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Die Preisträger und Preisträgerinnen der 45. DUISBURGER FILMWOCHE

3sat begleitete df45 live im Fernsehen und in der Mediathek mit vier ausgesuchten Beiträgen aus den letzten Jahren.



Nach fünf Tagen des gemeinsamen Sehens und Sprechens haben die Jurys der 45. Duisburger Filmwoche gestern Abend, den 14. November 2021, über die Vergabe der fünf Auszeichnungen im Gesamtwert von 23.000 Euro entschieden. Dabei wurde zuvor vom 10. - 14.11.2021 über 16 Dokumentarfilme aus Deutschland, Österreich und der Schweiz leidenschaftlich diskutiert.

Festival-Kurator Alexander Scholz resümiert: „Die Duisburger Filmwoche war in diesem Jahr wieder ein ideenreicher Ort des gemeinsamen Handelns. Diejenigen, die dort waren, haben mit Gewinn geschaut, zugehört und sich am Gespräch beteiligt."


Der 3sat-Dokumentarfilmpreis geht an
"Girls | Museum"
von Shelly Silver | DE 2020 | 71 Min.

Synopsis:
Mädchen im Museum. Sie sehen denkende Männer, posierende Frauen, vor allem: Brüste. Eine Collage aus Blicken und Gegenblicken, Details und Totalen, Fragmentierungen und Neuzusammensetzungen, die dem Unbehagen über die einseitige Repräsentation eine Vielstimmigkeit entgegensetzt.

Begründung der Jury:
Fünfzehn Mädchen kommentieren Kunstwerke aus fünf Jahrhunderten. Grimmige Männer, halbnackte Frauen – Gewalt, Macht, Begehren, Verführung, Unschuld. Die Idee ist simpel: Die Mädchen vermitteln die Kunst und lenken unseren Blick. Der Film dokumentiert diesen Prozess. Die Mädchen haben individuelle Zugänge zur Darstellung von Männlichkeit und Weiblichkeit und reagieren jeweils anders auf die Macht der Bilder. Dabei artikulieren sie auch ihre eigenen Geschichten. Die Mädchen sind zwischen sieben und neunzehn. Ihre Interaktion wird auch dadurch zu einer feministischen Auseinandersetzung mit tradierten Körper- und Rollenbildern, weil sie aus der Perspektive der weiblichen Adoleszenz auf die Bilder blicken. Über Kadrierung, Rhythmus und Montage findet der Film eine Form, die uns an diesem Prozess teilhaben lässt. Für uns war das eine verblüffende, aufregende und erkenntnisreiche Erfahrung.

Shelly Silver gelingt mit GIRLS I MUSEUM eine sensible und hochkomplexe Auseinandersetzung mit Hierarchien, die eingeschrieben sind in die Kunst, ihre Betrachtung und ihre Vermittlung.


Der ARTE-Dokumentarfilmpreis geht an
"Uncomfortably Comfortable"
von Maria Petschnig | USA, AT 2021 | 72 Min.

Synopsis:
Routinen des Überlebens: Duschen im Gym, Jobben im Lagerhaus, Schlafen im Jeep. Nach 17 Jahren Gefängnis hat sich Marc von allen Abhängigkeiten gelöst. Keine Beziehung, keine Wohnung. Ein Jahr lang begleitet die Filmemacherin den 58-Jährigen in Brooklyn und überlässt ihm dabei das Regime über Zeit, Nähe und Distanz.

Begründung der Jury:
Ein begrenzter Raum, in dem der Blick zwangsläufig nach vorne geht. In ihm treffen zwei Menschen aufeinander, deren Lebensumstände unterschiedlicher nicht sein könnten.

„Für dich ist es ein Projekt, für mich ist es mein Leben“ sagt Marc Thompson. Der afroamerikanische Mann ist wohnungslos und lebt seit einiger Zeit in seinem Auto in den Straßen von New York. Maria Petschnig ist Filmemacherin, weiß und wohnt in Brooklyn. Aus dieser asymmetrischen Situation entsteht die Abmachung für einen Film.

„Uncomfortably Comfortable“ zeigt den Protagonisten bei seinen alltäglichen Abläufen, denen er so organisiert, bedacht wie würdevoll nachgeht. Dabei wird in der gegenseitigen Annäherung das Verhältnis von Nähe und Distanz stetig neu definiert.

Thompson lässt die Filmemacherin in seine Welt hinein, sie wiederum gibt ihm den Raum, die Erzählung seines scheinbar selbstgewählten Nomadentums zu formulieren. Persönliche Schicksalsschläge und Erfahrungen mit alltäglichem Rassismus und Polizeigewalt werden dabei nicht zu einfachen sozialen Erklärungsmustern für ein Leben am Rande der Gesellschaft. Vielmehr sind sie Teil eines vielschichtigen Portraits.

Die Distanz, die essentiell ist als schwankender Grund, auf dem Begegnung vielleicht möglich ist, übersetzt Petschnig gekonnt in eine filmische Form. Ein bewusster Umgang mit totalen Einstellungen, fragmentierten Nahen, die punktuelle Konzentration auf die akustische Erzählung und die Präzision in der Montage ermöglichen einen gleichsam affizierten wie reflektierten Zugang zum Film.

Aus der zufälligen Begegnung wird eine gemeinsame Bewegung, aus dem anfänglichen Filmprojekt eine geteilte Erfahrung, die uns in ihrer Dringlichkeit berührt.


Der Preis der Stadt Duisburg geht an
"Lydia"
von Christian Becker | DE 2021 | 22 Min.

Synopsis:
Lydia und Wolfgang B., ein wohl situiertes Ehepaar und ausgewiesene Amateurfilmer. Angenehm beschwipst auf Städtereise. Wolfgang träumt davon, vor Studierenden frei und flüssig zu sprechen. Lydia übersetzt Apollinaire. Sie sehen Kriegsbilder im Fernsehen. Man könne nicht klagen, es gehe einem doch gut. Gemeinsamer Kurbesuch, Uneinigkeit über streitbare Bekanntschaften. Das intime Porträt einer bürgerlichen Ehe zwischen Krankheit und Begehren, Bildungsdünkel und TV-Programm, Ängsten und Humor.

Begründung der Jury:
Aus dem Super 8-Archiv eines Ehepaars hat der Regisseur mit bedachter Auswahl einen Diamanten geschliffen über das Private. Wir lernen beide kennen als intellektuelle Neurotiker und Genießer, gleichzeitig bleiben sie für uns auf ungesehene Art geheimnisvoll. Das Beobachten zweier, die sich beobachten, schafft die überraschende und originelle Abbildung ehelicher Intimität.


Der „Carte Blanche“ Nachwuchspreis des Landes NRW geht an
"Augusts Orte"
von Valérie Pelet | AT 2021 | 41 Min.

Synopsis:
Die Hitze drückt und die Geschichte. Im europäischen Urlaubsmonat fährt die Filmemacherin von Marseille nach Österreich, sie folgt der Fluchtroute ihres Schwagers. Zwischen Reisefreiheit und Bewegungslosigkeit, aktuellen Urlaubsbildern und gefährlichen Grenzüberquerungen, historischen und persönlichen Grenzgeschichten begibt sich der Film an die Orte des Geschehens. Eine surreale wie reale Gleichzeitigkeit in einem nicht für alle grenzenlosen Europa.

Begründung der Jury:
Mit konzeptioneller Klugheit und Lakonie verwebt die Filmemacherin sichtbare und unsichtbare Spuren. Ihr leidenschaftlicher Umgang mit dem 16 mm-Material und die trügerische Sanftheit des Voice-overs machen Überlagerungen von Geschichte spürbar, in welchem die Regisseurin Zusammenhänge zwischen dem flirrenden Sommer, unbekümmertem Urlaub, kriegerischen Handlungen und surrealen wie existenziellen Migrationserfahrungen evoziert.

Der Preis soll Ansporn sein, den eingeschlagenen Weg weiter zu verfolgen. Das Potenzial, das der Siegerfilm zeigt, soll weiter ausgeschöpft werden. Die Preisträgerin wird dabei durch ein Mentorat unterstützt und soll beim nächsten Projekt von einem erfahrenen Filmemacher oder einer erfahrenen Filmemacherin begleitet werden.


Der mit 10.000 € dotierte Publikumspreis für den beliebtesten Film geht an
"Nicht verRecken"
von Martin Gressmann | DE 2021 | 110 Min.

Synopsis:
Für „Nicht verRecken“ orientiert sich Martin Gressmann an ein Konzept, das zuletzt auch „Heimat ist ein Raum aus Zeit“ von Thomas Heise oder „Zustand und Gelände“ (2019) von Ute Adamczewski adaptierten. In Nordbrandenburg und Mecklenburg spürt er in idyllischen Landschaften Feldwege, Straßen und Waldlichtungen auf, die 1945 auf der Route der letzten Todesmärsche lagen.

Als die Kolonnen durch die Dörfer zogen, wurden die Bewohner:innen in die Häuser gescheucht. Ein Blinzeln durch den Vorhangspalt, verstohlene Blicke auf die Züge zerlumpter, abgemagerter Menschen. Europa 1944. Überall dort, wo die Front in die Nähe der Konzentrationslager kam, wurden die Insassen Richtung Westen getrieben. Die letzten Zeug:innen von heute waren damals Teenager. Eine Suche nach Wegen und ihren Spuren im Jetzt. Erinnerungen an ein Grauen, das nicht verschwindet.




Die doxs!-Jugendjury vergibt die GROSSE KLAPPE an
"Dans le silence d’une mer abyssale"
(IN DER STILLE EINES ABGRUNDTIEFEN MEERES)
von Juliette Klinke | BE 2021 | 20 Min.

Hier der Trailer:



Synopsis:
Pionierinnen des Kinos: Alice Guy. Sie drehte den ersten fiktionalen Film überhaupt. Oder Germaine Dulac. Sie brachte noch vor Buñuel den Surrealismus auf die Leinwand. Alle Welt kennt Charlie Chaplin, so gut wie niemand seine Mentorin Mabel Normand, die ihn in seiner ersten Rolle besetzte. „Was ist erinnerungswürdig?“, fragt der Film. Und: „Wer entscheidet, was erinnerungswürdig ist?“

Der mit 5.000 Euro dotierte europäische Filmpreis für den besten politischen Kinder- und Jugenddokumentarfilm wird von der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb gestiftet.


Eine lobende Erwähnung spricht die Jury an
"Seepferdchen" | DE 2020 | 16 Min.
von Nele Dehnenkamp aus.

Synopsis:
Als die Welle über das Boot rollte, dachte Hanan: Wir kommen nie lebend an. Das war 2015. Die junge Jesidin war mit ihrer Familie auf der Flucht über das Mittelmeer. Damals konnte sie nicht schwimmen, heute trainiert sie andere Kinder. „Wenn ich schwimme, fühle ich mich frei.“ Während ihr jüngerer Bruder sein Seepferdchen-Abzeichen macht, kommen in Hanan die schmerzhaften Erinnerungen wieder hoch.




Die Übersicht zum 3sat Dokumentarfilmherbst 2021 mit neuen Filmen von Oktober bis Dezember 2021 aus Deutschland, Österreich und der Schweiz finden sie hier. Bis auf den Film "UNA PRIMAVERA" von Valentina Primavera, dessen Verfügbarkeit in der 3sat-Mediathek bereits am 25.11.2021 abläuft, sind die meisten anderen Werke teilweise bis weit ins nächste Jahr 2022 hinein abrufbar.

Link: www.duisburger-filmwoche.de

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