine Koproduktion mit Tschechien und dem Iran. Bei der Auszeichnung für die Geschichte eines Lehrers, der in einem kleinen iranischen Dorf an der Grenze zu Afghanistan mit den Vorurteilen seiner Landsleute gegenüber Flüchtlingen konfrontiert wird, würdige Produzent Farzad Pak die Freilassung von Jafar Pahani aus dem Gefängnis der Mullahs. Er widmete den Preis aber allen Frauen, die ihre durch Verfolgung, Flucht und Vertreibung getöteten Angehörigen beweinen.
Gefeierter Axel Ranisch.
Pahanis „No bears“ lief ebenfalls in Rotterdam, kam aber beim Publikum schlechter an als „Orphea in Love“ von Axel Ranisch. Der Regisseur uns seine Darsteller Christina Große und Heiko Pinkowski wurden bei allen Vorstellungen gefeiert. Bei der Abstimmung um den Publikumspreis, bei dem jeder Zuschauer eine Note von eins bis fünf vergeben kann, landeten sie auf dem dritten Platz. Nur ein Zehntel fehlte zum Sieg. Und nebenbei fragt sich der Betrachter dieser zauberhaften Version des Mythos von Orpheus und Euridike als moderne, romantische Großstadt-Love-Story, wo die Voter der Deutschen Filmakademie bei den Nominierungen für die Lola ihre Augen hatten, als sie das grandiose Klassik-Musical übersahen.
Hier der Trailer:
Bestechende Festivalatmosphäre.
Die Abstimmung über den Publikumspreis lief ebenso wie der Kartenverkauf elektronisch. Die Organisation war perfekt – insgesamt setzte sich nach zwei Jahren Corona-Pause mit Online-Editionen der Eindruck fest, Rotterdam ist ein Festival, wie es Berlin gerne sein möchte. Die Einführung des „Encounter“-Wettbewerbs in Berlin hatte sicher Einfluss darauf, dass das Programm in Rotterdam sich noch stärker für Experimente und neue Namen aus aller Welt öffnen musste. Was zu etlichen lohnenswerten Entdeckungen führte.
Zum anderen ist Rotterdam das Festival, von dem die Verantwortlichen der Berlinale in den 1990-er Jahren träumten. Alle modernen Kinos liegen in der Innenstadt und sind auf kurzen Weg zu Fuß zu erreichen. Dort erwartet den Zuschauer eine andere Kinokultur – statt Fast Food und süßlichen Erfrischungsgetränken laden gemütliche Cafés in den Foyers der Multiplexe zu gepflegten Gesprächen vor und nach der Vorstellung ein. Die Dispute mit den Filmemachern und der Branchenvertreter untereinander können dann im Festivalcenter De Doelen fortgesetzt werden, das auf mehreren Etagen zu normalen Preisen kulinarische Angebote bereithält. Und ausreichend Platz, damit jeder ins Gespräch kommen kann.
Katharina Dockhorn
Link: iffr.com/en