Skip to content

Deutschlandpremiere von »Sarita« auf Kino on Demand

Zum Weltflüchtlingstag! am letzten Sonntag zeigte unseres Wissens nach, nur die Kinobar Prager Frühling in Leipzig die Musikdoku »Sarita« als Special in OmU.



Leider erreichte uns erst nach Redaktionsschluss am Samstagnacht eine aktuelle Filmkritik zum Weltflüchtlingstag, der am letzten Sonntag, den 20. Juni 2020, gefeiert wurde.

Da in Berlin jedoch keine Filme in den Kinos vor dem 30. Juni 2020 gezeigt werden dürfen und die bereits geöffneten Open-Air- und Auto-Kinos in der Regel keine Premieren zeigen, konnten wir trotz intensiver Recherche die angekündigte Deutschlandpremiere von "SARITA" - (Dimmi Chi Sono - Tell Me Who I Am) nur in einem Kino in Leipzig mit einer einzigen Vorstellung um 18:00 Uhr ausfindig machen. Allerdings war der Film zuvor auch auf dem Filmfest Hamburg im letzten Jahr als Preview präsentiert worden.

Obwohl in den meisten Bundesländern die Kinos wieder Filme zeigen dürfen, haben viele Kinobetreiber sich dazu entschlossen, noch nicht zu öffnen. Jonathan Rosenwanger, der Kinos in München und im bayerischen Schrobenhausen betreibt, spricht Klartext und erklärt, warum seine Kinos vorläufig geschlossen bleiben:

"Es gibt nur sehr wenig neue zugkräftige Filme und die Hygieneauflagen für die Filmtheater mit erforderlichen Sicherheitsabständen zwischen den Zuschauern sind so streng, dass ein Kinobetrieb unwirtschaftlich ist", so Rosenwanger. Seine kleineren Säle dürfte er mit maximal sieben Zuschauern betreiben. Zudem müsste er extra Personal einstellen, um die Hygieneauflagen umfassend überwachen zu können.


Glücklicherweise gib es jedoch die VoD-Plattform »Kino on Demand«, die mit zahlreichen Arthouse-Kinos kooperiert und einen Teil der Erlöse den Kinos zukommen lässt.

Bei Dokumentationen und nicht geförderten Spielfilmen sind zudem die Verpflichtungen Filme zuerst im Kino zeigen zu müssen, bevor sie für Streaming angeboten werden können, nicht so streng, sodass die nachfolgend besprochene Tanzdokumentation "SARITA" im Verleih von missingFILMs jederzeit zu Hause im Internet auch noch nachträglich betrachtet werden kann.

Weil der Film jüngeres Publikum anspricht, welches meist keine Scheu vor dem Umgang mit den neuen Streaming-Medien hat, haben wir uns dazu entschlossen, die Filmkritik auch nachträglich noch zu veröffentlichen.

Filme, die für ein älteres Kinopublikum gemacht sind, das zur Risikogruppe der Corona-Pandemie gehört, dürften es bedeutend schwerer haben, ihr Publikum zu finden. Diese Klientel traut sich derzeit weder in die schon geöffneten Kinos, noch sind die Leute bereit, Filme zu Hause im Mäusekino am PC zu sehen.

+++++++++++++++

"SARITA" Bollywood Musik- und Tanzfilmdokumentation mit Kindern von Sergio Basso (Deutschland / Italien). Seit 20. Juni 2020 im Stream auf »Kino on Demand« für 10 €.

Hier der Trailer:



Ulrikes VoD-Kritik:

Am 20. Juni 2020, dem Weltflüchtlingstag, feiert das semidokumentarische Bollywood-Musical "SARITA" (orig. Dimmi chi sono) von Sergio Basso seine Premiere auf der Streaming-Plattform kino-on-demand. Zusätzlich sollte der Film ebenfalls am 20.6.2020 in einigen Sonderveranstaltungen ausgewählter Kinos für das Publikum vor Ort präsentiert werden.

1990 vertrieb das Königreich Bhutan hunderttausende Menschen, nur weil sie mehr Demokratie verlangten. Erzählt wird die Geschichte aus der Perspektive eines 13-jährigen Mädchens. Zuflucht fanden die Menschen in Nepal in einem Flüchtlingscamp. Der italienische Regisseur Sergio Brasso hat zehn Jahre lang das Schicksal der Lagerbewohner*innen gesammelt und erzählt in seinem Film „Sarita“, der Name des Mädchens, von dem schwierigen Alltag im Camp, ihrer Vergangenheit und ihren Hoffnungen. Er sprach auch mit Organisationen und Politikern über die Flüchtlinge und ihre Einstellung zu Bhutan, einem traurigen Thema, das in der breiten Öffentlichkeit kaum noch Gehör findet.

Sarita (Sasha Biswas), die im Camp geboren wurde, ist ein fröhliches Mädchen. Für sie ist das Camp, der beste Platz der Welt. Hier leben all ihre Freunde und das sie ohne Wasser und Strom leben, hat für sie etwas abenteuerliches. Singend und tanzend bewegt sie sich mit ihren Freunden durch das Camp. In der Schule lernt sie mit ihren gleichaltrigen Freunden viel über die Kultur Bhutans und die Sprache des Landes. Doch mit der Zeit hinterfragt sie die Ausführungen des Lehrers und die Zustände im Lager. Als sich dann auch noch, 2007, die Nachricht einer Umsiedlung ins ferne Ausland im Camp verbreitet, schwindet ihre Fröhlichkeit. Sie betet zu Shiva und bittet ihn um Hilfe. Als er plötzlich zu ihr spricht und um ihre Lage zu verbessern eine Amnesie über sie verhängt, kann sie sich an nichts mehr erinnern.

Ein geschickter Schachzug der Regie. Jetzt muss Sarita die Menschen um sich herum fragen, wer sie denn eigentlich sei. Die Suche nach ihrer Identität gibt jetzt den Ton an.

„Tell Me Who I Am“ („Sag mir, wer ich bin“) lautet der internationale Titel des Films. Jetzt erfährt sie die schrecklichen Fluchtgründe der Bewohner. Gefängnissaufenthalte, Folterungen, Zwangsarbeit, Vergewaltigung und schwere Traumata sind der Preis, für die Forderung nach einem demokratisch orientiertem Leben, den sie zahlen mussten.

Die an Bollywood erinnernden Tanzszenen und die gesungenen Schilderungen der Fluchtursachen nehmen dem Film einiges von der Ungeheuerlichkeit seiner Thematik.

Als bei einer Versammlung ein Beamter über die Vorteile der Umsiedlung singend und tanzend berichtet, darf auch ruhig gelacht werden, ohne dass die traurige Ernsthaftigkeit verloren geht.

Regisseur Sergio Basso zeigt zwischendurch den ganz normalen Alltag im Lager. Frauen die weben und spinnen, Kinder, die mit dem wenigen, was sie haben, glücklich spielen, Männer, die arbeiten gehen, Menschen, die Musik machen. Sarita hat Freude daran gefunden, ihre Gesprächspartner mit der Kamera aufzunehmen, sie nimmt Lieder auf und filmt Fotos, die für die Besitzer wertvolle Erinnerungen darstellen, Kinder, die neugierig in die Kamera schauen. Langsam stellt sich auch ihr Erinnerungsvermögen wieder ein. An einer Stelle sagt sie: „Man würde uns mehr beachten, wenn wir bedrohte Tiere wären“.

Basso hat mit den Lagerbewohnern ein Musical entwickelt, in dem es um den Verlust der Heimat geht, um Vertreibung, den Alltag in einem Lager aber auch um die Hoffnung auf eventuelle Rückkehr, oder vielleicht, auf einen Neuanfang in einem fremden Land.

„Man kann den Menschen zwar die Heimat nehmen, aber nicht das Andenken daran“.

Sarita geht nach Oslo. Es leben dort nur 300 Bhutaner. Während sie ihre Verzweiflung mit einem anhaltenden stummen Schrei kundtut, bleibt die geliebte Großmutter in Nepal zurück. Sie sitzt unter einem Baum, dessen Zweige mit Fotos aus ihrem Leben behängt sind. Sie bewegen sich wie Blätter im Wind.

Ulrike Schirm


Link: www.kino-on-demand.com/movies

+++++++++++++++



Auch diese Woche stellt der Salzgeber Filmverleih in seinem Salzgeber Club wieder ein weiteres Werk weltweit als VoD für vier Wochen auf Vimeo frei. Solange die Corona-Pandemie anhält - (und die Zahlen der Infizierten und Erkrankten sind derzeit wieder deutlich am Steigen) - soll das Online-Kino als Ersatz fürs echte Filmtheater herhalten.

"AUDRE LORDE – The Berlin Years 1984 – 1992" Biopic-Doku von Dagmar Schultz über die berühmte afroamerikanische lesbische Dichterin und Autorin Audre Lorde. Nach der Veröffentlichung der bereits erhältlichen DVD ist der Film erstmals seit dem 18. Juni 2020 auch auf VoD im Salzgeber Club zu sehen.

Hier der Trailer:



Ulrikes VoD-Kritik:

Audre Lorde (1934 – 1992), Tochter von Immigranten aus der Karibik, wuchs in N.Y. auf. Sie studierte an der Columbia University und wurde später Professorin für Englische Literatur am Hunter College. Sie veröffentlichte 15 Gedichtbände, einen Roman und mehrere Essaysammlungen.

1991 erhielt Lorde die Walt Whitman Citation of Merit und damit von 1991 – 1993 den Titel "Poet of the State of New York". Ihre prägnanten, oft zornigen und auch lyrische Texte und zahlreiche Vorträge inspirierten seit den 70er Jahren amerikanische Feministinnen, Lesben African – American Women und Women of Color Bewegungen.

In dem Dokumentarfilm "AUDRE LORDE – DIE BERLINER JAHRE 1984 – 1992" wird ein bisher unbekanntes Kapitel aus ihrem Leben dokumentiert. Lorde bekam eine Gastprofessur für African-American Literature and Creative Writing am John-F.-Kennedy Institut für Nordamerikastudien an der Freien Universität in Berlin.

Damals gab es noch keine Black Community in Deutschland. Lorde sorgte dafür, dass schwarze Frauen aus ihrer Vereinzelung heraustraten und gründete mit ihnen die „Initiative Schwarze Frauen“.

Vorher gab es nur die Begriffe: Neger, Mischling und Mulatten, wobei Mulatte aus dem portugiesischem Wortschatz stammt und Maulesel bedeutet. Schwarz und Weiß verhalten sich zueinander wie Esel und Pferd. Sie prägte den Begriff Afro-Deutsche und ihr Werk bestand darin, die Frauen zu ermutigen, auf sich aufmerksam zu machen, in einer Gesellschaft, in der sie bisher schweigsam und isoliert gelebt haben. Mit ihrem warmherzigen Engagement inspirierte und bestärkte sie die Afro-deutschen Frauen zu schreiben und zu publizieren und teilte ihr Wissen, ihre Weisheit, ihren Aktivismus und ihren wunderbaren Humor mit ihnen. Die Frauen wurden immer selbstbewusster und fanden den Mut, zu artikulieren, was sie nicht wollen. Auch forderte sie weiße deutsche Frauen heraus, über ihre Privilegien nachzudenken und konstruktiv damit umzugehen.

Der Mauerfall 1989 brachte leider intensive, soziale Veränderungen mit sich. Unter anderem ein Anstieg von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus.

Regisseurin Dagmar Schultz hatte das Privileg, Audre Lorde 1980 in Kopenhagen bei der Welt-Frauen-Konferenz kennen zu lernen. Sie war so beeindruckt von dem positiven Einfluss den Lorde auf die Schwarze Community und auf die weißen Frauen hatte, dass sie beschloss, Audres Wirken mit anderen zu teilen und diesen Film in Kooperation mit Ria Cheaton, Ika Hügel-Marshall und Aletta von Vietinghoff und der Salzgeber & Co Medien GmbH zu produzieren.

Diese weise, herzliche, humorvolle und kämpferische Frau verstarb ohne Bitterkeit an ihrem Krebsleiden am 17.11.1992.

Der Film hatte seine Weltpremiere auf der Berlinale 2012. Er wurde weltweit auf 68 Festivals gezeigt. Er erhielt 7 Filmpreise. Eine Dokumentation, die ihre Wichtigkeit bis heute nicht verloren hat.

Ulrike Schirm


Link: salzgeber.de

Anzeige