Skip to content

AG Kino für Paradigmenwechsel in der Filmförderung

Stellungnahme der AG Kino-Gilde zur Novellierung des Filmförderungsgesetzes.



Am 18. Juni 2015 werden im Zuge einer Neufassung der Novelle des Filmförderungsgesetzes (FFG) die WEGE IN DIE ZUKUNFT FÜR DIE DEUTSCHE FILMFÖRDERUNG in der Vertretung der Freien beim Bund in Berlin erörtert.

Zur Vorbereitung der anstehenden Novellierung des Filmförderungsgesetzes für die Jahre 2017 bis einschließlich 2021 hat die Abteilung der Bundesministerin für Kultur und Medien (BKM) Stellungnahmen der betroffenen Verbände und Institutionen eingefordert. Als erster Verband hat die AG Kino-Gilde ihre Meinung öffentlich gemacht. Die Argumente für seine Forderungen schickt der Verband in einer ausführlichen Vorbemerkung voraus. Dort heißt es unter anderem:

"Das Kino ist als kultureller und sozialer Ort mehr als nur eine technische Plattform zur Wiedergabe von Filmen. Es trägt als Lokomotive maßgeblich zur Bekanntheit und zum Erfolg gerade auch von Arthouse-, Dokumentar- und Nachwuchsfilmen bei. Die Filmförderung muss sich daher weiter auf das wichtigste Auswertungsfenster, das Kino, konzentrieren und dies angemessen schützen und fördern. Um das kreative Potenzial des deutschen Films noch gezielter zu entwickeln und den Erfolg der geförderten Filme strukturell besser zu entfalten, sollte die Filmförderung systematischer nach dem Prinzip 'Qualität statt Masse' ausgerichtet und das jeweilige Publikum - im Filmkunstsegment also andere Zielgrößen als im Mainstream - enger im Blick behalten."

Die Kernforderungen können als Leitbild einer neuen Filmförderung angesehen werden mit einer stärkeren Qualitäts- und Vertriebsorientierung, aber auch der Wahrung der bisherigen Verwertungsabstufung durch eine starke Kinoförderung sowie einer Entlastung der Kinos bei der Filmabgabe - wobei sich der Verband ausdrücklich von der Forderung des Verbands der Filmverleiher e.V. (VdF Kino) nach einem einheitlichen Abgabesatz distanziert.

Christian Bräuer, Vorstandsvorsitzender der AG Kino-Gilde, setzt sich im Einzelnen besonders für folgende Punkte ein:

Eine faire Filmabgabe:

Laut AG Kino-Gilde ist die Filmtheaterbranche mehr und mehr zum Hauptfinancier der Filmförderungsanstalt (FFA) geworden. Dies, obwohl sie auf eine "ökonomisch schwierige Dekade" zurückblicken würde, in der nicht zuletzt die Digitalisierung zu einem Modernisierungsstau geführt habe - während die Ansprüche des Publikums gewachsen seien. Zudem sei die nächste Welle der Digitalisierung während der Laufzeit des kommenden FFG zu bewältigen. Generell stehe das Kino - wie der von der FFA beauftragte Evaluierungsbericht zeige - angesichts der Änderung des Mediennutzungs- und Freizeitverhaltens sowie im Kontext des demographischen Wandels vor großen Herausforderungen, wenn es sich dem in diesem Bericht prognostizierten Negativtrend entgegenstemme wolle.

Deshalb schlägt die AG Kino-Gilde eine Reduzierung der Filmabgabe der Kinos auf das Niveau von 2013 (oder eine vergleichbare Größenordnung) vor - dies nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund des Ungleichgewichts gegenüber den übrigen abgabepflichtigen Gruppen. Ein wesentlicher Punkt dabei: Anders als der VdF plädiert die AG Kino-Gilde für einen weiterhin gestaffelten Abgabesatz. Der VdF hatte sich im November 2014 für einen einheitlichen Abgabesatz stark gemacht, der in der Konsequenz aber durchaus zu Mehrbelastungen bei jenen Kinos führen könnte, die bislang von der Abgabe befreit sind oder einen niedrigeren Prozentsatz abführen müssen. Durch moderate Mehrbelastungen bei den anderen Verwertern und eine deutliche Erhöhung der Rückzahlquote in der Produktionsförderung ließe sich der Etat der FFA auch bei Entlastung der Kinos sichern bzw. erhöhen, zeigt sich die AG Kino-Gilde überzeugt. Überfällig sei in diesem Zusammenhang die Einbeziehung der im Ausland ansässigen Videoprogrammanbieter, zudem sei zu prüfen, inwieweit Internetpovider für nachgewiesene illegale Internetdownloads zur Abgabe herangezogen werden könnten.

Starke Kinoförderungen:

Gerade die Referenzkinoförderung sei elementar für die Kinos, die einen weit überdurchschnittlichen Besuchermarktanteil mit deutschen und europäischen Filmen haben, um ihr Programm bewerben und die Spielstätten modernisieren zu können. Zugleich wirke der Anreizmechanismus: Von Jahr zur Jahr würden mehr Kinos die Kriterien erfüllen, also bevorzugt deutsche Filme zeigen. Würden diese Förderungen infrage gestellt, so die AG Kino-Gilde, "ließen sich viele Modernisierungen und Neubauten nicht mehr realisieren und die Kinos, die sich besonders stark für den deutschen und europäischen Film einsetzen, würden in ihrem Bemühen, diesem ein attraktives Umfeld und ein engagiertes lokales Marketing zu geben, massiv geschwächt."

Entsprechend plädiert der Verband einerseits für eine Stärkung der anreizorientierten Referenzkinoförderung, andererseits aber auch für einen Ausbau der Projektkinoförderung. Dies nicht zuletzt mit dem Ziel, dem nach wie vor anhaltenden Rückgang bei den Kinostandorten Einhalt zu gebieten - wobei etwaige speziell auf dieses Problem gerichtete Förderprogramme nicht zulasten der allgemeinen Projektkinoförderung gehen dürften, sondern über Rücklagen gespeist werden sollen. Nicht umsonst plädiert der Verband auch für einen Einsatz für komplementäre Modernisierungs- und Neubauprogramme in allen Bundesländern. Schließlich sei zu beobachten, dass Länder mit entsprechenden Programmen eine stabilere Kinolandschaft vorzuweisen hätten als jene ohne solche Förderung. Teil des Forderungskatalogs ist zudem eine Fortführung der Digitalisierungsförderung.

Schutz des Kulturgutes Kinofilm:

Erst die Sperrfristen begründeten das auch wirtschaftlich relevante Qualitätssiegel ,Kinofilm', zudem ermöglichten diese erst die ökonomisch bedeutsame Mehrfachauswertung. Zugleich bedürften die Kinos dieses Schutzes: Schon eine Verkürzung auf rund sieben bis acht Wochen würde zu einer Schließung von mindestens 30 Prozent des deutschen Kinoparks führen, so die Prognose der AG Kino-Gilde. Die vielfachen Möglichkeiten zur Reduzierung der Sperrfristen hätten sich bewährt und böten hinreichend Flexibilität für besondere Projekte. Zudem behindere das Kino die Entfaltung der Internetverwertung nicht, vielmehr sei dies ein Problem der illegalen Verbreitungswege, die mit allen geeigneten Maßnahmen einzudämmen seien.

Paradigmenwechsel in der Filmförderung:

Nach Ansicht der AG Kino-Gilde werden die Potenziale des deutschen Kinofilms nicht hinreichend ausgeschöpft. Einerseits übersteige eine Filmflut die Kapazitäten der Kinos, andererseits fehle es trotz dieser Masse aber an wirklich zugkräftigen Titeln. "Es gibt bei der Produktionsförderung zu viele 'Fehlanreize' die bewirken, dass der Kinoerfolg zweitrangig ist!", so die AG Kino-Gilde. Filmförderung solle künftig stärker nach dem Prinzip "Qualität statt Masse" ausgerichtet werden - eine engere Verknüpfung an den relativen Erfolg der Kinoauswertung sei dringend angezeigt.

Wie das Wort "relativ" bereits andeutet, setzt sich der Verband im Rahmen der Referenzfilmförderung für differenzierte Erfolgskriterien ein. Geeignet scheine hierfür, die Anzahl der Kinobesucher in Relation zur Kopienzahl oder zu den Produktionskosten bzw. dem Fördervolumen zu stellen. Zudem sei zu prüfen, ob die Verwendung der Referenzgelder vorab dem Vorstand bzw. der Vergabekommission zur Prüfung vorgelegt werden müsse und bei begründeten Zweifeln am Erfolg des Projekts eine Überarbeitung verlangt werden könne. Generell soll die Referenzfilmförderung zugunsten anderer Fördermaßnahmen geschwächt werden.

Im Rahmen der Projektfilmförderung soll u.a. durch eine engmaschigere Regelung mittels einer frühzeitigen Rückzahlungsverpflichtung die Rückzahlquote erhöht werden. Gleichzeitig solle, sofern bei früheren Projekten regelmäßig keine (anteilige) Rückzahlung erfolgt sei, die bedingt rückzahlbare Förderung in ein unbedingt zurückzahlbares Darlehen umgewandelt werden. Generell soll die Projektfilmförderung - wie auch die Drehbuchförderung - gestärkt werden, dies zulasten der Referenzfilmförderung. Um Qualität und Verwertungschancen der geförderten Filme besser beurteilen zu können, soll die Einführung eines "Commissioner-Systems" nach skandinavischem Vorbild geprüft werden. Zudem seien Maßnahmen zu ergreifen, um der strukturellen Benachteiligung von Frauen zu begegnen.

Zur Erhöhung der Verwertungschancen soll auch eine Reform der Verleih- und Vertriebsförderung beitragen. Insbesondere soll das lokale Kinomarketing verstärkt mit der Verleihförderung gekoppelt werden, um eine angemessenere und zielgerichtete Bewerbung der Filme zu gewährleisten. Die Verleihförderung soll insgesamt - erneut zulasten der Referenzfilmförderung - gestärkt werden.

Die komplette 14-seitige Stellungnahme der AG Kino-Gilde finden Sie im Wortlaut hier.

Link: www.agkino.de
Quellen: AG Kino | Blickpunkt:Film | EPI-Medieninstitut

Anzeige