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Kriegsdrama »DER HAUPTMANN« beeindruckt FBW-Jury

Die Deutsche Film- und Medienbewertung zeichnete drei aktuelle Filme mit dem FBW-Prädikat "besonders wertvoll" aus.



Neben Robert Schwentkes Kriegsdrama "DER HAUPTMANN", das wir etwas weiter unten in unserer Reihe der Filmkritiken ausführlich besprechen, wurden auch der Naturdokumentarfilm "UNSERE ERDE 2" und Josef Bierbichlers Verfilmung "ZWEI HERREN IM ANZUG", die auf seinem eigenen autobiografischen Roman "Mittelreich" beruht, von der Deutschen Film- und Medienbewertung mit den FBW-Prädikaten "besonders wertvoll" ausgezeichnet.

"ZWEI HERREN IM ANZUG" Drama von Josef Bierbichler (Deutschland). Mit Josef Bierbichler, Martina Gedeck, Irm Hermann, Simon Donatz, Johan Simons, Peter Brombacher u.a. ab 22. März 2018 im Kino. Hier der Trailer:



Dazu schreibt die Expertenrunde der FBW:

In "großartigen Kinobildern, die bis ins kleinste Detail präzise ausgestattet sind und an die Tradition des Kinos von Fassbinder und Achternbusch anknüpfen", erzählt Bierbichler eine Saga aus dem 20. Jahrhundert. Der Sohn und der Vater treffen bei der Beerdigung der Mutter aufeinander. Sie streiten wie immer und beginnen aus der Sicht ihres "kleinen Kosmos, die große Welt zu erzählen" so die Jury.


Bei der heftigen Unterredung leisten ihnen zwei Herren im Anzug Gesellschaft, die Vater und Sohn zwar unbekannt sind, ihnen aber gleichwohl als Stichwortgeber dienen, um einen derben Rundumschlag von den beiden Weltkriegen über bayerische Traditionen bis hin zur Verlogenheit der katholischen Kirche, anzetteln zu können. Dabei wird nicht mit schockierenden Bildern über die Verführung des damals minderjährigen Knaben durch einen Pastor nicht gespart, sodass sich Vater und der inzwischen erwachsene Sohn in ihren gegenteiligen Ansichten über Gott und die Welt bis zum Schluss nicht näher kommen. Ein uralter Generationskonflikt, der aus verschiedenen Anlässen, immer wieder aufs Neue entsteht.

W.F.

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"DER HAUPTMANN" Kriegsdrama von Robert Schwentke (Deutschland). Mit Max Hubacher, Milan Peschel, Frederick Lau u.a. seit 15. März 2018 im Kino.

Robert Schwentkes Kriegsdrama "DER HAUPTMANN" basiert auf einer wahren Begebenheit, die sich in Norddeutschland in den letzten Tagen des zweiten Weltkrieges zugetragen hat. Ein Soldat namens Willi Herold findet die Uniform eines Offiziers und schlüpft mit der Kleidung in die Rolle des hochrangigen Soldaten. Seine Mitmenschen glauben ihm und folgen seinen Befehlen. In den chaotischen Tagen des Zusammenbruchs des Dritten Reiches begeht er mit der Hilfe eines zusammengewürfelten Haufens von versprengten Soldaten Gräueltaten an vermeintlichen Deserteuren, Plünderern, Verrätern und den Insassen eines Gefangenenlagers.

Kameramann Florian Ballhaus, Sohn des verstorbenen großen Kameramanns Michael Ballhaus, hat sich für einen Schwarz-Weiß-Film entschieden, damit die Bracken nicht wie eine Kleingartensiedlung aussähen. Wenn man die Schwärzen runterzieht, bekommt man einen ganz anderen Effekt und eine Wirkung auf den Zuschauer, die man mit dem zu Verfügung stehenden Budget sonst gar nicht anders hätte erreichen können. Zudem vermied er ein anamorphotisches Breitbild, weil das Format zur damaligen Zeit noch nicht existierte.

"Robert Schwentke erzählt die Geschichte mit einer bemerkenswerten künstlerischen Radikalität in Schwarzweißbildern. Und weil DER HAUPTMANN auf allen Ebenen (Drehbuch, Regie, Kamera, Schauspiel, Ausstattung, Schnitt, Musik) künstlerisch konsequent und souverän umgesetzt wurde, wird er mit dem Prädikat "besonders wertvoll" ausgezeichnet", schreibt die Jury in der Begründung für die höchste Auszeichnung, die die unabhängige Expertenrunde vergeben hat.


Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

April 1945. Kurz vor Kriegsende. Irgendwo im deutschen Niemandsland. Der 19-jährige Gefreite Willi Herold (Max Hubacher) flüchtet vor dem deutschen Offizier Junker (Alexander Fehling), der Jagd auf ihn macht. Völlig erschöpft, frierend und hungernd, mit einem Soldaten, den er unterwegs trifft, schleichen sich beide in einen Hühnerstall, um ein paar Eier zu stehlen. Dabei werden sie entdeckt, der Soldat kommt ums Leben, Herold kann fliehen.

Am nächsten Tag findet er in einem verlassenen Militärfahrzeug einen Koffer, indem sich eine Offiziersuniform und ein Paar Schuhe befinden. Da er damit rechnen muss, erschossen zu werden, streift er die perfekt sitzende Uniform über, auch die Schuhe passen wie angegossen. Wie aus dem Nichts taucht der Gefreite Walter Freytag (Milan Peschel) auf. Herold bleibt nichts anderes übrig, als in seiner Verkleidung die Rolle eines Hauptmanns so glaubwürdig, wie nur irgendwas, zu spielen. Gemeinsam ziehen beide weiter. Es ist erschreckend, wie schnell Freytag zum devoten Lakaien des Hauptmanns wird. Einige versprengte Soldaten scharen sich um Herold, froh, wieder einen Befehlshaber gefunden zu haben. Es stockt einem der Atem, als man miterlebt, wie Herold sich in der ranghohen Verkleidung zu einem sadistischen, skrupellosen Befehlshaber entwickelt.

Mit der Gruppe versprengter Soldaten um sich herum, bilden sie die Leibgarde Herold, vom Führer geschickt. Ohne mit der Wimper zu zucken, unter den Klängen „Oh du schöner Westerwald“ und in grölender Feierlaune, ordnet er in einem Straflager Massenerschießungen an. Besonders perfide, sein Befehl an Freytag, in die Grube zu steigen, um einen noch stöhnenden Gefangenen, direkt zu erschießen.

Aus der Angst heraus nicht aufzufallen, findet Herold immer größeres Gefallen an Grausamkeiten und begeht schwer zu ertragende Kriegsverbrechen.

Regisseur Robert Schwendtke blickt mit seinem Film "DER HAUPTMANN" tief in menschliche Abgründe. Herausgekommen ist ein vielschichtiger, schonungsloser Antikriegsfilm. Handwerklich ein Meisterwerk. Kameramann Florian Ballhaus (Sohn des verstorbenen, renommierten deutschen Kameramanns Michael Ballhaus) wurde für seine in schwarz-weiss Tönen gehaltene Kamera-Arbeit ausgezeichnet.

Das auf wahren Tatsachen beruhende Lehrstück über einen einfachen Soldaten, der dem Rausch der Macht verfällt, ist schwer zu ertragen. Max Hubacher spielt seine Rolle mit einer unglaublichen Wucht. Seine Rolle erinnert an „Das Experiment“, indem eine Gruppe von Studenten im Knast erst in die Rolle von Gefangenen schlüpfte und dann in der Rolle von Gefängniswärtern in kurzer Zeit ihr Verhalten aufs Übelste veränderten.

Ulrike Schirm


Texttafel vor dem Abspann:
(„Am 23. Mai 1945 wird der ehemalige Gefreite Herold in Wilhelmshaven von der Royal Navy für den Diebstahl von einem Laib Brot verhaftet. Im folgenden Verhör verstrickt er sich immer mehr in Widersprüche. Als sich herausstellt, welcher Kriegsverbrechen er sich schuldig gemacht hat, wird ihm der Prozess gemacht. Am 14. November 1946 wird Herold zusammen mit 6 seiner Komplizen hingerichtet. Er war 21“.)

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"UNSERE ERDE 2" Doku von Peter Webber, Richard Dale u.a. (Großbritannien, China). Mit der Stimme von Günther Jauch sowie Robert Redford und Jackie Chan in der OF. Seit 15. März 2018 im Kino.

Mit "UNSERE ERDE 2" hat sich das BBC Team gut 10 Jahre nach dem großen Kino-Erfolg von "UNSERE ERDE" für eine Fortsetzung des Natur-Dokumentarfilms zusammengetan. "One Amazing Day", so der englische Titel, führt den Zuschauer wieder an die fantastische Natur unseres Planeten heran, gewährt einzigartige Einblicke, zeigt unterschiedlichste Tierwesen, ihre Lebensräume und die Pflanzenwelt. Einige der Bilder dürften Fernsehzuschauer von Sendungen wie "Terra X" (ZDF) oder "Abenteuer Erde" (WDR) bekannt vorkommen, doch wirkt alles auf der großen Kinoleinwand noch viel eindrucksvoller.

Die fünfköpfige FBW-Jury vergibt hierfür das Prädikat "besonders wertvoll" und schreibt in ihrer Begründung: "Der Film zeigt die Schönheiten und Wunder unseres Planeten auf allen Kontinenten. Die spektakulären Bilder sind dynamisch geschnitten und choreographiert, gewürzt mit einer guten Prise Humor. Dazu lebt der Film ohne Zweifel von den überwältigenden Bildern, die ein vehementes Plädoyer für den Schutz des Planeten Erde sind."


Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

"Unsere Erde 2", ist die Fortsetzung des BBC Kinohits von 2007, erzählt von Günther Jauch. In 22 Ländern waren Richard Dale und Peter Webber mit ihrem 10-köpfigen Team unterwegs, um erneut die Wunderwelt unserer Flora und Fauna einzufangen. Vom Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang beobachten sie die Tiere bei ihrem Überlebenskampf, der schon kurz nach ihrer Geburt beginnt. Wir erfahren, dass Pottwale so alt werden wie Menschen und ein ausgeprägtes Sozialverhalten haben. Sie sind die größten Raubtiere der Welt und auch die lautesten mit dem größten Gehirn im gesamten Tierreich.

Auf den Galapagosinseln, wo das Leben Bedingungen ausgesetzt ist, die zu den härtesten auf der Erde gehören. Hier beobachten wir Meerechsen, Reptilien, die auf Sonnenenergie angewiesen sind, wie sie bisher auf der Leinwand noch nie zu sehen waren. Frisch geschlüpfte Leguane liefern sich spannende Verfolgungsjagden mit Galapagosnattern.

Knapp 2100 Kilometer östlich der Falklandinseln liegt Zavodovski, eine kleine Insel in der Subantarktis. Hier werden wir Zeuge, wie ein Zügelpinguin seiner Familie Nahrung heranschleppt. Eine Mammutaufgabe, muss das Tier doch vom fischreichen Wasser an Land 3,2 Kilometer auf seinen Watschelfüssen zurücklegen und dann auch noch unter 1,5 Millionen Pinguinen seine Familie finden.

„Unsere Erde“ gehörte 2007 zu den kommerziell einträglichsten Naturfilmen aller Zeiten und spielte 112 Millionen Dollar ein.

Nun, 10 Jahre später, die technischen Möglichkeiten haben sich weiterentwickelt, die Kameras sind noch vielseitiger einsetzbar, hat man sich überlegt, in Teil 2 die Geschichte an einem Tag, geprägt vom Verlauf der Sonne zu erzählen. „Der Sonnenaufgang ist der Weckruf alles Lebens“. Die Crew flog kreuz und quer durch die Welt, um die besonderen Verhaltensweisen der unterschiedlichen Spezies einzufangen, beginnend Frühmorgens, Vormittags, Mittags, Spätnachmittags, Abends und Nachts. Wenn die Sonne untergegangen ist, kommt eine völlig andere Welt zum Vorschein.

Es gibt so viel zu staunen und zu bewundern, dass einem ein Gedanke in den Kopf schnellt: „Wir müssen endlich begreifen, dass die Zukunft der vielseitigen Kreaturen auf unserm Planeten in unseren Händen liegt“. Diese bildgewaltige Doku ermöglicht uns ungeahnte Einblicke ins Reich der Tiere und der Pflanzen, deren Vielfalt an ein Wunder grenzt.

Ulrike Schirm


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Die beiden nachfolgenden Filme gehören zu unsren absoluten Lieblingsfilmen aus den aktuellen Arthaus-Charts. Sie wurden zwar schon Ende November auf dem Berliner Weltfilmfestival "Around the World in 14 Films" ein erstes Mal gezeigt, haben aber von ihre sozialkritischen Aktualität nichts verloren, sodass es schade wäre, diese Filme im Kino zu versäumen.

"THE FLORIDA PROJECT" Drama von Sean Baker (USA). Mit Brooklynn Prince, Bria Vinaite, Willem Dafoe u.a. seit 15. März 2018 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Regisseur Sean Baker hat ein Händchen dafür Armut zu thematisieren, ohne den erhobenen Zeigefinger moralisierend in die Luft zu strecken.

Orlando, Florida. Unweit von Disney World lebt die 6-jährige Moonee ( Brooklynn Prince) mit ihrer sehr jungen Mutter Halley (Bria Vinaite) in „The Magic Castle Motel“ an einem stark befahrenen Highway. Der Ort Kissimmee hat mal bessere Zeiten erlebt. Die bonbonfarbenen Motels wurden von reiselustigen Touristen bewohnt. Der Boom ist vorbei. Jetzt wohnen hier nur noch Menschen und Familien, die durch das soziale Raster gefallen sind.

Auch Moonees Mutter versucht mit kleinen Tricks und illegalen Jobs, das Geld für die Miete zusammenzukriegen. Und wenn sie gerade nichts tut, hängt sie mit ihrer Freundin Ashley, die eine Etage unter ihr mit ihrem Sohn lebt, ab. Wer hier lebt, ist absolut nicht auf den Mund gefallen. Ohne die nötige Portion Frechheit kommt man hier nicht weiter. Für die kesse Moonee ist Haley die beste Mutter der Welt. Sie hat immer Zeit für das kleine Mädchen, ist liebevoll und verliert nie die Geduld. Moonee und ihre Freunde betrachten die Welt um sich herum, als einen riesigen Abenteuerspielplatz. Auch wenn sie ab und zu über die Stränge schlagen, machen sie das mit so viel Witz, dass man ihnen nicht böse sein kann. Ihrer kindlichen Lebensfreude kann man sich nicht entziehen. Da ist ja auch noch Bobby (William Dafoe), der Manager von „Magic Castle“, der schützend seine Hand über die wilde Rasselbande hält und mehr als einmal beide Augen zudrückt. Da er auch in dem Motel lebt, weiß er bestens über die prekäre Situation in der die Bewohner sich befinden, Bescheid. Auch wenn er mal vor Wut schäumt, ist er sich seiner sozialen Verantwortung bewusst. Für die Kinder ist er so etwas, wie eine Vaterfigur. Als er aus einiger Entfernung mitkriegt, dass sich ein Pädophiler den arglosen Kindern nähert, ist es sein hellwacher Beschützerinstinkt, der den Kerl geschickt von den Kindern weglockt. Doch auch für ihn, gibt es den Moment, bei dem auch er nicht mehr beschützend eingreifen kann.

Baker hat, bis auf Dafoe, seine Protagonisten ausschließlich mit Laiendarstellern besetzt. Allen voran Brooklyn Prince, die Moonee nicht nur verkörpert, sondern aus ihrer Figur, so viel mehr rausholte, als im Drehbuch stand. Selten sah man in einem Film ein Kind, das so unbefangen und hochtalentiert agiert. Auch Bria Vinaite als Mutter, bringt eine Authentizität mit, die einen umhaut.

Und überhaupt, die mitreißende Darstellung der Kinder, aus deren Perspektive der Film erzählt wird, ist so großartig, dass man, trotz des beschämenden Anstiegs von Armut in den reichen Industrieländern, dieses Sozialdrama mit einer Fröhlichkeit quittiert, die trotz der deprimierenden Wahrheiten, dem Zuschauer einen Hoffnungsschimmer auf bessere Zeiten mit auf den Weg gibt und trotz des wunderbaren Humors, unser Bewusstsein für die Dinge in unserer Gesellschaft, die mehr als schief laufen, schärft. Es sind nicht nur die großartigen Schauspieler, die den Film so besonders machen. „The Florida Projekt“ besticht auch durch eine ganz eigene Bildsprache, die das Ergebnis von Bakers Zusammenarbeit mit dem preisgekrönten Kameramann Alexis Zabé ist. Der beschreibt die Ästhetik des Films ganz einfach als „Blaubeereis mit einer sauren Note“.

Traurig, dass allein Willem Dafoe in der Rolle des warmherzigen Managers eines Billigmotels für einen OSCAR nominiert wurde. Ich bin gespannt, ob dieser für mich bisher allerbeste Film des Jahres noch zu toppen ist. Ich glaube nicht.

Ulrike Schirm


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"LOVELESS" Drama von Andrey Zvyagintsev (Russland, Frankreich, Belgien, Deutschland) Mit Maryana Spivak, Alexey Rozin, Matvey Novikov u.a. seit 15. März 2018 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Zhenya und Boris, ein Paar aus der gehobenen russischen Mittelschicht, stehen vor dem Aus ihrer Ehe. Ihre Gefühle zueinander sind nur noch von gegenseitiger Verachtung geprägt. Die gemeinsame Wohnung steht zum Verkauf und weil sich keiner von beiden, um den zwölfjährigen Sohn Alyosha kümmern will, soll er in ein Heim gegeben werden. Den innerlichen Schmerz und die Einsamkeit, die der Junge verspürt, ist unerträglich mitanzusehen. Die Mutter, die längst eine neue Beziehung hat, erklärt ihrem Liebhaber, dass sie das Kind nie haben wollte. „Bei der Geburt hat mich der Junge regelrecht geekelt“. Auch der Mann hat eine neue Freundin. „Hast du nicht schon wieder eine Frau, ein Dummchen geschwängert und zerrst sie mit in deine Hölle“ schreit sie ihm entgegen. Das Problem, wohin mit dem ungeliebten Sohn, hat sich erledigt. Der Junge ist spurlos verschwunden. Wenigstens haben beide noch einen Hauch von Anstand und geben bei der örtlichen Polizei eine Vermisstenanzeige auf. Grosse Hoffnung, den Jungen zu finden, macht die ihnen nicht.

Letztendlich macht sich ein ehrenamtlicher Suchtrupp auf und versucht mit großem Engagement das verschwundene Kind zu finden. Alyoshas Schulfreund verrät die Stelle, wo er sein könnte und führt den Suchtrupp, an dem sich jetzt sogar die Eltern beteiligen, in ein leerstehendes Gebäude im Wald. Dort findet sein Vater Alyoshas Jacke. Kurze Zeit später, werden die Eltern in eine Leichenhalle gebeten, um den Leichnam eines unbekannten Kindes zu identifizieren. Obwohl es sich nicht um Alyosha handelt, löst das Erlebnis bei den Eltern so etwas wie eine tiefe Bestürzung aus. Überall hängen große Plakate mit dem Foto des Vermissten. Von dem Jungen fehlt weiterhin jede Spur.

Zhenya langweilt sich in der sterilen Wohnung ihres neuen reichen Freundes, der bei ihrer Frage, ob sie ein Monster sei, nur lapidar antwortet: "Ja aber ein sehr schönes“. Und Boris lebt in einer beengten Wohnung mit Freundin Mascha, deren Mutter und dem Baby. Eine erneute Tristesse scheint vorprogrammiert.

In nüchternen, grau-kalten Bildern ist Andrey Zvyagintzevs Ehedrama „Loveless“ von einer beklemmenden Weltuntergangsstimmung gezeichnet. Sein Blick auf die russische Gesellschaft ist ernüchternd und voller Pessimismus. Wobei, eine zunehmende moralische Verkommenheit macht sich nicht nur in diesem Land breit. „Zhenya und Boris stehen für viele moderne Mittelstandspaare, die ohne wirkliches Bewusstsein für sich selbst und andere und vor allem ohne jegliche Selbstzweifel vor sich hinleben und sich nur noch für andere interessieren, wenn sie von Nutzen sein können“, sagt Zvyagintzev. Am Beispiel des ehrenamtlich engagierten, selbstlosen Suchtrupps zeigt er einen Gegenentwurf einer Haltung, in der Hoffnung, der fortschreitenden Entmenschlichung entgegenzutreten. In der Ukraine sterben täglich Menschen auf den Straßen. Mehr als 2000 gelten als vermisst.

Ulrike Schirm












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