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Kino in der Ferienzeit - neue Arthouse Filme im Kino und auf VoD

Kochkunst in Finnland von Master Cheng und ein US-Film, den es nur online zu sehen gibt.



Kein Kinofest in diesem Jahr! - schrieben wir gestern. So ganz stimmt das nicht, denn zumindest in München veranstalten die elf Arthouse-Kinos vom 5. bis 26. August 2020 die 68. Ausgabe der Filmkunstwochen, die schon bei ihrer Gründung von Programmkino-Pionier Fritz Falter helfen sollten, das Kino in der Ferienzeit attraktiv zu machen.

Auch bei uns in Berlin gibt es etwas zu feiern. Die dritte Wiederauferstehung des KLICK Kinos in der Charlottenburger Windscheidstraße am Stuttgarter Platz scheint trotz Corona-Auflagen gelungen zu sein, denn viele Vorstellungen sind ausverkauft und auch der Gastronomie Bereich lockt zahlreiche Gäste aus der Nachbarschaft an.

Eva Mattes wird als Filmpatin im Monat August für das KLICK Kino ihr persönliches Filmprogramm präsentieren. Die bekannte Theater- und Filmschauspielerin hat einige ihrer Lieblingsfilme für das Publikum des wiedereröffneten Kinos ausgewählt und schaut gespannt auf das kuratierte Kinoprogramm:

„Die Filme, die ich ausgesucht habe, möchte ich alle gerne wiedersehen, wie alte Freunde, die ich aus den Augen verloren habe, aber nicht aus dem Sinn. Ich bin gespannt wie sie heute auf mich wirken.“


Doch nun zum aktuellen Programm, das letzten Donnerstag in zahlreichen Kinos gestartet ist und mit einem neuen komödiantischen Liebes-Drama von Mika Kaurismäki aus Finnland aufwartet, um auch den Finnen die chinesische Kochkunst näher zu bringen. Der Film gewann den Publikumspreis auf den nordischen Filmtagen in Lübeck im letzten Jahr.

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"MASTER CHENG IN POHJANJOKI" Komödie von Mika Kaurismäki (Finnland, China, Großbritannien). Mit Anna-Maija Tuokko, Pak Hon Chu, Lucas Hsuan u.a. seit 30. Juli 2020 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Nach dem Tod seiner Frau reist der chinesische Koch Cheng (Chu Pak Hong) mit seinem kleinen Sohn Nunjo nach Lappland, um einen Mann zu finden, der ihm vor einigen Jahren finanziell geholfen hat. Nun kann er endlich seine Schulden bezahlen. In dessen Heimatort Pohjanjoki fragt er jeden, der ihm begegnet nach „Fontrong“. Doch niemand scheint jenen zu kennen.

Da Cheng kein Wort finnisch spricht, hapert es an der Kommunikation. Auch die hilfsbereite Restaurantbesitzerin Sirkka (Anna – Maija Tuokko) kann ihm nicht weiterhelfen. Weder sie, noch ihre Gäste, haben je von „Fontron“ gehört. Cheng und Nunjo bleiben zum Essen. Es gibt Wurst mit Kartoffelbrei, unser finnisches Nationalgericht, erklärt ihm Sirkka: „Wurst ist unser Gemüse“. Weil die beiden nicht so recht wissen wohin, bietet Sirkka ihnen eine Unterkunft an. Aus Dankbarkeit hilft er ihr fortan in der Küche, argwöhnisch beäugt von ihren männlichen Gästen, die sich täglich hier versammeln, denn ihre Gaststätte ist so etwas, wie ein sozialer Treffpunkt in der kleinen Gemeinde.

Als ein Bus mit chinesischen Touristen vor ihrem Laden hält und die Truppe bei ihr Einkehren will, sieht Cheng deren angewiderten Gesichter beim Anblick der Speisekarte. Schnell schaltet er und serviert ihnen eine schmackhafte Hühnersuppe, die sogar von den einheimischen Gästen mit Genuss verspeist wird.

Cheng versteht sein Handwerk. Zuhause in Shanghai besaß der Meisterkoch bis zum Tod seiner Frau, ein gutbesuchtes Restaurant. Er war berühmt für seine gesunden, wohlschmeckenden Zutaten, die so manches Wehwehchen heilen konnten. Der Touristenführer war so begeistert, dass er weitere Touristengruppen ankündigt. Sirkka bittet Cheng, zu bleiben. Master Cheng kocht sich in die Herzen der Einheimischen. Und siehe da, bei den wortkargen Männern ändert sich so einiges.

Als sein Touristenvisum abläuft, schmieden die Dorfbewohner einen Plan, in der Hoffnung, dass er bleiben kann.

Vor der idyllischen Kulisse finnischer Seen und Wälder, hat Mika Kaurismäki, der ältere Bruder von Aki Kaurismäki, eine herzerwärmende Feel-Good-Komödie gedreht, die chinesische Esskultur mit finnischem Lebensgefühl verbindet und die positiven Seiten der Globalisierung zeigt. Ein Film, der von seiner Atmosphäre und den liebevollen Details lebt und natürlich, von der Präsenz seiner Protagonisten.

Ulrike Schirm


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"THE KING OF STATEN ISLAND" Dramödie von Judd Apatow (USA). Mit Pete Davidson, Marisa Tomei, Bill Burr u.a. seit 30. Juli 2020 weltweit nur online als hochpreisiger Early Access Zugang von Universal zu sehen. Hier der Trailer:



Ulrikes VoD-Kritik:

Bevor man in die Handlung des Films einsteigt, sollte man wissen, dass der Hauptdarsteller Pete Davidson als achtjähriger Junge erfuhr, dass sein Vater, ein Feuerwehrmann, bei den Rettungsarbeiten nach den Terroranschlägen vom 11.September 2001 gestorben ist. Noch Jahre später sind die Wunden dieses schmerzhaften Verlustes nicht verheilt. Er lebte mit seiner Mutter und seiner jüngeren Schwester im New Yorker Stadtbezirk Staten Island. Mit zwanzig wurde er Ensemblemitglied der Kult-Comedy-Sendung „Saturday Night Life“. Auf der Bühne spricht er über die Trauer, ummantelt mit einer Portion Galgenhumor.

In Judd Apatows Film „The King of Staten Island“ hat er die Hauptrolle des 24-jährigen Scott Carlin, der mit seiner Schwester Claire (Maude Apatow) und der alleinerziehenden Mutter (Marisa Tomei) in Staten Island lebt, übernommen. Scotts Vater, ein Feuerwehrmann, kam bei einem Hotelbrand ums Leben.

Sein Tod hat Scott total aus der Bahn geworfen. Er hängt im Keller seiner Kumpel ab, raucht Marihuana und schaut mit ihnen Horrorfilme. Ständig will er sie dazu überreden, sich von ihm tätowieren zu lassen. Eigentlich möchte er Tätowierer werden, ein Restaurant eröffnen und zwischen den einzelnen Gängen, seine Gäste tätowieren. Ansonsten lümmelt er bei Mama rum und schaut „Sponge Bob“. Und wenn es ernst zu werden scheint, verschanzt er sich hinter seiner Hyperaktivitätsstörung, ADS genannt.

Als seine Mutter Margie es wagt, ausgerechnet einen Feuerwehrmann (Bill Burr) zu daten, ändert sich Einiges. Um ihn zu beschäftigen, soll er dessen Kinder zur Schule bringen. Ray ist geschieden und hat zwei Kinder. Dann soll er sich einen Job suchen und dann soll er ausziehen. Doch Scott hat keinen Plan. Der Zwang, endlich auf eigenen Beinen zu stehen, überfordert ihn. Eine vorübergehende Bleibe findet er auf der Feuerwache, wo auch Ray arbeitet. Hier lernt er eine besondere Gemeinschaft kennen und eine Kameradschaft, die er so noch nicht kannte. In Gesprächen erfährt er, dass sein Vater nicht nur ein Held war und das er ihn total idealisiert hat.

Ein besonders schmerzhafter Moment ist, als Scott die Feuerwehrmänner hochemotional anschreit, dass sie keine Kinder haben sollten, weil ihr Job viel zu gefährlich sei.

Was diesen Film so besonders macht, ist sein Hauptdarsteller Pete Davidson, in seiner ersten großen Rolle. Seine Gefühle entspringen seiner authentischen Persönlichkeit, er spielt sie nicht, denn sie sind real. Während der Dreharbeiten durchlebte er nochmal den tiefsitzenden Schmerz, den der Tod seines Vaters hinterlassen hat. Die Geschichte dieses sympathischen „Loosers“ bewegt sich zwischen Drama, Tragikomödie, Sarkasmus, pubertärem Gehabe und Beleidigungen. Doch bei allem, was er sagt und tut und sei es auch noch so komisch, spürt man seine Trauer.

Ulrike Schirm


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