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Unsere Filmkritiken im März 2019, Teil 5

Diesmal eine Besprechung von letzter Woche als Nachtrag sowie eine weitere über einen heute anlaufenden Film.



Eine lange Vorrede wollen wir uns heute sparen, um möglichst schnell auf einen preisgekrönten Film aufmerksam zu machen, der schon letzten Donnerstag angelaufen war. Darüber hinaus folgt danach die erste Besprechung eines Filmes, von den Filmstarts dieser Woche.

Weitere Filmkritiken werden wir wahrscheinlich erst im April veröffentlichen können, denn es stehen noch andere wichtige Themen dieser Tage an.

In Stuttgart laufen bereits die Vorbereitungen für das Internationale Trickfilm-Festival, das Ende April startet und als eines der wichtigsten Animationsfilmfestivals gilt, während in Berlin übermorgen, den 30. März 2019, die Preisvergabe der "Goldenen Kamera" stattfindet.

Die Funke Mediengruppe hatte den Preis in den letzten Jahren in Hamburg verliehen und kehrt nun nach Berlin zurück in die Hangars auf dem Flughafen Tempelhof.

Eine der Preisträger*innen ist die erst 16-jährige Schülerin Greta Thunberg, eine schwedische Klimaschutzaktivistin, die am Freitag zusammen mit vielen anderen Berliner Schülern gegen hohle Versprechungen der Politiker demonstrieren will.

Die von ihr ausgelösten „Schulstreiks für das Klima“ sind inzwischen zur globalen Bewegung „Fridays For Future“ gewachsen. Damit möchte sie erreichen, dass nicht nur Schweden, sondern auch Deutschland sowie die ganze Welt das Übereinkommen von Paris einhält.

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"OF FATHERS AND SONS – Die Kinder des Kalifats" Dokumentation von Talal Derki (Deutschland, Syrien, Libanon). Seit 21. März 2019 im Kino. Hier der Trailer:



TALAL DERKI ÜBER SEINEN FILM:
„Nach meinem Dokumentarfilm RÜCKKEHR NACH HOLMS über den jungen Rebellen Basset Sarut und seine Kampfgefährten wollte ich tiefer eindringen in die Emotionen und in die Psychologie des Krieges in Syrien. Ich wollte verstehen, warum Menschen sich radikalisieren und was sie dazu bewegt, nach den strikten Regeln des sogenannten Islamischen Staates zu leben. In den Medien wird der Krieg oft als ein Schachspiel dargestellt – und der Islam als das Böse abgestempelt. Wenn wir Bilder aus diesem Krieg sehen, haben wir häufig das Gefühl, dies sei eine irreale Parallelwelt. Deshalb wollte ich in "FATHERS AND SONS – DIE KINDER DES KALIFATS" eine direkte Beziehung zwischen Protagonisten und Publikum herstellen. Ich wollte die Zuschauer – durch die Bilder meiner Kamera – mitnehmen auf meine Reise.“

Ulrikes Filmkritik:

Der in Damaskus geborene Filmemacher Talal Derki lebt seit 2014 in Berlin. Für seinen Film „Of Fathers and Sons“ reist er nach Idlib im Norden Syriens. Er geht ein hohes Risiko ein, indem er sich als Kriegsreporter und Sympathisant des Salafismus ausgibt. Begleitet wird er von seinem Kameramann Kahtan Hasson.

So erschleicht er sich das Vertrauen von Abu Osama, einem hochrangigen Führer der Al-Nusra-Brigaden, der seine Söhne zu Kämpfern im Sinne des Salafismus erzieht. Seine beiden ältesten, von insgesamt acht Söhnen, Ayman (12) und Osama (13) tragen die Vornamen des Gründers der Terrorgruppe Al-Quaida, Osama bin Laden und dessen Stellvertreter, Ayman Al Zawahiri. Der Rest der 12 Geschwister sind Mädchen, die man während des Films nicht zu Gesicht bekommt.

Als eines der Mädchen es wagt vor die Tür zu treten, wird sie von den Jungen mit dem Tod bedroht. Auf Schulmädchen wird mit Steinen geworfen. Talal Derki wurde es strikt verboten Frauen zu fotografieren.

Zwei Jahre begleitete Derki den Rebellenführer Abu Osama und seine Söhne, in deren Wohngebiet die syrische Armee vor ihrem Rückzug, Strassen, Felder und Ruinen verminte. Bei der Entschärfung verlor Abu Osama einen Fuss. Als er von Freunden aus dem Krankenhaus in sein Haus getragen wird, hört man das Klageschrei mehrerer Frauen, sichtbar werden sie nicht.

Abu Osama, der im Gefängnis selbst gefoltert wurde und an skrupellosen Gräueltaten beteiligt war, ist seinen Söhnen gegenüber ein liebevoller Vater. Ähnlich den Erzählungen erwachsener Kinder von Nazi-Vätern, die den Vater während ihrer Kindheit als durchaus liebevoll in Erinnerung haben.

Tief verwurzelt in seinem Glauben ist Abu Osama der festen Überzeugung, das Richtige von seinen Söhnen zu verlangen. Statt zur Schule zu gehen, müssen sie den Koran studieren und in einem Militärcamp müssen sie an paramilitärischen Übungen teilnehmen. Nebenfächer: Disziplin und Gehorsam, mit dem einzigen Ziel sie zu „Gotteskriegern“ zu formen. Einer der beiden Brüder sagt an einer Stelle, dass er viel lieber zur Schule gehen möchte. Widerwillig fügt sich der sensible Ayman dem Willen seines Vaters, in dessen Haus ständig die Formel „Lobet Gott , denn Gott ist gross“ gebrabbelt wird und macht, was ihm gesagt wird.

Am Ende des Films ahnen wir Zuschauer welch hohen Preis, besonders die Kinder in diesem abscheulichen Krieg zahlen müssen, unter dem Deckmantel des religiösen Wahns. Eine Form von Gewalt, die sich peu í  peu in die Seelen der Kinder schleicht. Die Saat geht auf, in einer hermetisch abgeriegelten Welt.

Talal Derki: „Der salafistische Dschihadist ist die Spitze der Radikalisierungs-Bewegung in der Welt von heute. Aber Radikalismus begründet sich nicht nur in einer Religion, es gibt ihn genauso in der Politik, es gibt ihn überall“.

Leider, leider ja.
Ulrike Schirm


„Of Fathers and Sons – Die Kinder des Kalifats“ wurde mit über 30 Filmpreisen ausgezeichnet.

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"Ein GAUNER & GENTLEMAN" Biopic-Dramödie von David Lowery (USA). Mit Robert Redford, Sissy Spacek, Tika Sumpter u.a. ab 28. März 2019 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Forest Tucker (Robert Redford) ist ein Bankräuber aus Leidenschaft. Jeder, sogar die Geprellten schwärmen von seiner Höflichkeit. Sein Lebenlang macht er nichts anderes. Trotz unzähliger Gefängnisaufenthalte und cleveren Ausbrüchen (achtzehnmal ist ihm die Flucht aus dem Knast gelungen), kann er, kaum wieder in Freiheit, von seinen gewaltlosen Raubzügen nicht lassen.

Tucker, ein charmantes Schlitzohr vor dem Herrn, marschiert seelenruhig in die Bank, lüftet mit einem Lächeln sein Jackett, unter dem eine Pistole hervorlugt, fragt höflich nach dem Manager oder spaziert gleich zur Kasse. Es dauert keine zehn Minuten und der höfliche Gentleman alter Schule, verlässt den Ort seiner „Schandtat“ mit einer Aktentasche voller Geld. Im Hintergrund wird er von zwei Komplizen unterstützt, einer von ihnen wird gespielt von Tom Waits (bekannt als Sänger mit der Reibeisenstimme und aus Jim Jarmuschs Film "DOWN BY LAW", der andere Danny Glover aus "LEATHAL WEAPON".

Es ist der 26. Juli 1981. Tucker ist mal wieder auf der Flucht vor der Polizei, als er die verwitwete Jewel (Sissy Spacek) kennenlernt. Die beiden flirten miteinander und siehe da, es entsteht eine zarte Liebesgeschichte. Auch Juwel kann sich seinem Charme nicht entziehen. Noch ahnt er nicht, dass sich Detective John Hurt (Casey Affleck) dicht auf seinen Fersen ist. Wie sagt seine Frau so nebenbei? „Dein Lieblingsräuber hat mal wieder zugeschlagen“. Für die Senioren-Gang wird`s eng. Hurt hat gute Vorarbeit geleistet, doch nun will das FBI den Fall übernehmen. Hurt ermittelt auf eigene Faust weiter.

David Lowery („A GHOST STORY") hat diese wahre Geschichte mit einem köstlichen Augenzwinkern inszeniert.

Angeblich soll es Redfords letzte Rolle sein. Wenn das wirklich stimmt, dann verabschiedet sich der 83-Jährige von der Leinwand mit einem Auftritt, der noch lange in Erinnerung bleibt. Ihm dabei zuzusehen bereitet ein diebisches Vergnügen. (Allein zweiundneunzig Überfälle in drei Jahren).

Ein grosses Lob an Sissy Spacek, die zu den wenigen Hollywoodstars gehört, die ihr Gesicht nicht mit Botox oder Hyaluron-Füllungen auf jugendlich getrimmt hat.

Ulrike Schirm




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