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Letzte Filmkritiken im Dezember 2018, Teil 4

Zwei Filmkritiken von uns und ein Workshop-Hinweis der Filmarche Berlin.



Ein kleiner Hinweis auf Twitter und schon laufen die Server der filmARCHE Berlin heiß. Europas größte selbstorganisierte Filmschule feiert im Mai ihr 15-jähriges Jubiläum. Obwohl der Studienabschluss auf der filmARCHE nicht staatlich anerkannt ist, kommen immer wieder interessante Projekte zustande. Neben der mehrere Semester umfassenden Filmausbildung werden gelegentlich auch Workshops durchgeführt.

Einer dieser Workshops wurde gestern auf Twitter angepriesen und war im Nu ausverkauft. Allerdings gibt es eine Warteliste, falls jemand nach Silvester wieder abspringen sollte. In dem 2-tägigen Workshop, der am 19.+20. Januar 2019 stattfinden soll, wird es anhand aktueller Projekte der Teilnehmerinnen darum gehen, wie eine Idee entwickelt werden kann, damit ein Film, eine Serie, ein Online-Format oder VR-Projekt daraus wird.

Anmeldung, Infos und Warteliste hier
Link: www.filmarche.de

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Auch wir veröffentlichen die Schlagzeilen unserer BAF-Blog-Einträge wie z.B. nachfolgend zwei Filmkritiken täglich auf Twitter kurz nach Mitternacht unter #FilmBlogBerlin und in erweiterter Form auch auf Facebook unter Berliner.Arbeitskreis.Film, sodass sich die Meldungen auch direkt aus den Social-Media-Netzwerken aufrufen lassen.



"SHOPLIFTERS – FAMILIENBANDE" Drama von Hirokazu Kore-eda (Japan). Gewinner der Goldenen Palme in Cannes 2018. Mit Lily Franky, Sakura Andí´, Mayu Matsuoka u.a. seit 27. Dezember 2018 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Tagelöhner Osamu Shibata (Lily Franky) mit seinem Sohn Shota (Kairi Jyo) los, um sich Lebensmittel zu klauen, sonst würden sie hungern. Geschickt verständigen sie sich mit einer ausgeklügelten Zeichensprache. Zur Familie gehören seine Frau Nobuyo, deren Schwester Aki und die Grossmutter Hatsue, deren kleine Rente nicht für alle reicht. Auf dem Nachhauseweg freuen sich Vater und Sohn schon auf das Mahl, was nun zubereitet werden kann.

Irgendwie fühlen sie sich von einem kleinen Mädchen beobachtet. Beim Näherkommen bemerkt Osamu, dass die Kleine unendlich traurig zu sein scheint. Und weil er ein gutes Herz hat, nehmen sie das Kind mit zu sich nach Hause. Nach dem gemeinsamen fröhlichen Essen, bringen sie das Kind ins Bett und bemerken ihre blauen Flecken und Brandwunden, eindeutige Anzeichen, dass sie misshandelt wurde.

Obwohl es schon eng genug ist in ihrem heruntergekommenen Häuschen, beschließen sie, die kleine Yuri bei sich zu behalten. Durch die liebevolle Behandlung, fasst die Kleine immer mehr Vertrauen zu den einzelnen Familienmitgliedern. Zufällig bekommt die Familie mit, dass nach Yuri im Fernsehen gesucht wird, obwohl keine Vermisstenanzeige von ihren Eltern aufgegeben wurde.

Eigentlich steht Osamu nun als Entführer der Kleinen da. Da sie das Mädchen nicht mehr missen wollen, schärfen sie ihm ein, dass sie jetzt Lin heißt und die Haare schneiden sie ihr kurz. Auch Lin ist inzwischen mit unterwegs auf den Diebestouren. Trotz aller Armut strahlt die Familie eine besondere Fröhlichkeit aus und alle sind füreinander da.

Die Geschichte, die der renommierte japanische Regisseur Hirokazu Kore-Eda ("LIKE FATHER, LIKE SON") auf die Leinwand gebracht hat, ist ganz grosses Kino. Kore-Eda zeigt mit dem Daumen auf die schreiende soziale Ungerechtigkeit, die es in Japan, trotz all der wunderbaren Traditionen, verstärkt gibt. Das macht er mit einem großen Herzen und ganz viel Empathie für die, die an den Rand der Gesellschaft gedrängt wurden. Mit leichter Hand zeigt er die Doppelmoral einer widersprüchlichen Nation, deren Gesellschaft sich kühl aber dennoch irgendwie korrekt verhält, im Gegensatz zu der prekären, kleinkriminellen Familie Shibata, die in ihrer Not so viel Wärme und Fröhlichkeit besitzt.

Auch wenn es in der Familie durchaus schmerzhafte Momente gibt und ein unvorhergesehener Vorfall, gut versteckte Familiengeheimnisse enthüllt, wachsen einem die Menschen ans Herz. „Shoplifters – Familienbande“, ein Portrait über eine Familie, die letztendlich zu ihren kleinkriminellen Handlungen gezwungen wird und trotz widriger Umstände nicht auseinderbricht, wurde bei den Filmfestspielen in Cannes (2018) mit der Goldenen Palme ausgezeichnet. „Shoplifters“ hat große Chancen, 2019 als bester fremdsprachiger Film, den Oscar zu gewinnen.

Ulrike Schirm


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MARY SHELLEY Historiendrama von Haifaa Al Mansour (Großbritannien, Irland, Luxemburg). Mit Elle Fanning, Douglas Booth, Tom Sturridge u.a. seit 27. Dezember 2018 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

"FRANKENSTEIN" oder der moderne Prometheus, diesen Roman schrieb die 19-jährige Engländerin Mary Shelley 1816. Ein Meisterwerk der Literaturgeschichte. Der Film „Mary Shelley“ begleitet sie, bis zur Veröffentlichung ihres Buches.

Großgeworden ist sie in einer ziemlich armen Familie, ihr Vater William Godwin, Philosoph und Buchhändler, der bekannt war für seine anarchistischen Schriften. Ihre Mutter, Mary Wollstonecraft, die wenige Tage nach ihrer Geburt starb, („Krieger, wie deine Mutter, haben nie lange gelebt“, Worte ihres Vaters) veröffentlichte 1792 eine für damalige Zeiten bedeutende Schrift, mit dem Titel: “Eine Verteitigung der Rechte der Frau“. Ihr Hauptwerk ist die Untersuchung über die „POLITISCHE GERECHTIGKEIT“, 1793. Ein Werk, dass als „utopischer Anarchismus“ bezeichnet wird. Obwohl die junge Mary (Elle Fanning) ihre Mutter nicht kannte, wird sie von ihr vergöttert.

Die Anfangsszene zeigt Mary, wie sie am Grab ihrer Mutter sitzt und Horrorromane liest. In ihrer Freizeit liebt sie es Gothic- Stories zu schreiben. Zuhause läuft alles ziemlich chaotisch ab, es dreht sich alles um Lesen und Schreiben. So richtig wohl fühlt sie sich nicht, da sie sich mit ihrer Stiefmutter nicht versteht. Ihr Vater macht kurzen Prozess und schickt Mary nach Schottland, wo sie bei Verwandten unterkommt. Dort soll sie sich ihrem großen Talent, der Schriftstellerei widmen, ihre eigenen Worte finden, nicht die Worte anderer.

Sie lernt den jungen wilden Poeten Percy Bysshe Shelley (Douglas Booth) kennen und verliebt sich in ihn. Es entwickelt sich eine stürmische Liebesbeziehung, die von Höhen und Tiefen gekennzeichnet ist. Zu der sich später noch ihre Stiefschwester Claire (Bel Powley) dazugesellt, eine Ménage á trois. So nach dem Motto, wir sind doch unkonventionell und frei.

Das Geld ist knapp und Percy, der schon ein Kind aus erster Ehe hat, ist nicht sehr erbaut als Mary schwanger wird und ein Frühchen zur Welt bringt, das kurze Zeit später stirbt. Mary fällt in eine Depression. Um sich abzulenken, fahren sie nach Genf, wo sie sich mit dem exzentrischen, berühmten, selbstverliebten Lord Byron und dem Wissenschaftler John Polidori auf Byron's Anwesen treffen. Es war regnerisches Wetter, alle langweilten sich, Byron schlug vor, jeder solle doch etwas schreiben und sie schlossen eine Wette ab, wessen Traktat das bessere ist. So entstand der berühmte Roman "FRANKENSTEIN", geschrieben von einer Frau, gerade mal 19 Jahre alt, die darin verklausuliert ihren Schmerz, ihre Einsamkeit an der Seite eines sorglosen Hallodris und ihre traurige Entfremdung in Gestalt eines Schauerromans schildert. Man könnte es als einen Geniestreich bezeichnen. Besonders, da Fanning ihre Rolle sehr ernsthaft und aufrecht spielt und ihre Emotionen hinter einer fast coolen Fassade versteckt. Ein bisschen mehr Radikalität hätte ihr gut getan.

Haifaa Al-Mansour („Das Mädchen Wajda") erzählt die Geschichte aus Marys Sicht, die sich in einem unschönen Strudel von Ereignissen befindet, denen leider oftmals eine innere Logik fehlt.

Worum geht es in "FRANKENSTEIN"? Es ist die Geschichte eines jungen Wissenschaftlers, der sich mit Chemie beschäftigt, forschte und experimentierte, solange, bis es ihm gelang, tote Materie zu beleben. Er schuf aus Leichenteilen ein Wesen, ein Monster, hässlich und abstoßend. Man geht stark davon aus dass sich hinter dem Monster die Person Percy Shelley verbirgt.

Ulrike Schirm




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