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ZEBRA Poetry Film Festival Berlin sowie zwei Filmkritiken zu aktuellen Kinostarts

Berlin wird wieder zum Zentrum des Poesiefilms und präsentiert vom 3. - 6. November 2022 die 13. Ausgabe des ZEBRA Poetry Film Festivals.



Seit 2002 präsentiert das Zebra Poetry Film Festival den aktuellen Stand eines dynamischen Kurzfilmgenres zwischen Poesie, Film und Neuen Medien.

Das Festival war die erste und ist die größte internationale Plattform für Kurzfilme, die sich inhaltlich, ästhetisch oder formal mit Gedichten auseinandersetzt. Es bietet Dichtern, Filme- und Festivalmachern einen breiten Platz zur Begegnung mit dem Publikum und zum Ideen- und Erfahrungsaustausch. Mit Medienkunstausstellungen, Dichterlesungen und Performances schafft es neue Anregungen und Inspirationen, in Kolloquien werden ästhetische Fragestellungen diskutiert, und Retrospektiven, Vorträge und Filmprogramme mit verschiedenen Schwerpunkten ergänzen den Wettbewerb um die besten Poesiefilme aus der ganzen Welt.

Fokus 2022 auf die Ukraine

Im Jahr 2022 wird der Fokus des Festivals auf die Ukraine gerichtet. Ukrainische sowie deutsch- und mehrsprachige Dichter:innen, Übersetzer:innen, Filmautor:innen und -künstler:innen machen aktuelle Poesie und Poesiefilm-Produktion aus der Ukraine sichtbar. Auch über den Länderfokus hinaus präsentiert das Festival Texte und Poesiefilme zum Themen rund um Krieg, Flucht, Vertreibung und Migration. Ebenfalls geplant ist eine Retrospektive auf das Schaffen der 1917 in Kiew geborenen Poesiefilm-Pionierin Maya Deren.

Nach einer Zwischenstation in der URANIA im letzten Jahr, kehrt die diesjährige 13. Ausgabe zurück ins Haus für Poesie und präsentiert vom 3. - 6. November 2022 auch im Kino in der Kulturbrauerei Berlin den Poesiefilm in all seinen Facetten.

Darüber hinaus lässt eine Meisterklasse hinter die Kulissen der Poesiefilmproduktion blicken und ein Kolloquium diskutiert Poesie als Bewältigungsstrategie vor dem Hintergrund von Krieg und Flucht.

Rund 1200 Filme aus 95 Ländern wurden in diesem Jahr eingereicht. Davon nominierte die Programmkommission 25 Filme für den Wettbewerb. Eine aus Film-, Lyrik- und Medienexpert:innen zusammengesetzte Jury kürt bei der Preisverleihung am 6. November 2022 die Gewinner:innenfilme.

Zudem wird der beste Poesiefilm für Kinder mit dem ZEBRino-Publikumspreis ausgezeichnet. Das ZEBRino Poesiefilmfestival für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene fand bereits vom 17. – 23. Oktober 2022 statt.

HAUS für POESIE
c/o Literaturbrücke Berlin e. V.
Trägerverein Haus für Poesie inklusive der Projekte poesiefestival berlin, lyrikline, ZEBRA Poetry Film Festival
Knaackstr. 97
10435 Berlin
auf dem Gelände der Kulturbrauerei Berlin

Link: www.zebrapoetryfilm.org

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"RHEINGOLD" Biopic Gangster-Drama von Fatih Akin, basierend auf der Autobiografie des Gangsterrappers Xatar. (Deutschland / Italien / Niederlande, 140 Min.) Mit Emilio Sakraya, Mona Pirzard, Kardo Razzazi seit 27. Oktober 2022 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

In seinem neuen Film „Rheingold“ nimmt sich Regisseur Fatih Akin den Gangster-Rapper Xatar vor. Sein Film basiert auf der 2015 veröffentlichen Autobiografie „Alles oder Nix“ benannt nach seinem HipHop-Label, das er 2007 gründete. Doch bevor er überhaupt als Rapper berühmt wurde, sammelte Giwar Hajabi, so lautet sein Geburtsname, ein beträchtliches Strafregister an, von Kleinstkriminalität, Drogenhandel, bis hin zu einem spektakulären Goldraub.

Akin geht es in dieser spannenden Milieustudie um Lebenswirrungen-und Irrungen und wie man es dennoch schafft, aus seinem Leben etwas zu machen.

Giwar stammt aus einer wohlhabenden kurdischen Familie, wohnhaft im Iran. Sein Vater ist ein bekannter Musikprofessor und Komponist, Eghbal Hajabi. Anfang der 1980er Jahre flüchten seine Eltern mit dem dreijährigen Giwar in den Irak. Sicher sind sie dort nicht. Man hält sie für iranische Spione. Sie landen im Gefängnis in dem die Mutter gefoltert wird.

Giwars erste Erinnerung an das Leben ist das Gefängnis.

Durch den Einsatz des Roten Kreuzes, gelingt es der Familie über Paris als Asylbewerber in der damaligen deutschen Hauptstadt Bonn, in einer Wohnung in einem Sozialbau unterzukommen, gelegen in einem Ghetto. Auf keinen Fall will der junge Giwar zu denen gehören, die verprügelt und verhöhnt werden. Ihn interessieren Ruhm und Geld. Er beginnt ein Boxtraining um zu lernen, sich bestmöglich zu verteidigen und nennt sich von nun an Xatar (Kampf). Seine Mutter muss putzen gehen, um seine Klavierstunden zu bezahlen. Sein Vater hatte nicht die nötige Geduld mit ihm. Er schrie ihn an, wenn etwas nicht sofort funktionierte. Es dauert nicht lange und sein Vater packt die Koffer und verlässt die Familie. Seine Schwester Shirin arbeitet in einem Supermarkt.

Es dauert nicht lange und Giwar arbeitet mit einem Drogenkartell zusammen. Für ihn bedeutet das, er hat sich nach oben geboxt. Durch einen Auffahrunfall wird eine Ladung Liquid Kokain beschädigt und er bekommt kalte Füße. Jetzt muss er dem Kartell den Verlust ersetzen. Er und seine Kumpanen planen einen Raubüberfall bei dem sie sich als Polizisten der Steuerfahndung ausgeben. Im Visier ein Händler in Stuttgart, der Zahngold ankauft. Es geht so um 100 Kilogramm Gold.

Der Überfall gelingt. Er und seine Komplizen werden weltweit gesucht. 2010 landet er auf der Flucht nach dem Überfall in Syrien im Gefängnis, wo er gefoltert wird. Sogar bis hierhin hat sich seine skrupellose Tat herumgesprochen. Auch die syrischen Behörden sind brennend daran interessiert, wo das Gold versteckt ist. Er wird abgeschoben und muss in Deutschland eine langjährige Haft antreten.

Hier beginnt er heimlich des nachts unter der Decke mit einem Diktiergerät zu rappen und schickt seine Songtexte nach draußen. So entsteht sein Album Nr.451, benannt nach seiner Gefangenennummer. Hört man sich jetzt Songtitel wie „Knast oder Kugel“ oder „Wenn ich rauskomm“ oder „Interpol.com“ oder „Morgen wird es besser“ an, versteht man die bittere Realität seiner Texte erst so richtig. Er ist längst nicht mehr aus der Hip-Hop-Szene wegzudenken. Er hat eigene Labels gegründet, hat die Rapperin Schwesta Ewa gefördert, die auch eine kriminelle Vergangenheit hat und steht mit drei seiner Alben in den Charts auf Platz 1. Er ist ein wahrhaftiger Gangster-Rapper, so wie seine amerikanischen Kollegen. Mit Emilio Sakraya hat Akin einen glaubwürdigen Darsteller gefunden. Er hat für seine Rolle zugenommen, sich eine Glatze rasieren lassen und zeigt, dass er zu den talentiertesten Schauspielern seiner Generation gehört. („Meine teuflisch gute Freundin“, „Die Rettung der Welt“, „Kalte Füße“, „Rock my Heart“.) Akin hat den Film seinem 2021 verstorbenen Vater gewidmet.

Es passt, denn Giwar leidet unter dem Bruch mit dem Vater, der ihn verlassen hat, was einen tiefen Schmerz bei ihm hinterließ.

Noch immer steht die Frage im Raum, wo sich der versteckte Goldschatz befindet.

Sein Aufstieg ist schon faszinierend. Dennoch bleibt ein mulmiges Gefühl zurück. Besonders, wenn man ihn in seiner protzigen Wohnung, mit Goldkette um den Hals sieht. Entweder räumt man mit seinen Vorurteilen auf, nach dem Motto: Jeder hat eine zweite Chance verdient“, oder man gehört zu denen, die steif und fest behaupten: „Einmal kriminell, immer kriminell.“ Das muss jeder für sich entscheiden.

Ulrike Schirm


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"SCHWEIGEND STEHT DER WALD" Krimi-Thriller von Saralisa Volm über ein dunkles Geheimnis, das bis in die Nazizeit reicht, begangen in einem oberpfälzischem Dorf, und jetzt ans Tageslicht kommt. (Deutschland / Österreich, 94 Min.) Mit Wolfram Fleischhauer, Wolfram Fleischhauer seit 27. Oktober 2022 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

1999 kehrt die junge Forststudentin Anja Grimm (Henriette Confurius) in die Oberpfalz zurück, um den Wald zu kartieren, in dem ihr Vater 1970 plötzlich auf einer Wanderung spurlos verschwunden ist. Sie nimmt Bodenproben des Waldes, auch da, wo sie eigentlich nicht herumstochern soll. Das hat Folgen.

Sie spürt schnell, dass ihre Arbeit nicht gern gesehen wird. Ein Typ mit einem Gewehr taucht auf und bedroht sie. Es handelt sich bei ihm um Xaver Leibach gegen den sie damals eine Anzeige wegen Mordes an ihrem Vater erstattet hat. „Die Stinkf….muss weg“, brüllt der pensionierte Kommissar (August Zirner), der unbedingt verhindern will, dass die Wahrheit ans Licht kommt. Hinzu kommt, dass der Neffe von Xaver, Rupert Gollas (Noah Saavedra) wegen finanzieller Knappheit aus dem Waldstück, in dem Anja gräbt, einen Märchenwald anlegen will, um den Tourismus anzulocken. Besagter Leibach erschlägt genau jetzt seine Mutter mit einem Spaten und nimmt sich in der Psychatrie das Leben.

Schicht für Schicht trägt Anja den Waldboden ab, entdeckt merkwürdige Unregelmäßigkeiten und kommt nach und nach einem düsteren Geheimnis auf die Spur. Man versteht, warum der Ortskommissar unbedingt will, dass sie so schnell wie möglich verschwindet. Sein Sohn (Robert Stadlober), der auch Polizist ist, ahnt Böses.

In ihrem Spielfilmdebüt setzt sich Saralisa Volm mit dem Mythos Wald auseinander. Beeindruckende Drohnenaufnahmen zeigen Bilder eines düsteren Waldes, mystisch und undurchdringlich, ein Ort, dessen übles Geheimnis bis in die Nazizeit reicht.

Alle im Dorf wissen Bescheid aber alle schweigen. Auch die jungen Leute, wie der Sohn des Kommissars. Hauptsache die eigene Schuld wird verdrängt.

Ein düsteres Märchen, nicht ohne Grund heißt die akribisch grabende Studentin Grimm mit Nachnamen und gleichzeitig eine atmosphärisch dichte Kriminalgeschichte aus der bayrischen Provinz, basierend auf der Romanvorlage von Wolfram Fleischauer mit einem bösen Ausgang.

Ulrike Schirm


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