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Gewinner, Preise und Berichte vom Film Festial Venedig

Paula Beer begeisterte und wird »Beste Nachwuchsschauspielerin«. 



Am gestrigen Samstagabend, den 9. September 2016, wurde die Deutsche Paula Beer beim 73. Film Festival von Venedig als beste Nachwuchsschauspielerin mit einem Goldenen Löwen ausgezeichnet.

Sie erhielt den Preis für ihre Rolle in dem Drama "Frantz" von Francois Ozon. Die 21 Jahre alte Schauspielerin berührte mit ihrer intensiven Darstellung einer jungen Frau, die nach dem Ersten Weltkrieg um ihren Verlobten trauert und dann einen französischen Soldaten trifft. Hier der Trailer:



Es ist erst der dritte Preis für eine deutsche Schauspielerin in Venedig. Katja Riemann hatte 2003 für das Drama Rosenstraße den Löwen als beste Hauptdarstellerin beim ältesten Filmfestival der Welt gewonnen.

Zur großen Überraschung aller, wurde als »Bester Film« das Drama "The Woman Who Left" des philippinischen Regisseurs Lav Diaz ausgezeichnet. Einen klaren Favoriten hatte es in diesem Jahr nicht unter den 20 Beiträgen gegeben, die um den Preis für den besten Film konkurrierten. Ursprünglich sollte das Schwarz-weiß-Drama nicht auf einem Festival laufen. Geplant war es für eine Dauer von vier Stunden. Übrig blieben immerhin 226 Minuten. Zugrunde liegt ein Roman von Leo Tolstoi, indem es um eine Frau geht, die unschuldig im Gefängnis sitzt. Nach ihrer Entlassung übt sie Rache. Hier ein Ausschnitt:



Zum Inhalt:
Horacia wird 1997 aus dem Frauengefängnis entlassen, nach 30 Jahren. Ihr Gatte ist tot, der Sohn verschollen, ein reicher Clan-Chef hatte sie unschuldig hinter Gitter gebracht. Horacia sucht Rache; auf ihrer Odyssee begegnet sie den Armen und Ausgestoßenen, einer Bag lady, einem Straßenverkäufer, einem kranken, misshandelten Transvestiten. Horacia beobachtet, tröstet, mischt sich ein, weckt Lebensmut, eine Mutter Teresa mit Flipflops, Basecap und Knarre. In der schönsten Szene dieses Jahr am Lido singt sie mit dem Transvestiten „Sunset, Sunrise“ aus „Anatevka“, mit der Haarbürste als Mikrofon.

Schon auf der letzten Berlinale im Februar 2016 feierte Lav Diaz sein achtstündiges Opus "A Lullaby to the Sorrowful Mystery" und gewann dafür den Silbernen Bären. Nun also überzeugte er vollends mit einem knapp halb so langen Werk und erhält dafür den Goldenen Löwen von Venedig. Maßgeblich an dem Erfolg des Vier-Stunden-Films ist die atemberaubend wandlungsfähige Charo Santos-Concio, die eine Reise in die Seelenfinsternis durchlebt. Jedes einzelne, sorgsam komponierte Bild eröffnet eine Bühne für den Schmerz, die Geschichte, die sozialen Missstände der Philippinen.

Präsident der Jury der 73. Filmfestspiele in Venedig war der britische Regisseur Sam Mendes. Auch die deutsche Schauspielerin Nina Hoss durfte in diesem Jahr mit abstimmen, welcher Film einen Goldenen Löwen verdient.

Den Großen Preis der Jury gewann Tom Fords Film "Nocturnal Animals". Als beste Schauspielerin wurde Emma Stone in dem Film "La La Land" ausgezeichnet, als bester Schauspieler Oscar Martinez für seine Leistung in "The Distinguished Citizen". Den silbernen Löwen für die beste Regie mussten sich Andre Konchalovsky ("Paradise") und Amat Escalante ("The Untamed") teilen.

Der Spezialpreis der Jury ging an die Regisseurin Ana Lily Amirpour für das Kannibalendrama "The Bad Batch". Für das beste Drehbuch wurde Noah Oppenheim für "Jackie" (Regie: Pablo Larraí­n) über die ehemalige First Lady der USA, Jackie Kennedy, ausgezeichnet.

Deutsche Produktionen begeisterten das Publikum.
Zwei weitere deutsche Produktionen bzw. davon eine Koproduktion überzeugten ebenfalls das Publikum, auch wenn sie sich leider nicht für eine der Auszeichnungen ins Spiel bringen konnten. In dem Western-Thriller "Brimstone" konnte die 22-jährige US-Amerikanerin Dakota Fanning als kämpferische Rächerin die Publikumsherzen erobern. Regie führte der Niederländer Martin Koolhoven.

Auch Wim Wenders' Film "Die schönen Tage von Aranjuez", den wir bereits mit Trailer am 30.08.2016 in unserer Festival Vorbesprechung vorgestellt hatten, feierte beim Filmfestival in Venedig im offiziellen Wettbewerb Premiere. Ein alterndes Paar redet im Garten über die Welt, Liebe und Sex - und es ist, als könne man in diesem 3D-Film in ihre Wirklichkeit eingreifen. Ohne Zweifel: Wim Wenders hat mit seiner Adaption von Peter Handkes Theatertext "Die schönen Tage von Aranjuez" einen der schönsten Film im Wettbewerb des 73. Internationalen Filmfestivals Venedig vorgestellt – und einen seiner persönlichsten überhaupt.

"Der Film ist so entspannt, und diese drei Figuren, der Mann, die Frau sowie der Autor, sind so präsent und „wirklich“, dazu dieser eine Schauplatz, das Haus der Sarah Bernhardt mitten in diesem Garten, mit Paris am Horizont, so „wahr“ und selbstverständlich, dass ich von Anfang an nie an ein anderes Medium gedacht habe als an 3D. Ich war mir sehr sicher, dass 3D in der Lage ist, Charaktere und ihre Geschichten in einen Raum zu stellen, der absolut hyper-realistisch ist und dadurch den Zuschauer so in die Situation hinein versetzt, wie es das zweidimensionale Medium einfach nie konnte", so Wim Wenders in Deutschlandradio Kultur.

"Dieser Film hier, „Die Schönen Tage von Aranjuez“, zeigt meinen Traum von dieser neuen Filmsprache. Und ja, dieser Film ist sicher ganz weit von jedem anderen 3D-Film entfernt, der je gemacht wurde. Dies hier ist wirklich ein natürliches Sehen, das der gängigen Filmgrammatik nichts mehr schuldet."

Mel Gibson präsentierte üblen Kriegsfilm.
Über die Frage, ob ein Kriegsfilm pazifistisch sein kann, streiten sich die Kritiker seit Jahrzehnten. Mel Gibsons Venedig Beitrag „Hacksaw Ridge“ war es sicher nicht. Ärgerlich ist die Tatsache, dass die alten Hollywood Veteranen weiterhin mit großer Überzeugung und ekelhaften Kriegsbildern den Traum eines unbesiegbaren Amerikas verkörpern. In Mel Gibsons Film stürmen amerikanische Marineinfanteristen eine japanische Stellung auf einem Hochplateau der Insel Okinawa. Nach einer halben Stunde sind zwei Drittel von ihnen tot oder verwundet, der Rest wird durch einen Gegenangriff der Japaner zurückgetrieben. Hier der Trailer:



Dabei handelt „Hacksaw Ridge“ von dem Sanitätssoldaten Desmond Doss, der während seiner Ausbildung den Dienst an der Waffe verweigerte, dafür sogar im Gefängnis saß und wegen seines Opfermuts im Pazifik-Krieg eine Tapferkeitsmedaille empfing. Die Bilder dieses Films sprechen jedoch eine andere Sprache. Sie zeigen Männer, die auf jede erdenkliche Weise zerfetzt, zerschossen und in Brand gesteckt werden, und sie weiden sich daran. Dass es eben dieses Gemetzel war, an dem Doss nicht teilhaben wollte, ist dem Regisseur Gibson keinen Augenblick der Reflexion wert. Das Kino, das Mel Gibson macht, wirkt so überholt und aus der Zeit gefallen, wie es die Studiofilme der sechziger Jahre waren, die von „Easy Rider“ und „Jules und Jim“ hinweggefegt wurden. Warum der Film überhaupt gezeigt werden konnte, ist eigentlich schon einen Skandal wert.

Trotz großer Hollywood-Präsenz zeigte die Biennale in Venedig vor allem eines: Dass das Kino gegenwärtig keine Ahnung hat, wie es angesichts der Medienrevolution mit ihm weiter gehen soll. Die Auswahl bezeugte profunde Ratlosigkeit, möglicherweise nicht die des Festivaldirektors Alberto Barbera (dessen Vertrag bis 2020 verlängert wurde), sondern einer ganzen Branche. Seit der Jahrhundertwende sind Geschäftsmodelle zerstört, Kundengewohnheiten umgepolt, Techniken revolutioniert worden, und Venezia 73 fühlte sich wie eine Versammlung der Weitermacher an, ohne Vision, ohne Mut.

Bravo-Rufe für "Jackie".
Schließlich gab es doch noch "Bravo-Rufe" für eine US-Produktion. Das Drama "Jackie" mit Natalie Portman in der Hauptrolle wurde beim Filmfest Venedig frenetisch gefeiert. Schon nach der ersten Vorstellung gab es Ovationen. "Jackie" erzählt aus Sicht der First Lady vom Attentat auf den US-Präsidenten John F.Kennedy im November 1963 in Dallas. Das Werk des chilenischen Regisseurs Pablo Larrain war einer von 20 Beiträgen im diesjährigen Wettbewerb des Festivals. Er fokussiert auf die traumatisierte Witwe, deren Leben in den Tagen nach der Tragödie auf dem Kopf steht.

Mostra-Ehrungen für Amir Naderi und Jean-Paul Belmondo.
Der iranische Filmmemacher Amir Naderi wurde schon am 5. September 2016 in Venedig mit dem Jaeger-LeCoultre Glory to the Filmmaker Award ausgezeichnet.

Zuvor war schon der französische Schauspieler Jean-Paul Belmondo für sein Lebenswerk mit dem Goldenen Ehrenlöwen ausgezeichnet worden. Die französische Schauspielerin Sophie Marceau würdigte Belmondo in ihrer Laudatio als einen "kompletten Schauspieler". Er sei ein Star, ein Darsteller mit mehreren Gesichtern, ein Kinoproduzent und auch das Oberhaupt einer "großen und schönen Familie". Belmondo war eines der Gesichter der französischen Nouvelle Vague, spielte während seiner langen Karriere aber auch in zahlreichen Komödien- und Actionfilmen mit.
"Ich habe beides genossen. Es ist wie im Leben, mal ist einem zum Lachen und mal zum Weinen zumute." Pläne für weitere Filme habe er nicht mehr, sagte der seit einem Schlaganfall 2001 körperlich geschwächte Schauspieler. "Ich habe alles gemacht, was ich machen wollte." Jetzt wolle er lieber die Sonne und das Meer genießen.

Alles, was auf einen Oscar oder größere internationale Vermarktung hofft, zieht nun weiter zum Filmfest Toronto. Allerdings meldeten die Organisatoren diesmal schon nach der Hälfte des Festivals gestiegene Besucherzahlen, 13 Prozent mehr als die 50.000 verkauften Tickets im Vorjahr. Offenbar wurden endlich halbwegs erschwingliche Unterkünfte für junge Cineasten bereitgestellt. Von einem Publikumsfestival wie der Berlinale mit zuletzt 336.000 verkauften Tickets ist Venedig dennoch weit entfernt.

Link: www.labiennale.org/en/cinema/
Quellen:
Tagesspiegel | Deutschlandradio Kultur | DW | Frankfurter Allgemeine | Die Welt | 3sat

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