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BARDO, BLACK MAMBAS und weitere Filmbesprechungen in der 46 KW 2022

Ein Meisterwerk, dokumentarisches sowie eine Komödie und ein Musikbiopic stehen heute im Mittelpunkt unserer Filmbesprechungen.



"BARDO, die erfundene Chronik einer Handvoll Wahrheiten" Dramödie von Alejandro González Iñárritu (Mexiko, 2022; 160 Min.) Mit Daniel Giménez Cacho, Griselda Siciliani, Ximena Lamadrid u.a. seit 17. November 2022 im Kino. Hier der Trailer:



Unsere Kurzkritik:

Mit Alejandro González Iñárritus neuem Film "BARDO" liefert der mexikanische Regisseur acht Jahre nach seinem verstörenden "BIRDMAN" ein visionäres Werk ab, das zum Teil eine Mischung aus Paolo Sorrentinos "La Grande Bellezza" (2013) und Terrence Malicks "The Tree of Life" (2011) darstellt, aber politisch viel tiefer auf aktuelle Themen eingeht und zu Differenzen zwischen seinem Land und den USA sehr genau Bezug nimmt.

Wo sind Gemeinsamkeiten zwischen den sehr unterschiedlichen Werken zu suchen? Alle drei Regisseure wurden mit Oscars ausgezeichnet. In allen drei Filmen steht eine Person im Mittelpunkt, deren existenziellen Fragen des Lebens abgehandelt wird.

Bei Sorrentino ist es ein bekannter Kulturjournalist, der nach spirituellen Antworten auf seine Fragen sucht. Auch bei Bardo - übrigens eine Bezeichnung, die aus dem des tibetischen Buddhismus kommt und mögliche Veränderungen der Bewusstseinszustände beschreibt - ist es der Filmemacher selbst, zwar in Form einer anderen Gestalt, aber ebenfalls als bekannter Journalist in der Öffentlichkeit, der auf seiner Sinnsuche durch surreale Bilderwelten irrt.

Auf einer Party steht der Protagonist im Mittelpunkt und weiß nicht wie im geschieht. Eine Szene, die starke Ähnlichkeit mit der Anfangsszene aus "La Grande Bellezza" hat, in der ebenfalls der Hauptdarsteller fast eine Viertelstunde lang in eine Party gesogen wird, die er einerseits genießt, aber sich dennoch darin verliert.

Wabernde Lichterscheinung wie sie Terrence Malick gerne benutzt, treten zwar bei Iñárritu so nicht auf, dafür aber steht das Bild mal auf dem Kopf, oder verändert seinen Zustand, der nicht mehr als real zu bezeichnen ist. Für den Zuschauer gleichsam eine wahre Bildorgie, die einerseits durch irrationale Aktionen angereichert wird, andererseits einen aber stets danach zurück in die Realität katapultiert.

Wir mögen diese Bilderwelten, die dem Zuschauer eine Kinotraumwelt vorgaukeln, zugleich aber einen Bezug zur Wirklichkeit andeuten.

W.F.


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"BLACK MAMBAS" Dokumentarfilm von Léna Karbe über eine weibliche Anti-Wilderei-Einheit im Kruger Nationalpark (Deutschland / Frankreich, 2022; 81 Min.) Nach einer ersten Preview des Werkes in diversen Städten ist die Doku seit 17.11.22 offiziell im Kino zu sehen. In Berlin findet die Premiere in Anwesenheit der Regisseurin statt am 21.11.22 im BROTFABRIK Kino, 18:00 Uhr; am 22.11.22 im LICHTBLICK KINO 18:00 Uhr und am 23.11.22 im ACUD Kino 19:00 Uhr. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

21 Nächte im Stück patrouilliert die weibliche Anti-Wilderei-Einheit "Black Mambas" im Kruger Nationalpark, einer der beliebtesten touristischen Attraktionen Südafrikas.

Sie wurden ausgebildet gegen die Wilderer vorzugehen, um die Tiere zu schützen. Sie tragen eine Uniform, sowie Soldaten und verdienen ihr eigenes Geld. Sie sind nachts unterwegs und ihr morgendlicher Rundgang beträgt sieben Kilometer.

Viele Wilderer töten die Tiere, weil sie nichts zu essen haben. Sie legen Fallen aus. Nicht mal ein Elefant kann sich daraus befreien, wenn es ihn trifft. Die Frauen tragen keine Waffen mit sich, lernen aber die verschiedenen Kaliber zu unterscheiden.

Für die Frauen ist die Arbeit ein Weg, um aus der Armut heruszukommen und ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Andererseits stellt ihre Arbeit auch einen Bruch mit den vorherrschenden Traditionen dar.

"Black Mambas" zeigt die alltäglichen Kämpfe, die die südafrikanischen Frauen mit weißen Vorgesetzten haben, wie sie unter der dreiwöchigen Trennung ihrer Kinder leiden und auf ihre meistens arbeitslosen Männer angewiesen sind, die sich in ihrer Abwesenheit um die Kinder kümmern müssen. Der Dokumentarfilm erzählt von ihrer Arbeit, dem Schutz der letzten Nashörner und den Erhalt der Artenvielfalt in einer noch herrlichen Landschaft. Besonders aktuell ist die Schuppentier-Wilderei.

Eine der Frauen: „Ich mache diesen Job, damit meine Kinder später sagen können, daß ihre Mutter sie versorgt hat.“

Zwei von den Frauen werden ausgesucht, eine weiterführende Ausbildung zu machen, verdienen aber in der Zeit kein Geld. Ihre Brüder haben noch nie gearbeitet, erzählt eine von ihnen. Sie ist die Ernährerin der Familie, das bedeutet, was machen wir, wenn die Mambas nicht mehr gebraucht werden? „Die Weißen behaupten zwar Tiere zu lieben, dabei lieben sie nur das Geld.“

„Der erste lange preisgekrönte Dokumentarfilm der deutschen Regisseurin Lena Karbe beschränkt sich nicht nur darauf, die Notwendigkeit des Wildtierschutzes im Kruger Nationalpark zu betonen. (…) Karbe aber beleuchtet auch streiflichtartig ein tiefliegendes Problem dieses Arbeitsverhältnisses, in dem die Hautfarbe wie zur Kolonialzeit darüber zu bestimmen scheint, wer Befehle erteilt und wer sie entgegen nimmt.“ (Kinozeit.de)

Regisseurin: Lena Karbe gründete während ihrer Studienzeit an der Hochschule für Film und Fernsehen München die Produktionsfirma Karbe Film. Ihre Projekte handeln vor allem von gesellschaftlichen Machtstrukturen und Dynamiken, mit Fokus auf Rollenbilder und Identitäten von Frauen und Kindern.

Ulrike Schirm


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"EINFACH MAL WAS SCHÖNES" romantische Komödie von Karoline Herfurth (Deutschland, 2022; 116 Min.) Mit Nora Tschirner, Milena Tscharntke, Jasmin Shakeri, Aaron Altaras, Ulrike Kriener, Herbert Knaup u.a. seit 17. November 2022 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:
(Eine Frau möchte ein Kind haben, hat aber noch nicht den richtigen Mann gefunden. Was für eine Herausforderung)

„Sometimes is hard to be a woman…..“

Radiomoderatorin Karla (Karoline Herfurth) teilt das Schicksal vieler Frauen. Sie steht kurz vor ihrem vierzigsten Geburtstag, hat bisher nicht den richtigen Mann gefunden, mit dem sie eine Familie gründen kann, gerät von einer Beziehung in die andere und das Ticken ihrer biologischen Uhr wird immer lauter. „Kann ich was dafür, wenn da draußen nur Arschlöcher herumlaufen.“

Und da sie unbedingt endlich ein Kind haben will, beschließt sie alleine ein Kind zu bekommen auch wenn damit der Weg zu einer Samenbank verbunden ist. Eine künstliche Befruchtung? Das findet ihre Freundin Senay (Jasmin Shakeri gar nicht gut. „Das machst du schon, selbst mit irgendeinem Pimmel.“

Womit Karla auch nicht gerechnet hat, ihre Familie ist von dieser Idee überhaupt nicht begeistert. Auch da ist nicht alles Gold, was glänzt. Ihre Schwester Jule (Nora Tschirner), die von Mann und Kindern genervt ist, die andere Schwester Johanna (Milena Tscharntke), die ihre Freundin heiraten will und eine perfekte Traumhochzeit plant, zu der auch die geschiedenen Eltern (Ulrike Kriener, Herbert Knaup) kommen sollen. Keine gute Idee.

Der Vater heiratet eine neue Frau und die Mutter hängt an der Flasche vor lauter Gram und Wut. Ausgerechnet bei der Hochzeit ihres Vaters sieht Karla ihren Freund wieder, mit dem sie drei Jahre lang versucht hat schwanger zu werden und der mit einer anderen auftaucht, die schwanger ist. Dann muss sich Karla auch noch von ihren Schwestern anhören, dass sie nicht fähig sei, ihr Leben auf die Reihe zu kriegen.

Als Karla dann auch noch auf den 28-jährigen Pfleger Ole (Aaron Altaras) trifft, ist das Gefühlschaos perfekt. Sie verliebt sich in ihn und er sich in sie. Von ihrem Kinderwunsch erzählt sie ihm nichts. Es kann ja durchaus sein, dass er in ein paar Jahren selber Kinder haben will, dann ist es für sie zu spät und er sucht sich eine jüngere Frau und sie ist wieder allein. Dann erfährt er versehentlich doch davon.

Nach ihrem Regiedebüt „SMS für dich“ (2016) folgte 2019 „Sweathearts“, 2021 „Wunderschön“ und nun „Einfach mal was Schönes“, wo sie wieder die Hauptrolle spielt, wieder Regie macht und das Co-Drehbuch schreibt.

Ihr Wunsch ist es, mit ihren Filmen, Menschen zum Nachdenken anzuregen. Und dafür hat sie wieder ein tolles Team gefunden. Der Grundgedanke ihrer Geschichte ist: „Es ist nie zu spät, seinen Träumen nachzugehen“. Ihr Kinderwunsch steht im Mittelpunkt. Es gelingt ihr spielend zwischen humorvollen, lustigen und emotionalen Momenten zu wechseln und das macht sie auf eine bewundernswerte natürliche Art und Weise, die im deutschen Schauspiel relativ selten ist. Ulrike Kriener sorgt in ihrer Rolle für für gute Laune, versetzt mit einer Prise Tragik.

Ulrike Schirm


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"HALLELUJAH: Leonard Cohen, A Journey, A Song" Musikportrait, eine Dokumentation von Daniel Geller & Dayna Goldfine (USA, 2022; 118 Min.) Seit 17. November 2022 im Kino.

Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik: UPDATE

Der Dichter und Romanautor Leonard Cohen, der aus einer wohlhabenden jüdischen Familie stammt, startete seine Karriere erst im Alter von 32 Jahren. Davor behauptete er, dass er weder singen noch Gitarre spielen könne.

1967 New York City. Judy Collins sang mit ihm zusammen „Suzanne“. Er war total nervös, verließ die Bühne, kam aber wieder zurück und wurde danach berühmt. Er konnte keine Noten lesen, schrieb aber total poetische Texte. Ihm schwebte vor, ein reifer Mann zu werden, der in seinen Songs von seinem Leben berichtet. Ihn beschäftigte besonders, die Fragen des Lebens zu lösen. Obwohl er sehr komfortabel lebte, verlor er nicht aus den Augen, wieviel Leid es auf der Welt gibt.

1967 kam sein Album SONGS OF LEONARD COHEN heraus. Es folgte SONGS OF LOVE AND HATE. Auf keinen Fall wollte er sich auf seinen Alben wiederholen. Es gibt Leute, die sagen, seine Songs haben eine filmische Qualität.

Paris 1962. Cohen schrieb etwa zwei Jahre an seinem Song „Hallelujah“. Dem Autor Larry 'Ratso' Sloman, Reporter beim amerikanischen Rolling Stone Magazin in den 1970er Jahren, kam es vor, als hätte der Song 180 Strophen. Er schrieb immer wieder neue Verse.

„Coumbia Records“ wollte sein dazugehöriges Album „Various Positions“ nicht. Der CEO von Columbia sagte ihm ins Gesicht: „Du bist zwar großartig, aber wir wissen nicht, ob du etwas taugst.“ Auch sein Anzug wurde kritisiert. Ein Album, das bereits bezahlt wurde abzulehnen, kommt höchst selten vor. So ging HALLELUJA erst einmal unter.

Dann sang Bob Dylan den Song. Sie trafen sich in einem Café in Paris. Über viele Umwege wurde HALLELUJAH zu einem Hit. Gecovert wurde er von John Cale, der sich die frechen Strophen heraus pickte. Er hörte ihn im Beacon Theatre in N.Y. und war begeistert. Er ist Mitbegründer von „The Velvet Underground“. Alle dachten, es sei Jeff Buckley, der den Song sang. Später sang Buckley die Version von Cale. „Hallelujah“ ist ein Lied, welches total offen ist für verschiedene Interpretationen. Jeff hat den Song ziemlich offen sexuell interpretiert und machte sich damit angreifbar. Er beendete fast alle seine Konzerte mit diesem Lied.

2001 wurde der Song durch den Kinofilm „Shrek“ zum Bestseller. Alles Unanständige wurde weggelassen. Inzwischen hat sich „Hallelujah“ weltweit verbreitet. Keine Casting – Show ohne seine Interpretation. Auf Hochzeiten und Trauerfeiern wird es gerne gesungen, eine Hymne, ein Versprechen, ein Song, der inzwischen ein Eigenleben führt. Egal, was man glaubt. Irgendetwas trifft auf jeden zu. Auch sehr beliebt bei Straßenmusikanten.

Daniel Geller und Dayana Goldfine konzentrieren sich in ihrem Portrait auf die Erfolgsgeschichte dieses unsterblichen Songs. Ihr Dank geht an Robert Kory,Trustee of the Leonard Cohen Family Trust und Cohens Manager seit 2004, für das reichhaltige Material. Cohens Leben bildet den Rahmen für die unglaubliche Geschichte dieses Songs.

Nach seinem Klosteraufenthalt, begann für den fast 70jährigen Cohen eine intensive Schaffensphase. Seine früheren Depressionen sind gänzlich verschwunden. Er bat Sharon Robinson, Songs mit ihm zu schreiben. Doch dann passiert es, daß seine Assistentin und Geschäftsführerin all sein Geld, seine Rücklagen, alles gestohlen hat. Also ging der 70-. jährige wieder auf Tour. Erst in kleinen Sälen, dann wurden sie größer und größer. Bis zu 3 Stunden stand der fast 80-jährige auf der Bühne. Er ging auf die Knie und sang HALLELUJAH. Wenn er sang, meinte man in einer Kirche zu sein.

Der Film beginnt mit einer Szene von seinem letzten Auftritt am 21. Dezember 2013 wo er auf die Knie sinkt und es ertönt HALLELUJAH. Er starb am 7. November 2016 in Los Angeles.

„HALLELUJAH: LEONARD COHEN, A JOURNEY, A SONG wirft tiefgründige Fragen zu Religion, Glauben, Skeptizismus und zu denjenigen psychologischen und religiösen Konstanten in unserem Leben auf, die uns ebenso eine Stütze sein können, wie sie uns hindern, uns selbst zu entfalten-unser ganzes Leben lang. Oder wie Cohen es ausdrücken würde: „The broken Hallelujah.“ (Regiestatement)

Ulrike Schirm


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