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Stetiges »auf und ab« bei den Arthouse Kinocharts

Oscar-Favorit verliert an Publikumsgunst - zwei Filmkritiken zu den Kinocharts.



Das neue übersichtliche Design des Portals Kino-Zeit hatten wir erst kürzlich vorgestellt, sodass wir nicht nochmals darauf näher eingehen wollen. Interessant ist aber dennoch die gelungene Übersicht zu aktuellen Filmen und deren Spielstätten, die alphabetisch sowohl nach Filmtiteln als auch nach Kinos aufgelistet werden können, während der Mitbewerber und Marktführer Kino.de eine Auflistung automatisch nach Mainstream und Publikumsrennern bevorzugt, wodurch die Arthouse-Favoriten meist hinten angestellt werden.

Leider werden dadurch oft cineastische Meisterwerke benachteiligt und auch der Vorwochenspitzenreiter und Oscar-Spitzenkandidat "Shape of Water - Das Flüstern des Wassers" ist in Berlin schon nach weniger als 14 Tagen wieder aus der Astor-Filmlonge am Kurfürstendamm verschwunden. Auch das Drama "Alles Geld der Welt", das ebenfalls einen besonders unglücklichen Starttermin genau zu Beginn der Berlinale hatte, wird seit heute durch "Call me by Your Name" in vielen Kinos ersetzt. Somit wurden beide Filme auf ungünstigere Tageszeiten oder in kleinere Kinosäle verschoben. Dafür gelang Steven Spielbergs "Die Verlegerin" als einzigem Neustart an seinem Startwochenende der Sprung direkt auf Platz eins der Top Ten in den von ComScore und der AG Kino ermittelten Arthouse-Kinocharts.

"DIE VERLEGERIN" Thriller von Steven Spielberg (USA). Mit Meryl Streep, Tom Hanks, Sarah Paulson u.a. seit 22. Februar 2018 im Kino. Hier der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

Katharine Meyer wuchs in N.Y. und Washington auf. Sie studierte an University of Chicago, war Reporterin bei der San Francisco News und arbeitete dann für die Zeitung ihres Vaters, die Washington Post. 1940 heiratete sie den Mitherausgeber Philip Graham und widmete sich dann der Erziehung ihrer Kinder. Nachdem Selbstmord ihres manisch-depressiven Mannes, war sie die Herausgeberin der Washington Post. Ihr Credo: „Man muss manchmal Dinge tun, die getan werden müssen“.

Es war damals nicht leicht, in einem von Männern dominierten Umfeld als Frau ernst genommen zu werden. Spielbergs Film DIE VERLEGERIN, im Original THE POST beginnt mit Szenen aus dem Vietnamkrieg 1971. Die US-Regierung weiß genau, dass der Krieg nicht zu gewinnen ist und nimmt den Tod junger Soldaten weiterhin in kauf. Ein abgebrühtes Vertuschungsdrama in dem insgesamt vier! US-Präsidenten verwickelt sind. Katharine „Kay“ Graham (Meryl Streep) steht vor einer schwierigen Entscheidung. Sie bereitet gerade den Börsengang des Blattes vor, als ihr Chefredakteur Ben Bradlee (Tom Hanks) fast zeitgleich mit der New York Times von einem Insider die sogenannten Pentagon Papers zugespielt bekommt. Ein „Leak“ von brisantem Ausmaß. Das Geheimdokument des US- Verteidigungsministeriums, 4000 Seiten voller Unwahrheiten, liefert den Beweis, dass die Bevölkerung über den Vietnamkrieg kaltblütig belogen wurde. Aktuell an der Macht Richard M. Nixon, der mit einschneidenden Maßnahmen droht, sollten die Papiere veröffentlicht werden. Bradlee, ein verbissener Vollblutjournalist, der alles tut , um seinem Beruf gerecht zu werden, lässt sich von den Drohungen nicht einschüchtern und drängt auf Veröffentlichung, egal, was für Konsequenzen es hat.

Kay Graham steht vor einer nervenaufreibenden Entscheidung, einem Zwiespalt zwischen Familie, Verantwortung und journalistischer Pflicht. Sagt sie ja, kann es den Verlust ihres Vermögens und ihrer Firma bedeuten. Hinzu kommt, dass sie sich gut und gerne auf dem gesellschaftlichen Parkett bewegt und Verteidigungsminister McNamara zu ihren engsten Freunden gehört. Hinzu kommt auch, dass Graham sich gegen eine Gruppe von frauenverachtenden Männern durchsetzen muss. Man möchte nicht unbedingt nachempfinden, was für einen inneren Kampf Graham mit sich ausfechten musste, um der Veröffentlichung zuzustimmen. Es ist gut, dass sich Spielberg dieses skandalöse Politdrama nochmal vorgenommen hat. Frauen bleiben ja gerne in der Geschichtsschreibung unerwähnt. Außerdem befinden wir uns in einer Zeit, in der die Verbreitung von Fake News mittlerweile zum Alltag gehört. Das Thema Pressefreiheit ist wichtiger denn je.

Leider spielt Meryl Streep ihre Rolle derartig verhuscht und trutschig, dass ich ihr die Verlegerin einer Zeitung, trotz aller Ressentiments, die ihr entgegenschlugen, nicht abnehme.

Ulrike Schirm


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Von "Alles Geld der Welt" hatten wir bereits am 10. Februar 2018 eine Rezension veröffentlicht. Hier folgt noch eine zweite Filmkritik:

"Alles Geld der Welt" Drama von Ridley Scott (USA). Mit Michelle Williams, Christopher Plummer, Mark Wahlberg u.a. seit 15. Februar 2018 im Kino. Hier nochmals der Trailer:



Ulrikes Filmkritik:

„Wenn ich auch nur einen Pfennig zahle, habe ich bald 14 entführte Enkel“ sprach der US – Industrielle Jean Paul Getty, damals der reichste Mann der Welt, der mit Erdöl ein Milliardenvermögen gemacht hat.

Der spektakuläre Entführungsfall des Paul Getty III (Charlie Plummer), Enkel des notorisch geizigen Öl – Magnaten wird von Ridley Scott in seinem Thriller „Alles GELD der WELT“ erzählt. Allerdings nicht mehr mit Kevin Spacey in der Hauptrolle. Spacey wurde im Rahmen der Me Too Debatte aus dem bereits abgedrehten und fertig geschnittenen Film entfernt. Die Szenen des Familienoberhauptes J. P. Getty, der das Leben seines Enkelsohns kaltblütig riskiert, wurde in nur neun Tagen für beinah sechs Millionen Dollar noch einmal gedreht. Eine Maßnahme über die man streiten kann.

Rom, 10. Juli 1973. Der 16-jährige Paul befand sich nach einer rauschenden Party auf dem Heimweg, als er von mehreren Männern in ein Auto gezerrt wurde. Die Entführer, die der kalabrischen Mafia angehörten, forderten ein Lösegeld von 17 Millionen Dollar. Doch der Alte verweigerte die Zahlung. Eine Situation, mit der die etwas dümmlich anmutenden Kidnapper total überfordert waren. Pauls Mutter Gail (Michelle Williams) versuchte alles, den Geizhals umzustimmen, doch der blieb stur. Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, schnitten die Entführer Paul Getty III, kurzerhand das rechte Ohr ab und schickten es an die Zeitung »Il Messagero«, mit der Drohung, seine Familie könne ihn stückweise zurückbekommen. Pauls verzweifelte Mutter verbündet sich schlussendlich mit dem Ex-CIA Berater des Seniors. Fletcher Chace (Mark Wahlberg). Die Zeit wird knapper und knapper. Das Martyrium des Jungen dauerte mehr als fünf Monate. Schließlich wurde ein Lösegeld bezahlt, an dem sich der Alte mit einer Summe beteiligte aber nur mit dem Betrag, den er von der Steuer absetzen konnte.

Scott konzentriert sich in dem Drama mehr auf die Charakterisierung seiner drei Protagonisten als auf die Entführung. Der mittlerweile 90-jährige Christopher Plummer brilliert in der Rolle des starrsinnigen, von Geiz zerfressenen Magnaten, der weit entfernt von jeglicher sozialer Verantwortung in seinen hochherrschaftlichen Villen, ein verbittertes einsames Leben führt und alle um ihn herum als Schmarotzer betrachtet. Ganz das Gegenteil, Michelle Williams in der Rolle der Gail Harris, die alles Erdenkliche unternimmt, um ihren Sohn zu retten. Wohl gefühlt hat sie sich nie im Hause Getty. Und zwischendrin Charly Plummer (nicht verwandt mit Christopher Plummer), der vor der grausamen Entführung ein unbeschwertes Leben führte und sogar der Lieblingsenkel seines Großvaters war. Fünf Monate verbrachte er unter erbärmlichsten Umständen in irgendwelchen Dreckshütten, abgemagert und schwer traumatisiert, wird er endlich aufgefunden. Scott bleibt, bis auf einige Längen, ziemlich nah dran an dem echten Fall. Der wahre Paul III flüchtete sich nach der Tortur in die Drogensucht. Ein Hirnschlag machte ihn zum Pflegefall. Er starb im Alter von 54 Jahren.

Begleitet wurden die Dreharbeiten von der Tatsache, dass Wahlberg für den Nachdreh mit zusätzlichen 1,5 Millionen Euro belohnt wurde, während Michelle Williams gerade mal 1000 Dollar bekam. Oh, oh sage ich da nur und denke mir mein Teil. Christopher Plummer ist für den Oscar nominiert.

Ulrike Schirm


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Wichtigster Arthouse-Neustart ist heute "Call me by Your Name", deren Kritik wir nachreichen werden. Übermorgen werden die Independent Spirit Awards in den USA vergeben und dieser Film steht an deren erster Stelle. Auch bei den Oscars, die am gleichen Tag vergeben werden, hat der Film, der übrigens bei der vorletzten, 67. Berlinale 2017, einer der Highlights der Panorama-Sektion war, Chancen auf einige Preise, während der Favorit "Shape of Water" möglicherweise einige Nominierungspunkte abgeben muss.

"CALL ME BY YOUR NAME" Romanze von Luca Guadagnino (Frankreich, Italien, USA, Brasilien). Mit Armie Hammer, Timothée Chalamet, Michael Stuhlbarg u.a. ab 1. März 2018 im Kino. Hier nochmals der Trailer:



Der Film spielt in Norditalien des Jahres 1983 basierend auf einem Roman von André Aciman. Der inzwischen 22-jährige US-amerikanische Hauptdarsteller Thimotée Chalamet ist als bester Nachwuchsdarsteller nominiert. Unter den diesjährigen Oscar nominierten Filmen spielt er zudem auch in "Lady Bird" mit.

Familie Perlman verbringt den Sommer in ihrer mondänen Villa. Während der 17 Jahre alte Sohn Elio (Thimotée Chalamet) Bücher liest, klassische Musik hört und keinen Flirt mit seiner Bekannten Marzia (Esther Garrel) auslässt, beschäftigt sich sein Vater (Michael Stuhlbarg), ein emeritierter Professor, mit antiken Statuen. Für den Sommer hat sich der auf griechische und römische Kulturgeschichte spezialisierte Archäologe mit Oliver (Armie Hammer) einen Gast ins Haus geholt, der ihm bei seiner Arbeit zur Seite stehen soll. Der selbstbewusste und attraktive Besucher wirbelt die Gefühle des pubertierenden Elio ganz schön durcheinander. Während sich langsam eine Beziehung zwischen den beiden anbahnt, merkt Elio, dass er trotz seiner Intelligenz und der Bildung, die er dank seinem Vater und seiner Mutter Annella (Amira Casar) genießt, noch einiges über das Leben und die Liebe lernen muss...

Quelle: Wikipedia


Dass in dem Coming-of-Age-Film, nicht der Fehler anderer Werke wiederholt wird und diesmal nicht Leid und die Schwermut überwiegen, sondern eine glückliche Balance zwischen Coming Out, schwuler Romanze und Lustspiel herrscht, liegt an dem großartigen jungen Hauptdarsteller, der als Elio einfach umwerfend ist. Zudem fokussiert sich das Drehbuch auf die Essenz der streckenweise langatmigen Romanvorlage, ohne den Inhalt zu verfremden, wodurch ein kurzweiliges Meisterwerk entstanden ist. Man darf gespannt sein auf das Abschneiden bei den Oscars.

In einem Interview mit dem Zurich Film Festival (ZFF) lies der italienische Regisseur Luca Guadagnino durchblicken, dass ihm der Einstieg in den Film nicht leicht fiel, sondern er vielmehr in Betracht zog in den Ruhestand zu treten. Was ihn dagegen an der Aufgabe reizte, war die Herausforderung, neue Formen und neue Gestaltungsmöglichkeiten fürs Kino zu finden. Zudem beschränkt sich das Queer Cinema für ihn nicht nur auf Filme mit gleichgeschlechtlicher Liebe. Vielmehr geht es ihm um Identitätsfindung. "Um ein Gefühl des totalen Fremdseins bei gleichzeitiger uneingeschränkter Offenheit dem Fremden gegenüber."

W.F.



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