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Inhaltliche Weichenstellungen beim Filmfördergesetz

Kulturstaatsministerin Monika Grütters plant grundlegende Änderungen beim Filmförderungsgesetz.



Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) will mit einem neuen Filmförderungsgesetz Kreativität und Mut im deutschen Film stärken. Laut einer Pressemeldung vom
1. November 2015 kündigte Sie "inhaltliche Weichenstellungen" an, welche die kulturpolitischen und kulturellen Aspekte der Filmförderung verstärken.

"Auch weniger bekannte Filmemacher, deren Blick sich nicht automatisch auf die Blockbuster und den wirtschaftlichen Erfolg richtet, sowie innovative Formen sollen einen angemessenen Raum bekommen", sagte Grütters.

Zu den geplanten Maßnahmen gehören etwa die Berufung von mehr Filmexperten in die Entscheidungsgremien und eine bessere Versorgung der Kinos mit Filmkopien im ländlichen Raum. Einer massiven Stärkung der Referenzfilmförderung erteilte sie laut dpa jedoch eine Absage. Demnach plant Grütters, im Rahmen der FFA-Produktionsförderung weiterhin etwa die Hälfte der Mittel über die selektive Projektfilmförderung zu verteilen. Im Sinne größerer Abgabegerechtigkeit sollen nicht nur wie gehabt neue Einzahlergruppen verpflichtet werden - Grütters fasst auch eine Erhöhung des Abgabesatzes für die öffentlich-rechtlichen Sender auf vier Prozent ins Auge.

Nachtrag:
Das 150-seitige Diskussionspapier verfolgt u.a. folgende Ziele:
- Verschlankung und Professionalisierung der Gremien der Filmförderungsanstalt
- Mehr Gendergerechtigkeit in den Gremien der Filmförderungsanstalt
- Mehr erfolgreiche Filme für die Kinos – Stärkung kultureller Aspekte
- Mehr Zukunftsfestigkeit und Transparenz
- Mehr Rückflüsse an die FFA und weniger „verlorene“ Zuschüsse
- Anpassung und Sicherung des Abgabeaufkommens
- Ökologische Belange und Belange von Seh- oder Hörgeschädigten

Grüne bliesen zum Sturm auf die Filmförderung.
Mit einem Frontalangriff auf die Filmförderungsanstalt (FFA) hatte sich vor ein paar Wochen die medienpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, Tabea Rößner, in die Debatte um die deutsche Filmförderung eingebracht, das föderale Filmfördersystem in Frage gestellt und zahlreiche kontroverse Diskussionen in Gang gesetzt.

In einer Pressemitteilung wurde folgende Erklärung verbreitet: "Das bisherige Mischkalkül der Förderung von ein bisschen Wirtschaft und ein bisschen Kultur hat im Lichte der Fakten ausgedient. Das eklatante Missverhältnis auch auf Bundesebene zugunsten einer Standortförderung, die sowohl tatsächliche Wirtschaftlichkeit als auch den künstlerischen Anspruch links liegen lässt, darf nicht fortbestehen!" Mit einem Seitenhieb auf Sigmar Gabriel heißt es am 10. September 2015 außerdem: "...dass es im Haushalt des Bundeswirtschaftsministeriums als Kompensation für den um 10 Millionen Euro gekürzten Deutschen Filmförderfonds (DFFF) offenbar noch kein schlüssiges Konzept für die Filmförderung gibt. Umso merkwürdiger ist es, dass im Haushaltsentwurf für das Filmerbe nun noch weniger, nämlich null Euro, eingestellt ist."

Rößner bemängelt außerdem, dass in den vergangenen zehn Jahren nur für etwa jeden fünften geförderten deutschen Besuchermillionär (21,15 Prozent) die FFA-Projektfilmförderung komplett getilgt wurde. Obwohl Regisseure und Produzenten von Kinohits regelmäßig darauf verweisen, dass sie ihre Förderungen zurückzahlen, sehe "die Wirklichkeit doch anders aus" behauptet Rößner. Es sei "durchaus überraschend, dass angesichts vergleichsweise geringer Produktions- und Marketingkosten in Deutschland offenbar so wenige Kassenschlager ihre Kosten wieder einspielen", stellt Rößner fest - und verkennt damit, dass Filme ein Mehrfaches ihrer Kosten einspielen müssen, um die Schwelle zur Förderrückzahlung zu überschreiten.

"Man darf nicht glauben, nur weil ein Film mehr Umsatz mit Kinotickets macht, sei er gleich 'wirtschaftlicher': Auf das Verhältnis zum Einsatz kommt es an", stellt Rößner fest - um sich im Folgenden auf die Referenzfilmförderung einzuschießen, die bekanntermaßen als Zuschuss gewährt wird und nicht wie die Projektfilmförderung als bedingt rückzahlbares Darlehen fungiert: "Allein dass die FFA für die Referenzförderung die absoluten Besucherzahlen zur Grundlage nimmt, ohne die Wirtschaftlichkeit dieser sogenannten Erfolge zu messen, ist angesichts dieser Zahlen schwer verständlich. Dass sich das von der FFA eingesetzte Expertengremium nun auch noch mehrheitlich für eine Stärkung einer solchen automatischen Förderung ausgesprochen hat, ist mindestens fragwürdig", so Rößner weiter.

Stellungnahme des Verbandes Deutscher Filmproduzenten.
Der in München ansässige Verband Deutscher Filmproduzenten e.V. (VDFP) sieht eklatante Schwächen in der Argumentation der «GRÜNEN» und relativiert die dargelegten Fakten in einer eigenen Stellungnahme.

"Die Ausführungen von Tabea Rößner machen ein nicht unbeträchtliches Defizit an Wissen über die Filmwirtschaft und deren wirtschaftlichen Wertschöpfungsstrukturen und Zusammenhänge deutlich, auch wenn das eine oder andere tatsächlich verbesserungswürdig ist. Deshalb arbeitet die Branche seit geraumer Zeit intensiv an der Novellierung des FFG für die Jahre 2017 bis 2021", so der VDFP und bemängelt außerdem, dass Rößner "zwei grundsätzlich unterschiedliche Fördersysteme und deren Zielsetzungen und Finanzierungsquellen" vermenge. Dabei weist der VDFP ausdrücklich auf den Unterschied zwischen den FFA-Geldern und den DFFF-Mitteln hin. Nur erstere stammten aus den Erlösen an der Kinokasse sowie anderen Verwertungen und sollten "die Entwicklung und Herstellung kommerzieller wie auch künstlerisch und kulturell wichtiger Film ermöglichen und fördern."

Deutscher Filmförderfonds mit ähnlicher Zielsetzung.
Mittel des deutschen Filmförderfonds (DFFF) werden zwar ebenfalls von der FFA verwaltet, sind aber Investitionen der BKM zur kulturellen Standortförderung und tragen allgemein zur Stärkung der Kinofilmproduktion in Deutschland bei. Der DFFF soll eine volkswirtschaftliche Bereicherung mit finanzpolitischem Mehrwert für deutsche Produktionen darstellen, soll aber auch vermehrt internationale Produktionen anlocken, um kommerziell erfolgreiche und künstlerisch wertvolle Filme in Deutschland herzustellen. Somit haben beide Fördermittel in ihrer Formulierung eine sehr ähnliche Zielsetzung und sind bei näherer Betrachtung gar nicht mehr so unterschiedlich wie der FDVP betont. Nur bei den jeweiligen Geldquellen gibt es Unterschiede. Darüber hinaus heißt es beim DFFF: »Die Projektförderung besteht in der Gewährung einer nicht rückzahlbaren Zuwendung.« Offensichtlich wurden in den Statuten des DFFF schon Begriffe vermengt, die schwer auseinanderzuhalten sind, denn beim Filmförderungsgesetz der FFA wird von Projektfilmförderung gesprochen, die als bedingt rückzahlbares Darlehen gehandelt wird.

Nach der letzten Kürzung des DFFF von € 60 Mio. auf nur noch 50 Millionen Euro hatten sich unmittelbar vor den Konsultationen des Ausschusses für Kultur und Medien im Deutschen Bundestag über den Haushalt der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) zahlreiche Vertreter der deutschen Filmbranche mit einem schriftlichen Appell an die Mitglieder des Ausschusses gewandt und gefordert, das kulturpolitische Erfolgsmodell des DFFF wieder zu stärken und zu erhalten. Unterzeichnet und initiiert wurde der Brief vom Hauptstadtbüro der SPIO und von großen Kreativverbänden des deutschen Films – wie der Allianz Deutscher Produzenten Film und Fernsehen (Produzentenallianz), des Verbandes deutscher Filmproduzenten (VDFP), des Regieverbandes (BVR), des Verbandes deutscher Drehbuchautoren (VDD), des Schauspielerverbandes (BFFS) und des Bundesverbandes der Agenturen (VdA).

Grund des Briefes war eine Meldung der BKM, dass die bewilligten und verstetigten Mittel für den DFFF im Jahr 2015 nicht ausreichten, um alle berechtigten Anträge berücksichtigen zu können und somit ein Vorgriff auf die Mittel für 2016 entstehe. Deshalb wird zu Recht befürchtet, dass die Mittel im nächsten Jahr noch kürzer werden würden, wodurch ein strukturelles Problem entsteht, dessen Folgen für die deutschen Filmkultur und -wirtschaft möglicherweise irreparabel sein werden. Der Brief endet mit einem klaren Appell an die kulturpolitisch verantwortlichen Abgeordneten des Deutschen Bundestages:

"Wer, wenn nicht Sie, verehrte Damen und Herren aus dem Ausschuss für Kultur und Medien, sollte sich dafür einsetzen, dass ein kulturpolitisches Erfolgsmodell (mit finanzpolitischem Mehrwert) wie der DFFF gestärkt und erhalten wird. Aus diesem Grund kann es nicht ausreichen, die Verstetigung des DFFF auf ein Volumen von 50 Mio. Euro für 2015 zu bestätigen. Um die Kontinuität des Erfolges zu garantieren, muss dieses Volumen konkret erhöht werden. Daher appellieren wir dringend an Sie, sich bei den bevor stehenden Haushaltsberatungen für diese Erhöhung zu engagieren."

FFA-Präsident warnt vor "fatalem Signal" bei der Filmförderung.
Auf der Filmkunstmesse Leipzig (14.-18.09.15) warnte FFA-Präsident Bernd Neumann in seiner Keynote ebenso vor "fatalem Signal" bei der Filmförderung und richtete einen eindringlichen Appell an seine BKM Amtsnachfolgerin Monika Grütters, ein besonderes Augenmerk bei der Stärkung der Film- und Kinoförderung walten zu lassen. Er betrachte seinen "Zögling", den DFFF momentan mit großer Sorge, denn aktuell entferne man sich zunehmend von dem Ziel, die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Filmstandorts Deutschland zu stärken.

In Sachen Filmförderungsgesetz skizzierte der ehemalige Kulturstaatsminister einmal mehr die Vorschläge der Expertenrunde zur anstehenden Novellierung des FFG, die im November bei einem Runden Tisch auf Einladung von Monika Grütters diskutiert werden sollen. Wie Neumann berichtete, habe sowohl im Präsidium als auch im Verwaltungsrat "weitgehendes Einvernehmen" über die vorgeschlagenen Maßnahmen - darunter nicht zuletzt eine erhebliche Reduzierung der Gremien und eine deutliche Stärkung der Drehbuchförderung - geherrscht. Mit einer, noch dazu zentralen, Ausnahme: Der im Expertenpapier geforderte Fokus auf die Referenzfilmförderung mit einem Verhältnis von 85:15 zulasten der Projektfilmförderung stößt nicht überall auf Gegenliebe - ihm gegenüber steht der Vorschlag, ein Verhältnis von 60:40 zugunsten der selektiven Förderung zu verankern.

Zudem versicherte Neumann, er nehme die Befürchtung, dass eine so deutliche Verschiebung zugunsten der Referenzfilmförderung für kleine, künstlerisch anspruchsvolle Filme das Aus bedeuten könne, "sehr ernst".

Tatsächlich sieht das Filmförderungsgesetz bereits in seiner geltenden Form unterschiedliche Förderschwellen zwischen 25.000 und 500.000 Referenzpunkten vor, die sich primär an den Herstellungskosten der Filme bemessen. Und auch die angesprochene Expertenrunde greift im Rahmen ihres Vorschlags zur FFG-Novellierung das "Verhältnis zum Einsatz" klar auf: Um auch dem "relativen wirtschaftlichen Erfolg" unterschiedlich budgetierter Filme Rechnung zu tragen, plädiert diese für einen "Bonus" in Höhe von 25 Prozent der errechneten Punktzahl für den Fall, dass die Einspielergebnisse eines geförderten Films in den deutschen Kinos höher liegen als seine Herstellungskosten. Zwar soll die bisherige Differenzierung nach Budgetklassen aus dem FFG gestrichen werden - allerdings wird im Gegenzug eine generelle Absenkung der Förderschwelle auf 50.000 Referenzpunkte empfohlen.

Bernd Neumann sieht dagegen einen einheitlichen Abgabesatz, wie er noch vergangenen November vom Verband der Filmverleiher (VdF) gefordert wurde, nicht am Horizont. Vielmehr solle es auch künftig bei einem differenzierten, gestaffelten Beitragssatz bleiben. Allerdings müssten die Investitionszuschüsse für Kinos erhöht werden, um deren Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.

Quellen: Blickpunkt:Film | filmecho | 3sat text | dpa

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