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Mehr als 4000 Besucher beim 11. Weltkinofestival

Das Berliner Festival der Festivals "Around the World in 14 Films" zeichnete "Frenzy" aus.



Nach der letztjährigen Ausgabe fand das Weltkinofestival "Around the World in 14 Films" in diesem Jahr vom 25.11.-4.12.2016 nun zum zweiten Mal im Kino der KulturBrauerei (CineStar) statt. Seine ersten Ausgaben feierte es noch im Kino Babylon am Rosa-Luxemburg-Platz und einmal sogar zusätzlich in Potsdam. Mit dem Umzug in das nur 1,5 Km entfernte Kino in der Kulturbrauerei in Berlin-Prenzlauer Berg konnte die Besucherzahl sogar leicht gesteigert werden und erreichte auch dieses Jahr wieder die magische Grenze von etwas mehr als 4.000 Besuchern.

Vielleicht wäre noch mehr möglich gewesen, wenn die eindrucksvollen und sehr ausführlichen Programmhefte auch im Westteil Berlins, vor allem in Charlottenburg, ausgelegen hätten. Dort ist die Nachfrage nach spezieller Filmkunst weiterhin sehr groß, weshalb die Yorck-Kinokette in der Kantstraße im Januar 2017 weitere acht Kinosäle in direkter Umgebung des Delphi-Filmpalastes eröffnen will.

Neben den 14 Filmen des Weltkinos aus Finnland, Frankreich, Chile, Iran, Australien, Russland, Österreich, Brasilien, Kurdistan, Philippinen, Israel, Türkei, Grußbritannien und den USA standen diesmal zusätzlich zwei Rumänische Filme auf dem Programm sowie die obligatorische German Night mit zwei Koproduktionen aus Deutschland.

Ergänzt wurden die Vorstellungen der deutschen Filme durch ein obligatorisches Streitgespräch mit Filmkritikern, Verleihern, Filmemachern und Produzenten. Dabei wurde nicht nur auf die Sonderstellung des Festivals eingegangen, das ausschließlich das Beste des Weltkinos und sogenannte Arthouse Filmkunst zeigt, sondern auch auf die einmalige Location in der Kulturbrauerei. Nach Wissen der beteiligten Gesprächspartner unter der Leitung von Felix Neunzerling von der ZOOM MEDIENFABRIK GmbH Berlin, ist das CineStar Kino in Prenzlauer Berg das einzige Multiplexkino in Deutschland, das nahezu keine Blockbuster zeigt, sondern seinen Schwerpunkt auf Arthouse Kino gelegt hat und somit - trotz des großen Hauses mit acht geräumigen Sälen - in Konkurrenz zu den kleinen Independent Kinos steht, die manchmal nur Hinterhaus Charakter haben. Oftmals sogar mit zu kleiner Leinwand, geringerer Bequemlichkeit und vor allem meist schlechterem Soundsystem.

In unserem Gespräch mit Festivalleiter Bernhard Karl wurde deutlich, dass dieses Festival nur möglich ist, einerseits durch die Unterstützung von Sponsoren - darunter das Auswärtige Amt - und andererseits auch durch die enge Kooperation mit dem zweitgrößten deutschen Filmfestival, dem Filmfest München, bei dem Bernhard Karl als langjähriger Programmer auf seine guten Kontakte verweisen kann und glücklicherweise die einmalige Chance bekam, Werke aufzuführen, die bisher keinen deutschen Verleih haben, dennoch aber wichtige Impulse für das internationale Independent Kino geben. Die Weltrechte an manchen Filmen, wie z.B. dem hier auf dem Festival gezeigten, unglaublich dynamischen und hochinteressanten "Divine" aus Frankreich von Houda Benyamina hat der Streaming Gigant NETFLIX erworben, der den Film nur auf seiner Online Plattform vermarkten wird und nicht in die Kinos bringt. Schade! Hier der Trailer:



Am Samstag, 3.12.2016, einen Tag vor Schluss des Festivals wurde der Spielfilm "Frenzy" von Emin Alper, Türkei mit dem „IFA – Intercultural Film Award 2016“ von einer Jury ausgezeichnet. Auch dieser Film hat bisher kein Verleih, wie uns Nikola Mirza von der für das Festival verantwortlichen PR Agentur »Jelly Press« bestätigte. Der Film hatte 2015 auf dem 72. Festival von Venedig den Spezialpreis der Jury erhalten. Hier der Trailer:



Der Film nimmt 2015 schon nahezu das vorweg, was erst im Juli 2016 in Istanbul und Ankara tatsächlich geschah: Die Städte versinken im Chaos und bewaffnete Gruppen haben die Kontrolle über einige Stadtteile gewonnen. Dass der Putschversuch letztendlich von Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan vereitelt wurde und die Hintergründe des Staatsstreichs bis heute im Unklaren bleiben, tut nichts zur Sache. Die Welt ist in Aufruhr gegen Ungerechtigkeit und auch die Türkei bleibt weiterhin ein Pulverfass unter seinem Präsidenten, der wie ein Diktator über sein Volk herrscht.

Mit dem IFA – Intercultural Film Award zeichnet das unabhängige Filmfestival gemeinsam mit dem ifa (Institut für Auslandsbeziehungen) einen Film aus, der in inhaltlich wie ästhetisch besonderer Weise den Dialog der Kulturen thematisiert.

Ob man solch eindrucksvolle Filme, wie die beiden oben genannten Werke zukünftig gar nicht mehr regulär im Kino sehen wird, sondern möglicherweise nur noch auf ein paar Festivals, hat jüngst in den USA auch Warner Bros. Entertainment entfacht. Warner will das Kinofenster zugunsten von Video on Demand (VoD) bei einigen Filmen streichen oder zumindest kürzen.

Warner-Chef Kevin Tsujihara erklärte vor Investoren auf einer Technologiekonferenz von Credit Suisse in Scottsdale, es sei "zwingend erforderlich" den Konsumenten frühzeitig mehr Angebote zu machen. Diese hätten unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass sie dies wünschten. Warner müsse einen Weg finden, Neustarts "zeitnäher" - wohlgemerkt nicht "zeitgleich" - zum Kinostart in die Wohnzimmer der Konsumenten zu bringen. Warner betonte "zum ersten Mal seit langer Zeit" mit den Kinobetreibern in "sehr konstruktiven Gesprächen" zu stehen. Diese Maßnahmen sieht Tsujihara nicht zuletzt als notwendige Antwort auf die Piraterie.

Gegner der Kinofenster-Verkürzung sehen allerdings in dieser Maßnahme keine Bekämpfung der Piraterie, sondern ausschließlich eigene Vermarktungsstrategien des Verleihs. Mit gleicher Argumentation reagieren auch die deutschen Kinobetreiber. Für den Weltvertrieb werden aber die großen Streaming-Giganten wie Amazon und Netflix auf den Filmmessen in Toronto und anderswo sich die besten Filme wegschnappen und sie nicht mehr in die Kinos bringen, sondern auf Online-Vertriebswegen vermarkten. Um Fördergelder zu umgehen, die eine Kinoverwertung vorschreiben, produzieren Amazon und Netflix bereits neben Serien auch eigene Feature-Filme und versuchen mit Premiumanbietern wie den IMAX-Kinos gemeinsame Vermarktungsstrategien auszuloten. Andere Studios wie Warner werden diesem Beispiel folgen. Das Nachsehen haben kleine Kinobetreiber, wenn sie sich weiter gegen die Studios stellen, anstatt mit Ihnen zu kooperieren.

Für große und kleine Festivals wie dem unabhängigen »Around the World in 14 Films« wird sich wahrscheinlich nicht viel ändern. Ganz im Gegenteil werden Festivals an Bedeutung gewinnen, wenn herausragende, prämierte Filme nirgend woanders mehr im Kino gezeigt werden können. Auf Bildschirmen zu Hause, die meist deutlich kleiner als Kinoleinwände sind, ist das Erlebnis einen Film zu sehen, trotz HD oder UHD, bedeutend schlechter. Das Kino braucht die große Leinwand, um sich entfalten zu können.

Dazu hatten wir bereits gestern, den 5. Dezember 2016, auf die halbstündige, bewegende Rede des 81-jährigen georgischen Filmemachers Otar Iosseliani verwiesen, die dieser am 30.11.2016 in Berlin zur Vorstellung seines erstmals in Locarno gezeigten Filmes "Winter Song" persönlich im Kino der Kulturbrauerei hielt. Hier der Trailer, der nur wenig erklärender Worte bedarf:



Unsere Lieblingsfilme waren aber andere: "Light Years" von Esther May Campbell (Großritannien), "Juste la fin du monde - Einfach das Ende der Welt" von Xavier Dolan (Kanada, Frankreich), "The Student" von Kirill Serebrennikov (Russland) und der oben erwähnte "Divines" von Houda Benyamina (Frankreich, Katar).

Sehr beeindruckt waren wir aber auch von den politisch hochinteressanten Werken "Neruda" von Pablo Lorrain (Argentinien, Chile, Frankreich, Spanien) und dem Festivalgewinner "Frenzy" von Emin Alper (Frankreich, Katar, Türkei). Den deutsch-moldawischen Beitrag "Anishoara" von Anna-Felicia Scutelnicu konnten wir leider nicht sehen. Dafür bleiben aber andere Werke aus dem diesjährigen Festivaljahrgang wärmstens in Erinnerung, die wir nicht alle einzeln aufgezählt haben.

Link: 14films.de
Quelle: Jelly Press

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