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AFRIKAMERA: im Arsenal - und drei aktuelle Filmkritiken im November 2018, Teil 2

Afrikamera will die Präsenz des aktuellen afrikanischen Filmgeschehens in der Hauptstadt zu fördern.



Spezielle Filmfestivals benötigen spezielle Orte, um ihr Publikum zu erreichen. Deshalb findet das vor mehr als 10 Jahren von einer non Profit Organisation gegründete afrikanische Filmfestival auch in diesem Jahr wieder im Berliner Kino Arsenal vom 13.-18. November 2018 statt.

Ziel des Filmfestivals Afrikamera ist es, die Präsenz des aktuellen afrikanischen Filmgeschehens in der Hauptstadt zu fördern. Mit jährlich wechselnden, thematischen Schwerpunkten setzt sich das Festival mit Fragestellungen auseinander, die junge Filmemacher und Filmemacherinnen der Post-Independence Generation Afrikas bewegen. In diesem Jahr liegt der Schwerpunkt auf dem Horn von Afrika, der vor allem für bewaffnete Konflikte sowie für politische, soziale und humanitäre Krisen bekannt ist, weniger für seine Kinokultur. Hier der Trailer:



AFRIKAMERA versteht sich als eine permanente Plattform des Dialogs zwischen afrikanischen Filmemachern und dem Berliner Publikum und als Ort des Austauschs zwischen Filmschaffenden, Produzenten und Verleihern. Hierfür arbeitet AFRIKAMERA mit den großen afrikanischen Filmfestivals von Marrakesch bis Durban zusammen.

AFRIKAMERA 2018 – Horn von Afrika präsentiert diesmal eine Auswahl aktueller Spiel- und Dokumentarfilme aus der und über die östlichste Region Afrikas mit ihren Staaten Somalia, Äthiopien, Dschibuti und Eritrea sowie aus benachbarten ostafrikanischen Ländern wie Kenia, Uganda und Ruanda. Zudem präsentiert AFRIKAMERA in einem Doppelprogramm zwei aktuelle Dokumentarfilme aus Gabun und der Elfenbeinküste.

Darüber hinaus ist auch Tunesien am Samstag, den 17.11.2018 mit vier Kurzfilmen vertreten.

Das am letzten Tag, den 18.11.2018 um 21:00 Uhr gezeigte Coming-of-Age-Drama "LAMP" war der erste Langfilm des äthiopischen Regisseurs Yared Zeleke und zudem die erste äthiopische Produktion, die im Jahre 2015 beim Filmfestival in Cannes gezeigt wurde. Der Film zeichnet ein ungewöhnliches Porträt des neunjährigen Ephraim. Hier der Trailer:



Synopsis:
Nach dem Tod der Mutter bringt ihn sein Vater zu Verwandten. Doch der Junge kann sich mit der Lebensweise der Bergbauern nur schlecht anfreunden. Trost spendet ihm sein bester Freund Chuni, ein Lamm ”¦


Weitere Infos zum Programm hier beim Arsenal - Institut für film und videokunst e.V.

Link: www.afrikamera.de

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Wegen der vielen Filmfestivals, auf die wir im Herbst immer unseren Fokus legen, können wir diesmal nur drei Filmkritiken zu aktuell im Kino gestarteten Filme beisteuern. Darunter aber ein fast vierstündiges Meisterwerk des jung durch Suizid verstorbenen chinesischen Regisseurs und Schriftstellers Hu Bo, im Verleih des Arsenal Instituts.

"AN ELEPHANT SITTING STILL" Drama von Hu Bo (China). Mit Peng Yu Chang, Yu-Wen Wang, Liu Congxi u.a. ab 15. November 2018 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

In der nordchinesischen Stadt Manzhouli soll es dem Gerücht nach einen Elefanten geben, der einfach nur dasitzt und die Welt ignoriert.

Der chinesische Regisseur Hu Bo begleitet in seinem 230 minutenlangem Film (keine Angst, die Zeit vergeht wie im Fluge) einen Tag lang vier Protagonisten, deren Wege sich in einer grauen, öden, trostlosen chinesischen Provinzstadt kreuzen.

Es ist ein grauer Wintertag. Jeder von ihnen wächst in einem lieblosen Zuhause auf. Das Leben nervt. „Jeder kann seine Zeit mit sinnlosem Scheiß verplempern und dabei noch wie ein Profi aussehen“ bemerkt einer von ihnen so nebenbei.

Der 60-jährige Herr Wang soll von seiner Familie in ein Heim abgeschoben werden, sein kleiner Hund wird von einem entlaufenen großen, weißen Hund totgebissen, der von einer keifenden Frau gesucht wird. Yang Cheng sieht wie sein bester Freund Selbstmord begeht. Wei Bu schubst seinen Peiniger, von dem er in der Schule auf das Übelste gemobbt wird, die Treppe hinunter, seine Freundin hat eine Affaire mit dem Co-Direktor der Schule, eine Art Flucht vor der Lieblosigkeit ihrer Mutter. Jeder von ihnen ist irgendwie ein Opfer. „Egal wo du hingehst“ sagt der Alte „dort wird es auch nicht besser. Bleib hier und lerne, die Probleme zu lösen“.

Wut und Enttäuschung äußern sich in einer rauen, hoffnungslosen Sprache und begleiten den ganzen Film, der durch seine dichte Atmosphäre und der schmerzhaft poetisch gestalteten Bilder einem Geniestück gleich kommt und alles andere als nihilistisch ist. Am Ende des virtuos erzählten Films, finden sich die vier Menschen zusammen und fahren mit dem Bus nach Shenyang, um den Elefanten im Zoo von Manjur beim Stillsitzen zuzusehen, in der Hoffnung auf einen Ausweg und mit der Sehnsucht nach einem anderen, besseren Ort. In der Ferne hört man das Trompeten des Tieres, das man nicht sieht und das so zum Symbol ihrer Sehnsüchte wird.

Hu Bo, der in China mit seinen Romanen für Aufsehen sorgte, glänzt mit einem meisterhaften Regiedebüt. Am 12. Oktober 2017 setzte er mit 29 Jahren seinem Leben ein Ende. An der Premiere seines Films auf der diesjährigen Berlinale nahm er nicht mehr teil. Ein wertvolleres Testament kann man wohl kaum hinterlassen.

Ulrike Schirm


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"AUFBRUCH ZUM MOND" (O.T. 'FIRST MAN') Biopic-Drama von Damien Chazelle (USA). Mit Ryan Gosling, Claire Foy, Jason Clarke u.a. seit 8. November 2018 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Neil Alden Armstrong (5. Aug. 1930 – 25. Aug. 2012) war ein US – amerikanischer Testpilot und Astronaut. Er war der Kommandant von Apollo 11, die mit Buzz Aaldrin und Michael Collins zum Mond flog. Am 21. Juli 1969 betrat Armstrong als erster Mensch den Mond, mit den Worten: „Dies ist ein kleiner Schritt für den Menschen aber ein riesiger Sprung für die Menschheit“.

Damien Chazelle's Film "AUFBRUCH ZUM MOND" (O.T. 'FIRST MAN') beruht auf der gleichnamigen Armstrong Biografie von James R. Hansen.

Eingepfercht wie in einer Blechbüchse, umgeben von einem Höllenlärm, mit schweißnassem Gesicht unter dem Helm, der Körper eingepackt im weißen Schutzanzug übersteht Neil Armstrong (Ryan Gosling) den gewaltigen Schub ins Weltall. Damals ein Unterfangen auf Leben und Tod.

Das spannungsgeladene Drama wird aus der Perspektive Armstrongs erzählt.

Chazelle ("La La Land", "Whiplash") zeigt in ungeschönten Bildern das harte Training der Männer, die wiederholten Raketentests, bei denen einige ihr Leben lassen mussten und widmet sich gleichzeitig dem Menschen Armstrong in seinem privaten Umfeld und das macht er historisch sehr genau.

Der verschlossene Armstrong lebt mit seiner Frau (Claire Foy) seinen beiden Söhnen und der todkranken Tochter zusammen. Nach dem Tod der Tochter, den Schmerz darüber frisst er regelrecht in sich hinein, trainiert er wie ein Besessener, um sich abzulenken. Obwohl seine Ehe stark belastet ist, lässt er sich, jetzt erst recht, nicht davon abbringen, der erste Mensch auf dem Mond zu sein, während seine Frau versucht den Alltag mit den zwei Söhnen zu bewältigen.

Die tragische Familiengeschichte wird ohne jeden Pathos erzählt. Um so mitreißender und bildgewaltig sind die Raumfahrtsequenzen in Szene gesetzt. Die Montage aus Bild und Ton in dieser grenzüberschreitenden Situation ist atemberaubend.

Der wunderbar wandlungsfähigen Claire Foy wünscht man einen Oscar für die beste Nebenrolle.

Ulrike Schirm


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"DER TRAFIKANT" Drama von Nikolaus Leytner (Österreich, Deutschland). Mit Simon Morzé, Bruno Ganz, Johannes Krisch u.a. seit 1. November 2018 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Nikolaus Leytner: „Auf Robert Seethalers Roman bin ich durch eine Rezension aufmerksam geworden, die mich neugierig gemacht hat. Ich habe das Buch unmittelbar nach seinem Erscheinen gelesen. Seite für Seite mit wachsender Begeisterung. Und ich dachte: Das ist ein aussergewöhnlicher, ein wunderbarer Filmstoff“.

Makaber humorig der Anfang des Films. Die Mutter des jungen Hauptdarstellers hat Sex in der freien Natur. Ein Gewitter zieht auf. Um sich abzukühlen springt ihr schon etwas älterer Liebhaber in den See. Es kracht und blitzt, der Mann taucht nicht wieder auf. Das Wasser wird später noch eine symbolische Rolle spielen und das es kracht und donnert im übertragenen Sinne ebenfalls. Nur schmunzeln kann man dann nicht mehr.

Kurz nach dem tragischen Vorfall, wird der 17-jährige Franz (Simon Morzé) von seiner Mutter Margarete Huchel (Regina Fritsch) aus seinem Heimatdorf am Attersee nach Wien geschickt, um bei einem früheren Liebhaber von ihr, in die Lehre zu gehen. Er soll bei dem kriegsversehrten, etwas grummeligen Trafikanten Otto Trsnjek (Johannes Krisch) lernen, einen Tabakladen zu führen.

(Trafikant ist der österreichische Ausdruck für einen Tabakladenbetreiber).

Franz lebt sich schnell ein. Ein Kunde fällt ihm ganz besonders auf. Es ist der 82-jährige Prof. Dr. Freud (Bruno Ganz), im Ort liebevoll der „Deppendoktor“ genannt. Als der seine Zigarren auf dem Ladentisch liegenlässt, eilt Franz zu ihm nach Hause. Bei einem Gespräch rät ihm der „Alte“ sich ein Mädchen zu suchen, mit den Worten „man muss das Wasser nicht verstehen, um hineinzuspringen“.

Auf dem Rummelplatz verliebt sich der unbedarfte Junge prompt in die ziemlich frivole und berechnende Varieté – Tänzerin Anezka ((Emma Drogunova), die ihn schon nach ihrem ersten Beisammensein wieder verlässt. Der bis über beide Ohren verliebte Franz flüchtet sich in seinem Kummer in wilde Träume, in denen das Wasser wieder eine Rolle spielt. Auf Freuds Anraten, schreibt er die wilden Träume auf. Doch das hält ihn nicht davon ab, nach der Frau zu suchen. Es ist das Jahr 1937. Die politische Lage spitzt sich verheerend zu. Nach dem Anschluss Österreichs an das deutsche Reich wird der Demokrat Otto Trsnjek vom Fleischer nebenan wegen angeblicher Verbreitung unzüchtiger Magazine denunziert und verhaftet. Nun muss Franz alleine den Laden führen. Er ist jetzt der Trafikant.

Zum letzten Mal besucht er seinen väterlichen Freund. Gezwungenermaßen muss der lebenskluge alte Mann, nach England emigrieren. Zum Abschied schenkt er ihm einige kubanische Zigarren. Der Abschied von dem berühmten Psychoanalytiker fällt dem Jungen sehr schwer.

Wie lange sich Franz noch an die, für heutige Verhältnisse altmodischen Formulierungen „Mit den Frauen ist es wie mit den Zigarren. Wenn man zu fest an ihnen zieht, verweigern sie ihren Genuss“ oder „An den Klippen zum Weiblichen zerschellen selbst die Besten von uns“ die sein väterlicher Freund ihm mitgegeben hat, erinnern wird, weiß man nicht.
Der etwas bieder inszenierte Film besticht durch das viel zu frühe Erwachsenwerden seines jungen Hauptdarstellers und dem verschmitzten Lächeln , mit dem Bruno Ganz die freudschen Weisheiten von sich gibt. Eine zu Herzen gehende Coming-of- Age-Geschichte in der tiefbraunen Zeit unserer Geschichte.

Ulrike Schirm



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