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Neuregelung der Erlösverteilung bei Kinofilmen von Produzenten gefordert

In einem offenen Brief an die Kulturstaatsministerin fordern Produzenten eine Neuregelung der Erlösverteilung bei Kinofilmen.



Im Vorfeld der letztjährigen 69. Berlinale hatte Kulturstaatsministerin Monika Grütters (BKM) mit Blick auf das schlechte Kinojahr 2018 ein "Missverhältnis zwischen Investition und Ertrag" angeprangert und wegen der anstehende Novellierung des Filmförderungsgesetzes (FFG) zu einer Reihe von Gesprächsrunden geladen.

Doch auch 2019 ist das Abschneiden des deutschen Films im Umfeld eines stark gewachsenen Gesamtmarktes nicht besser geworden. Erreichten in 2018 deutsche Kinofilme noch einen Besuchermarktanteil von 22,9 Prozent, so ging es 2019 in absoluten Zahlen sogar weiter nach unten, wenn auch nur um 0,3 Prozent.



Um dem Sinkflug Einhalt zu gebieten hat der Verband der Filmverleiher (VdF e.V.) erst kürzlich einen umfassenden Katalog an Maßnahmen vorgelegt, mit denen die Erlössituation für Produktion, Verleih und Kinos verbessert werden soll - darunter auch ein Konzept für einen von den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkanstalten jährlich mit 30 Mio. Euro zu bedienenden "Lizenzpool" bei der Filmförderungsanstalt (FFA), wie das deutsche Branchenblatt Blickpunkt:Film am 24.01.2020 schrieb.

Darin heißt es, dass "40 Mio. Besucher für deutsche Kinofilme keine Utopie" wären.


Während die Produzentenseite eine andere Auffassung vertritt und in einem offenen Brief an die Kulturstaatsministerin Monika Grütters sogar eine Neuregelung der Erlösverteilung bei Kinofilmen fordert, sieht der VdF einen breiten Konsens, was Kernprobleme im Markt anbelangt.

Aufgrund von in Gesprächen gewonnenen Erkenntnissen hat der VdF ein Konzept formuliert, das nach Angaben des Verbands "die Erlössituation für die drei Sparten Produktion, Verleih, Kino der Kinofilm-Kultur-Wirtschaft nachhaltig verbessern kann."


Es bestehe weitgehende Einigkeit, dass die Anzahl neuer deutscher Kinofilme mit jährlich über 200 Produktionen zu hoch sei, so der VdF. Insbesondere würden zu viele Low-Budget-Filme realisiert, die auf Desinteresse beim Publikum stießen. Es sollten dagegen mehr Filme im Budgetbereich zwischen vier und acht Mio. Euro produziert und mit höheren Vermarktungsbudgets ausgestattet werden, so der VdF weiter. Diesen Filmen könnte es gelingen, deutlich mehr Menschen für den deutschen Kinofilm zu begeistern.

Der Vorschlag des Verleiherverbands sieht vor, die Tilgung der Verleihförderung neu zu gestalten, indem diese künftig nicht mehr zu 100 Prozent den Förderer, sondern zu je 50 Prozent an Produzenten und Förderer erfolgen könne. Dies werde mit Hilfe von Länderförderungen dazu führen, dass die Tilgungen an die Förderer zunächst sinken und die Erlöse für die Produzenten bei erfolgreichen Filmen spürbar früher steigen.

Ob die Länder dazu bereit wären und dem Konzept zustimmen würden, wurde jedoch nicht abschließend erörtert. Man gehe jedoch beim VdF davon aus, dass der neue Produzentenanteil als neuer Fördereffekt und damit als Erfolgskriterium gegenüber den Aufsichtsgremien und den Landesrechnungshöfen vermittelt werden könne.

Um dieses Ziel zu erreichen, müssten die Förderungen der Filmförderungsanstalt (FFA) und der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) (inklusive des Deutschen Filmförderfonds DFFF) neu justiert werden, und sich die kulturelle Filmförderung des Bundes breiter aufstellen, denn die derzeit in der Förderkonstellation der FFA & BKM realisierten Projekte seien eher im "Low-Budget-Bereich" anzusiedeln, heißt es seitens der Filmverleiher (VdF).

Vor allem aber seien die öffentlich-rechtlichen Sender gefragt, sich mit deutlich höheren Mitteln an der Herstellung zu beteiligen. Für angemessen halte man eine Beteiligung in Höhe von 20 Prozent der Herstellungskosten. Doch selbige fahren seit Jahren auf Sparflamme und reduzieren eher ihre Mittel, um mehr Geld in lukrativere Serienproduktionen stecken zu können, anstatt an Low-Budget-Kinofilme zu vergeuden, deren Förderanteil laut SPIO, der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft, im Durchschnitt bei „nur“ 700.000 Euro liegt.



Der HDF KINO e.V., die zentrale Interessensgemeinschaft der Kinobetreiber*innen, hegt dagegen die Sorge, dass die aktuelle Konzeption des Zukunftsprogrammes "nur" die Arthouse-Kinos erreiche und diese zusätzlich noch beim Zugang zu FFA-Fördergeldern begünstigt würden, mit entsprechenden Folgen für andere Kinotypen.

Auch der VdF befürchtet, dass mit der derzeitigen Planung der BKM ein breiterer Markteffekt nicht erreicht werden könne, "um den Gesamtmarkt und damit natürlich auch die Auswertung deutscher Kinofilmproduktion wesentlich zu verbessern".


Die BKM-Verleihförderung muss sich endlich dem künstlerischen, aber durchaus auch publikumsattraktiven Filmen öffnen und die Herstellung, Vermarktung und Verwertung "neuer deutscher Kinofilme" ins Zentrum der FFG-Novelle stellen. Um das Zukunftsprogramm Kino mit neuen Ideen zu unterstreichen, fordert der Verband der Filmverleiher sogar einen eigenen DFFF-Fonds für die Vermarktung, der jährlich bis zu 25 Mio. Euro für die Inlandsvermarktung deutscher Kinofilme bereitstellt.

Abschließend heißt es beim VdF, dass das Kino eine exklusive Erst-Auswertungsphase für Kinofilme zwar beibehalten soll, jedoch sollte zukünftig schon nach 4 Monaten die Auswertung auf anderen Nutzungsarten erfolgen können. Ob diese frühere Auswertung mit höheren Abgaben einhergeht, bedarf allerdings noch weiterer interner Abstimmung.

Forderung zur Neuregelung der Erlösverteilung bei Kinofilmen.

Der Film- und Medienverband NRW hat sich dem offenen Brief der Produzentenverbände angeschlossen, der sich u.a. an Kulturstaatsministerin Monika Grütters richtet und bittet um Unterstützung bei einer Neuregelung der Erlösverteilung bei Kinofilmen.

Zentrale Forderung des Produzentenverbandes und der Allianz Deutscher Produzenten - Film & Fernsehen ist eine Neuregelung der Erlösverteilung bei Kinofilmen zwischen Produzenten und Kreativen sowie Verleihern.

Das derzeitige Recoupment-Modell, wonach die Erlöse an der Kinokasse im Verhältnis eins zu zwei oder eins zu drei zugunsten der Auswerter aufgeteilt würden, lasse Produzenten und Kreativen weniger finanziellen Spielraum. Die Folge sei ein Abwandern von Produktionen hin zu Streamingdiensten oder ins Pay-TV, wo man "planungssicherer entlohnt" werde.

Auch für Investoren biete das Modell keinerlei Anreiz, sich an der Finanzierung von Filmen zu beteiligen.

"Wie wird der deutsche Kinofilm wieder attraktiv für die großen Festivals und vor allem wieder erfolgreicher an den Kinokassen?"


Die Migration von kreativen Talenten und Filmemachern zu Streaming und Pay-TV ist deutlich spürbar. Kinofilm hat dagegen ganz offensichtlich an Attraktion verloren. Die nationale wie internationale Filmbranche ist derzeit enormen Veränderungen unterworfen, wo alte Gewissheiten gelten nicht mehr und neue Konzepte noch nicht gefunden wurden.

Die anstehende Novellierung des FFG bietet nun die Chance, der Branche für die kommenden Jahre bahnbrechende neue Impulse zu geben und das Miteinander der Akteure entlang der Wertschöpfungskette neu zu regeln und der Situation des Umbruchs anzupassen.

Produzenten und Kreative partizipieren beim aktuellen Modell der Erlösverteilung nicht ausreichend oder meist gar nicht am Erfolg ihrer Filme, obwohl sie über Jahre hinweg ein enormes unternehmerisches Risiko tragen. Selbst ein außerordentlicher Erfolg an der Kinokasse beschert den Produzenten und Kreativen in der Regel keinen ausgewogenen Anteil an den Erlösen, denn die Gewinne werden im Verhältnis 1 zu 2, oder gar 1 zu 3 zu Gunsten der Auswerter verteilt.

Somit können Produzenten, die in den meisten Fällen nur über eine geringe oder keine Kapitalisierung verfügen, auch nur geringe Mittel in inhaltliche Experimente in der Stoffentwicklung investieren. Die mit der Entwicklung neuer Stoffe verbundenen Kosten können bei dem aktuell praktizierten Abrechnungsmodell nur dadurch gedeckt werden, dass auch diese Stoffe tatsächlich in Produktion gehen - anders kann die Investition aus der Entwicklung nicht recouped werden.

Deutsche Kinofilmproduzenten müssen demnach möglichst viel und schnell produzieren, um ihren Betrieb am Laufen zu halten. Ansonsten geraten auch mittelständige Unternehmen schnell in eine wirtschaftliche Schieflage.

Die Verleiher hingegen können rasch reagieren, wenn ein Film nicht den erwünschten Erfolg hat und die von ihnen zu investierenden Herausbringungskosten herunterfahren. Zudem können die Verleiher aufgrund von FFA-Richtlinien mit einem sehr frühen Cash-Break-Even auf ihre Investition rechnen, durch die ihnen zugestandene immense Provision von 35% auf ihre Einnahmen.

Eine derartige Gewinnposition für den einen Partner, bevor der andere seine Kosten zurückerhalten hat, ist nicht länger akzeptabel, weil es die Produktionsbranche in den Ruin treibt, und Innovation verhindert. Die Beteiligung der Produzenten an den Erlösen setzt nämlich erst nach der Rückführung der Verleihförderung (zweiter Rang) ein.

Die Produzentenverbände haben deshalb ein neues, partnerschaftliches Modell zur Erlösverteilung erstellt, das eine gerechte Erlösverteilung zwischen Verleih und Produktion anstrebt. Es sieht eine analoge und zeitgleiche Rückführung aller seitens der Verleiher und Produzenten getätigten Investitionen pro rata pari passu vor.

Auf beiden Seiten wird also zum selben Zeitpunkt die jeweilige aus Eigenmitteln erbrachte Investition anteilig aus den vom Verleih erzielten Erlösen zurückgeführt und erst nach dem Break-Even ein Gewinn erwirtschaftet. Dieses Modell würde den deutschen Kinofilm in Produktion und Verleih auch für Risikokapital aus dem Markt wieder attraktiv machen für die das Kino gedacht und gemacht ist.

Nur so lassen sich Zuschauer in Zeiten einer zunehmenden convenience des VOD Erlebnisses und eines weiter wachsenden Investments durch Streaming und Pay-TV mit starken, innovativen und risikofreudigen Filme wieder für das Kino zurückgewinnen.

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Wir haben den offen Brief der Produzenten vom 22.01.2020 zwar stark eingekürzt, jedoch ohne den Sinn zu entstellen. Er ist in voller Länge hier bei mediabiz nachlesbar.

Quellen: Blickpunkt:Film | VdF | HDF

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