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21. goEast Festival vor Online-Start - Kinokongress Baden-Baden verschoben

Eine Woche lang können Filmfans und Cineasten neueste Filme aus Osteuropa bundesweit im Stream sehen.



Nicht einmal wie ursprünglich hybrid geplant, sondern nur digital als reines Online Festival startet heute, den 20. April 2021, das 21. goEast - Festival des Mittel- und Osteuropäischen Films.

Auch die Verführungen im Autokino fallen aus, sodass nur die Jury sich physisch in der Wiesbadener Caligari FilmBühne mit gebührendem Corona-Abstand treffen kann. Wir hatten dazu bereits vorgestern einen ausführlichen Artikel mit Hinweisen gebracht.

Eröffnet wird mit dem Wettbewerbsdrama "GELBE KATZE" von Regisseur Adilkhan Yerzhanov aus Kasachstan, das in französischer Kooperation 2020 entstanden ist. Der Video-Stream ist vom 20. bis 28. April 2021 auch im Einzelabruf für 6,50 € verfügbar.

Seine Weltpremiere hatte der Film auf der 77. Mostra Internazionale in Venedig gefeiert. Unsere Kollegin konnte die Komödie schon vorab sichten.

Hier der Trailer:



Elisabeth' Filmkritik:

"GELBE KATZE" von Adilkhan Yerzhanov

Kermek liebt das Kino. Jean-Pierre Melvilles "Le Samouraï" ("Der eiskalte Engel") mit Alain Delon hat es ihm besonders angetan. Immer wieder spielt er Szenen aus dem Film vor. Doch in der kasachischen Steppe steht Alain Delon auf verlorenem Posten. Kermek wurde gerade aus dem Knast entlassen. Wegen guter Führung, denkt Kermek zumindest. Dem ist nicht so. Der Polizist vor Ort hat einen Deal eingefädelt, damit Kermek frei kommt. Man hat Pläne mit ihm und darum darf er auch nicht rechtschaffend einen Job als Tütenöffner annehmen. Statt dessen soll er für einen Gangsterboss arbeiten. Gefragt wurde er nicht. Das ist die kasachische Steppe, hier ist das nun mal so. Lakoonisch erzählt der kasachische Regisseur Adilkhan Yerzhanov, übrigens ein wiederkehrender Gast in Wiesbaden, und seine Ko-Autorin Inna Smailova von einem Träumer.

Kermek, gespielt von Azamat Nigmanov, liebt das Kino, auch wenn er vielleicht kaum mehr als einen Film kennt. Sein Traum ist es, in den Bergen, wo sein Onkel ein Grundstück hat, ein Kino zu eröffnen. An seiner Seite ist Eva (Kamila Nugmanova), eine Prostitutierte, in die er sich verliebt hat. Er möchte eine große Leinwand spannen und Filme zu zeigen, irgendwo im klassischem Nirgendwo. Ein ehrbarer Wunsch, doch allzu naiv. Aber seine Naivität macht ihn uns sympathisch. Halb ist "Gelbe Katze", mit der es sehr wohl seine Bewandnis hat, eine Ansammlung von Slapstickszenen. Ein bißchen Coen Brüder, ein bißchen Roy Andersson. Dabei sind Kermek und Eva ein traurig-komisches Duo, das von Anfang an auf verlorenem Posten durch diese Steppe zieht und ihrem Umfeld doch nicht entkommen kann. Und so ist "Gelbe Katze" ein traurig und komischer Genre-Mix voller Absurditäten, in dem sich kindlicher Ungehorsam gegen die Korrupten und Kriminellen antritt.

Die Liebe zum Kino ist der größte Schatz, den Kermek hat und den er seinem Umfeld schenken kann. Doch die sind mit ihrer Gier nach Geld und Macht beschäftigt. Jedes zarte Pfänzchen Hoffnung auf ein besseres, schöneres Leben wird sogleich im Keim erstickt. Da macht Yerzhanov uns nichts vor. Andererseits sind so ein paar fiese Gangster-Action-Szenen auch Teil des großen Kinos. Überhaupt ist "Gelbe Katze" ein Strauß an Filmreferenzen, die zu entdecken, ich jedem selbst überlassen möchte.

Elisabeth Nagy


Mit: Azamat Nigmanov, Kamila Nugmanova, Sanjar Madi, Yerzhan Zhamankulov, Yerken Gubashev, Nurbek Mukushev
Drehbuch: Adilkhan Yerzhanov, Inna Smailova
Bildgestaltung: Yerkinbek Ptyraliyev
Montage: Adilkhan Yerzhanov
Musik Alim: Zairov, Ivan Sintsov
Szenenbild: Yermek Utegenov

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In der Sektion Bioskop, die einen Querschnitt auf aktuelles Schaffen aus Osteuropa gibt, startet ebenfalls heute online der Dokumentarfilm "GLORY TO THE QUEEN - Vier Frauen setzen die Welt schachmatt", eine Koproduktion aus Georgien, Österreich, Serbien 2020 der Regisseurinnen Tatia Skhirtladze und Anna Khazaradze.

Hier der Trailer:



Durch die Netflix-Serie "DAS DAMENGAMBIT" interessiert sich auf einmal ein breites Publikum für das Schachspiel.”¯In Georgien”¯war die Sportart”¯jedoch immer schon beliebt.

Elisabeth' Filmkritik:

"GLORY TO THE QUEEN", ein Fildebüt der georgischen Künstlerin und Regisseurin Tatia Skhirtladze und Producerin Anna Khazaradze.

Schach, dem Netflix-Hit "Das Damengambit" sei Dank, trendet gerade wieder. Eine Frau, die Schach spielt, will bis zum großen Titel, und natürlich spielt sie gegen die Männer. Praktisch zeitgleich zu dem Dreh von "Das Damengambit" entstand ein Dokumentarfilm, der Schach zum Thema hatte und die Rolle der Frauen darin beleuchten wollte. Die georgische Künstlerin Tatia Skhirtladze, Jahrgang 1976, und ihre Ko-Regisseurin Anna Khazaradze, porträtiert in "Glory to the Queen" vier Schachspielerinnen, die zwar nicht so glamurös wie die Hauptfigur in der TV-Serie, aber doch mit ähnlichen Hürden, sich an die Spitze spielen konnten. Der deutsche Zusatztitel "Vier Frauen setzen die Welt schachmatt" ist etwas arg reißerisch und trifft den Ton keineswegs.

Nona Gaprindaschwili, Maia Tschiburdanidse, Nana Alexandria und Nana Iosseliani. Ihre Namen kennen wahrscheinlich nur Schachenthusiasten. Das war einmal anders. Besonders in Georgien, wo zahlreiche Kinder plötzlich Nona, Nana oder Maia genannt wurden. Nona Gaprindaschwili wurde als erste Frau Großmeisterin im Bereich des Männerschachs. Über Jahre hinweg blieb sie Weltmeisterin, bis eine Landsfrau, Maia Tschiburdanidze ihr den Titel abnahm. Nana Alexandria und Nana Iosseliani vervollständigten das Quartett, wenn es um Teamwettkämpfe ging. In den 60er bis Ende der 80er Jahre spielten sie aktiv, oft eben als gegeneinander und gewannen Rekorde, die unter anderem und zum Beispiel die Siegesabfolge eines Bobby Fischers übertrumpfte. Den Namen Bobby Fisher kennen wohl viele, aber was ist mit den georgischen Großmeisterinnen?

Skhirtladze bringt die vier Frauen zusammen. Eine von ihnen spielt immer noch Schach, wenn auch Seniorenschach. Das halte sie am Leben sagt Nona Gaprindaschwili. Skhirtladze zeigt uns nicht nur den Sport Schach, sondern die Entschlossenheit der Spielerinnen und die Auswirkungen, die ihre Erfolge mit sich brachten. Der sowjetische Staat vereinnahmte ihre Erfolge, für die Familie blieb mitunter wenig Zeit. Trotzdem wurden schon mal Imagefilme gedreht, wo die traditionelle Familie eben die Schachmeisterin am Herd zeigte. Für mehrere Generationen, schließlich umfassen die Karrieren dieser vier Frauen fast drei Jahrzehnte, waren sie Vorbild. Je mehr die Erinnerung an diese Errungenschaften in Vergessenheit gerät, desto stärker sticht hervor, wie weit die Gesellschaft inzwischen die Rolle von Frauen wieder an den Rand gedrängt hat. Tatia Skhirtladze ist es daher ein Anliegen, da gegen zu steuern.

Dabei verliert sich über die Strecke doch leicht den Fokus. Die Dokumentation wechselt immer wieder zwischen den Protagonisten und zwischen Archivmaterial und dem Heute. Wobei das Heute eben nicht genug Aufschluss gibt. Schon gar nicht, wie es sein kann, dass dieser Weltruhm auf der Schachbühne, wobei Georgien damals natürlich zur Sowjetunion gehörte, so verblassen konnte. Interessant ist der Film trotzdem, besonders wenn man sich mit Schach bisher nicht so sehr beschäftigt hat. So lernt man vier charismatische Frauen kennen und vergisst sie sicher nicht ganz so schnell wieder.

Elisabeth Nagy


Regie: Tatia Skhirtladze & Anna Khazaradze
Produktion: Anna Khazaradze
Drehbuch: Ina Ivanceanu, Tatia Skhirtladze
Bildgestaltung: Sebastian Thaler
Montage: Petra Zöpnek
Musik: Alexandra Vrebalov
Ton: Irakli Ivanishvili

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Ab morgen, den 21. April 2021 steht der kroatische Wettbewerbs Dokumentarfilm "ES WAR EINMAL DIE JUGEND" unter der Regie von Ivan Ramljak im Stream zur Verfügung.

Hier der Trailer:



Elisabeth' Filmkritik:

"ES WAR EINMAL DIE JUGEND" von Ivan Ramljak.

Ein viel zu kurzes Leben. Marko Čaklović fotografierte gerne und er wäre bei einem gemeinsamen Film mit Ivan Ramljak der Kameramann geworden. Dazu kam es nicht. Ein viel zu früher Tod riß ihn aus dem Leben. Oder aber, er suchte den Tod viel zu früh und der Tod lehnte nicht ab. Marko war wohl eher der selbstzerstörerische Typ, an dem sich auch Freunde abgearbeitet haben. Das ist jetzt Jahre her, die Erinnerung mag verblassen, aber sie verschwindet nicht. Wenn man sich kreativ mit dem Leben und seinem Platz in der Welt auseinander setzt, wenn man Fragen nach dem Warum stellt, wenn man eh schon immer in Filmen und Bildern heimisch war, dann ist es nur konsequent, die Suche nach Antworten in den Bildern, die die damalige Zeit eingefroren haben, zu suchen.

Ivan Ramljak, Jahrgang 1974, setzt das Material, die Photos von Marko und seine Videoaufnahmen zusammen und versucht einen roten Faden hineinzubringen, der eine Biographie spinnt und gleichzeitig eine Zeit lebendig werden lässt, die für die Generation der damals 20jährigen, prägend war. Politisch, gesellschaftlich, künstlerisch. Fahrten zu einem Filmfestival, weil man einen Film nur dort sehen kann, sind vielleicht das Element, was einen dann mit dem Publikum von heute verbindet.

Ivan Ramljak, mit seinem kurzen Dokumentarfilm "Kinoinseln" ("Kino Otok") war er bereits 2016 auf dem goEast-Festival vertreten und gewann damals einen Fipresci-Preis, stellt die visuellen Eindrücke seines Freundes in den Mittelpunkt. "Es war einmal die Jugend" ist somit eine Kollage mit Aufnahmen von damals, und lässt den damaligen Freundeskreis einfach, aus dem Off erzählen. Über das Leben und die Kunst knapp nach dem zweiten Balkankrieg zwischen Serben, Bosnier und Kroaten.

Dabei gibt es keinen erklärenden Einstieg. Man kennt Marko nicht, auch wenn man sicherlich jemanden wie ihn kennen wird. Man muss sich auf diese Biografie einlassen. Dabei muss man sich auf den Filter der Erinnerungen der Freunde verlassen, die mit ihren Erzählungen genauso viel über sich selbst erzählen, wie über diese eine Figur, die nun nicht mehr selbst zu Wort kommen kann. Nach und nach erst lernt man Marko kennen. Seinen Anspruch an das Leben, die Kunst, den Film, die Musik. Marko und eine Freunde waren Teil der jungen Szene in Zagreb und Marko war der, der sich immer mehr isolierte, seinen Dämonen nicht nur nicht abschüttelte, sondern sie in seinem kreativen Prozess einspann. Dabei ist die Entscheidung sich ausschließlich auf das Material von damals zu beschränken, statt dieses mit Bildern der Gegenwart in Beziehung zu setzen, künstlerisch am bedeutendsten. Während die Freunde, die Schwester, die ehemaligen Partnerinnen und neben Ivan Ramljak noch ein weiterer Freund, jeder für sich, erzählen, sehen wir, wie Marko sie gesehen hat und der Blick fällt auch zurück. Jedes Bild aus dem Heute, hätte diese Wirkung ausgehebelt.

Elisabeth Nagy


Kamera: Marko Čaklović
Drehbuch: Ivan Ramljak
Montage: Ivor Ł onje
Komposition: Tena Novac
Ton: Borna Buljević

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Links: www.filmfestival-goeast.de | online.filmfestival-goeast.de
Wird fortgesetzt...

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Die 50. Jubiläumsveranstaltung fiel aus und die diesjährige ab morgen geplante Ausgabe wurde verschoben und findet nun - von fünf auf zwei Tage verkürzt - nur digital im Mai statt.

Geplant war eine neue Struktur zum 50. Jubiläum des Kinokongresses Baden-Baden bereits 2020, doch wegen der Corona-Pandemie kommt alles anders und die schon im letzten Jahr ausgefallene Präsensveranstaltung findet auch ab 21. April 2021 erneut nicht statt, sondern wird erst wieder 2022 physisch veranstaltet.

Ursprünglich sollte diesmal das Cineplex in den Fokus des Branchenevents rücken. Dafür waren keine Tradeshows oder Filmpräsentationen mehr im Baden-Badener Kongresshaus vorgesehen. Nun aber findet der gemeinsam mit dem HDF KINO e.V. und von der Forum Film Mediengesellschaft mbH organisierte Kinokongress nur an zwei Tagen vom 18. - 19. Mai 2021 rein digital statt.

Link: kinokongress.de
Quellen: HDF | Filmtheaterkongress

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