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SPIO kritisiert EU-Angriff auf Territorialitätsprinzip

EU-Kommission moniert Geoblocking bei Pay-TV-Sender. (UPDATE)



In unserem Bericht vom 16. Juli 2015 waren Befürchtungen der Produzentenallianz laut geworden, dass die EU-Parlamentarier einen exklusiven europäischen Binnenmarkt im Online-Bereich durchsetzen wollen, und dadurch die bisher gut funktionierende Vermarktung von Filmen im regionalen Bereich behindern oder sogar verbieten würden.

In einem Vorschlag des EU-Parlaments war ein Verbot von Geoblocking-Maßnahmen laut geworden, der zwingend einen europaweiten Zugriff auf alle Video-on-Demand-Angebote (VoD) ermöglichen würde. Die bisherige zeitlich und örtlich differenzierte Auswertung audiovisueller Inhalte in verschiedenen Territorien Europas wäre dann durch die Verleiher nicht mehr möglich, schrieb die Allianz deutscher Produzenten - Film & Fernsehen. Zudem würde eine zeitgleiche, weltweite Vermarktungsstrategie die deutsche Filmförderung ad-absurdum führen, da dadurch das Kinozeitfenster unterlaufen würde.

NACHTRAG:
Wie heute im laufe des Tages bekannt wurde, will auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble die Kompetenzen der EU-Kommission beschneiden. In der Diskussion um die "Digital Single Market"-Strategie der EU-Kommission will laut FAZ Schäuble der Kommission die Rechtsaufsicht über den Binnenmarkt und die Wettbewerbsregeln entziehen, um diese Funktionen an politisch unabhängige Behörden nach dem Vorbild des Bundeskartellamts auszugliedern. Mit Blick auf die Verhandlungen über Kredite für Griechenland kritisiert der Bundesfinanzminister, dass die Behörde sich immer mehr als Europa-Regierung in Szene setzen würde.

Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sieht in den Worten Schäubles allerdings eine "sehr deutsche" Sicht der Dinge, da die Kommission nicht nur die Aufgabe habe, Binnenmarkt und Wettbewerbsregeln durchzusetzen, sondern auch über das Mandat verfüge, gemeinsame europäische Interessen zu fördern.

Wie jetzt bekannt wurde, sieht die EU-Kommission jedoch einen weiteren wichtigen Grund für das Verbot von Geoblocking-Maßnahmen. Verbraucher in Europa könnten aus Sicht der EU-Kommission zu Unrecht vom Programm des Bezahlsenders Sky UK ausgeschlossen worden sein. Zuschauer außerhalb von Irland und Großbritannien könnten teils weder über Satellit noch über Internet auf zahlungspflichtige Angebote von Sky UK zugreifen.

Grund dafür ist die Lizenzvergabe zahlreicher US-Studios an den britischen Bezahlsender Sky UK, der den Empfang bestimmter Programme in anderen EU-Ländern ausschließt. Diese Maßnahme sei möglicherweise unzulässig. Grund für dieses Geoblocking seien Vereinbarungen zwischen dem Sender und den sechs großen US-amerikanischen Filmstudios Disney, NBC Universal, Paramount Pictures, Sony, Twentieth Century Fox und Warner Bros.

"Wir glauben, dass das gegen EU-Wettbewerbsvorschriften verstoßen könnte", sagt EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. Noch steht aber nicht fest, ob ein Vergehen vorliegt: Die Studios und Sky UK haben jetzt die Gelegenheit, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen.

US-Filmstudios vergeben Lizenzen für die Ausstrahlung von Filmen und Serien an Pay-TV-Sender jeweils für ein Land oder eine Sprachregion. Die EU-Kommission bezweifelt unter anderem die Rechtmäßigkeit bestimmter Klauseln, die Sky UK verpflichten, den Zugang zu Filmen seines Bezahlangebots außerhalb von Großbritannien und Irland zu blockieren.

Solche Einschränkungen stellen nach vorläufiger Einschätzung der EU-Kommission einen schweren Verstoß gegen EU-Wettbewerbsvorschriften dar, weshalb die EU-Kommission mehr legalen Zugriff auf ausländische Inhalte ermöglichen will. Der Deutsche Kulturrat befürchtet sogar, dass mit den bisher geheim gehaltenen Verhandlungen zum Freihandelsabkommen TTIP, die US-Studios ihre Marktmacht zukünftig weiter ausweiten würden oder missbrauchen könnten. Zudem ist der Deutscher Kulturrat besorgt, dass den europäischen Künstlern und der europäischen Kulturwirtschaft Elemente des US-amerikanischen Copyrightsystems übergestülpt werden.

Auch Alfred Holighaus, neuer Präsident der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO), wirft der EU-Kommission vor, das Wettbewerbsrecht über das Urheberrecht zu stellen - und so die Vielfaltssicherung zu treffen.

Mit der Einleitung des Kartellverfahrens habe EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager einen "Angriff auf das Territorialitätsprinzip" gestartet. "Nach Auffassung der Kommissarin sollen die europäischen Binnenmarktvorschriften bereits heute geeignet sein, das in internationalen Abkommen festgeschriebene Territorialitätsprinzip im Urheberrecht zu brechen", stellt die SPIO fest. "Die inhaltliche Vielfalt, das mittelständische Wachstum und die zunehmend internationale Ausrichtung der deutschen Filmwirtschaft beruhen auf einem grundlegenden Prinzip: der räumlich und zeitlich begrenzten Vergabe von Filmlizenzen". Zudem hätten erst am 9. Juli 2015 die Abgeordneten des Europäischen Parlaments mit großer Mehrheit in einer Entschließung zur Umsetzung der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte festgestellt, dass das Territorialitätsprinzip ein inhärentes Merkmal des Urheberrechts ist und zu bekräftigen sei, betont Holighaus in seinem Schreiben.

Während also SPIO und Produzentenallianz vor allem den Schutz deutscher Verleiher im Auge haben, monieren zurecht europäische Filmliebhaber die oftmals unverständliche Verleihpraxis der Filmfirmen. Viele auf internationalen Festivals ausgezeichnete Werke kommen manchmal erst Jahre nach ihrer Weltpremiere in unsere Kinos. Manche sogar überhaupt nicht. Auch DVDs der Filme sind oftmals nur aus dem Ausland zu beschaffen. Und im VoD-Angebot der großen Vermarkter wie beispielsweise MAXDOME, ist insbesondere preisgekrönte Arthouse-Filmkunst ebenfalls äußerst rar gesät. Bei VoD ist also noch viel Luft nach oben. Kein Grund für Kinobetreiber, sich schon jetzt davor zu fürchten.


Wie ebenfalls heute nachträglich bekannt wurde, sieht die Filmförderungsanstalt in Berlin (FFA) auf Grund einer Studie von den Marktforschungsinstituten Goldmedia, PwC und GfK in Nürnberg die Aussichten der Kinoumsätze im kommenden Jahr eher negativ. In ihrem heute veröffentlichtem Evaluierungsbericht rechnet die FFA ab 2016 mit kontinuierlichen Rückgängen zwischen einem und zwei Prozent. Die Prognose erstreckt sich bis in das Jahr 2021.

Als Gründe für die negative Entwicklung nennt die Studie u.a. eine weitere "Verschiebung der Besucherstrukturen in Richtung älterer Zielgruppen mit niedrigerer Besuchsintensität", "negative Austauschbeziehungen in Richtung digitaler Verleih" und eine "abflachende Preissteigerungskurve".

Quellen: Golem | Blickpunkt:Film | FAZ | FFA

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