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8. Berlin Biennale zeigt viel Film- und Videokunst

Contemporary Art an drei verstreut liegenden Orten Berlins.



Nicht nur das gestern beschriebene Berlin Documentary Forum gastiert nur alle zwei Jahre in Berlin, auch die Berlin Biennale findet nicht öfter statt. Im Gegensatz zur dOCUMENTA in Kassel, die nur alle fünf Jahre die Kunstwelt in Erstaunen versetzt, ist das aber schon ein beachtlicher Aufwand für eine an drei verschiedenen Orten installierte Ausstellung zeitgenössischer Kunst, die im Gegensatz zur Art Week Berlin oder dem Gallery Weekend keine Verkaufsmesse ist und kaum Geld einbringt.

Nur mit der Hilfe der Kulturstiftung des Bundes, die wieder 2,5 Millionen Euro zugeben, kann das KW Institut for Contemporary Art diese Leistungsschau moderner Kunst in Berlin vom 29. Mai bis zum 3. August 2014 in den Kunstwerken der Auguststraße in Berlin-Mitte sowie im Haus am Waldsee in Berlin-Zehlendorf und erstmals im Ethnologischen Museum Dahlem zeigen.

Letzterer Ausstellungsort ist wahrscheinlich die spannendste Entdeckung, weshalb die Pressekonferenz fernab von Berlins Mitte genau hier an der grünen Peripherie abgehalten wurde. Wenn man den Gerüchten folgen darf, wird das Ethnologische Museum Dahlem in wenigen Jahren komplett ins Humboldtforum verlagert, in die Räume des bald wieder aufgebauten Berliner Stadtschlosses. Für die Kunstwerke war das der Anlass, sich mit dem Thema frühzeitig auseinander zu setzen und Gegenentwürfe zu liefern. Die Findungskommission aller Kunstwerke der Welt, darunter das MoMA in New York, dessen Direktor, der deutschstämmige Kunsthistoriker und Kulturmanager Klaus Biesenbach in Berlin persönlich anwesend war, beauftragten 2012 den südamerikanischen Kurator Juan A. Gaitán, die diesjährige Ausstellung zu planen.

Für den Kurator gehört die Berührung mit Relikten der Vergangenheit zur Selbstverständlichkeit. In Südamerika trifft man auch in der Neuzeit nicht nur täglich auf Altertümer der Mayas, sondern weiterhin auf die lebendige Kultur der indianischen Ureinwohner, die dort überall noch sehr präsent ist. So wurde für die Berlin Biennale das "Museum of new and old things" geboren, wie sich Gaitán auszudrücken versuchte. Ein Ausspruch, der auch beim Wachpersonal Hoffnungen weckt, dass es für das Gebäude in Dahlem eine Zukunft gibt.

Das Völkerkunde Museum in Dahlem beherbergt bekanntlich ethnologische Schätze aus aller Welt, die schon zu Zeiten von Alexander von Humboldt zusammen getragen wurden. Indianische Kunst ist nur ein Aspekt, aber vielleicht einer der anschaulichsten. Darüber hinaus gibt es in Dahlem auch noch das Teehaus des zeitgenössischen Künstlers Ai Weiwei, das sich bei der chinesischen Sammlung in Dahlem befindet und auch ohne Biennale schon vor geraumer Zeit wunderbar integriert wurde. Vielleicht war das der Anstoß für Gaitán, den angestaubten Räumen in Dahlem mit der Biennale einen ebenso modernen Touch zu geben. So stellen insgesamt 53 Künstler an drei Orten ca. 80% neue Arbeiten zeitgenössischer Kunst aus, die sich im Dahlemer Museum in Relation zu alten Beständen behaupten müssen. Nicht immer gelingt dies; spannend ist es dennoch!

Einige Räume in Dahlem waren allerdings bereits im April für eine temporäre Ausstellung neu gestaltet worden und wirkten schon vor dem jetzigen Kunsthighlight sehr anschaulich und hoch modern eingerichtet, sodass es richtig Lust macht, diese zu durchwandern. Es wäre schade, dies alles wieder zu schließen und nur mit einigen exemplarischen Exponaten ins Humboldt Forum zu verlagern, denn jetzt kommt mit der Berlin Biennale auch noch moderne Kunst hinzu und ergänzt geschichtliches wunderbar. Mit Fotos, Film und Videos fangen einige Objekte an zu leben und sind gar nicht mehr langweilig. Ohne Katalog wird es allerdings für den Besucher der Biennale recht schwer, sich zurecht zu finden oder die einzelnen Objekte zu verstehen, weil auf lange Begleittexte oder Erklärungen in der Ausstellung verzichtet wird. Mehr als die Namen der Künstler, sind nicht an den Wänden zu finden. Allerdings gibt es öffentliche Rundgänge in deutscher Sprache, in denen vieles erläutert wird.

Ergänzend zu einer aktuellen Installation von Shahryar Nashat im ersten Obergeschoss des Museums Dahlem, gibt es heute um 13:00 Uhr im Delphi Filmpalast am Zoo eine 40 Minuten lange Filmpremiere des Künstlers. "Parade" von Shahryar Nashat ist die filmische Adaption einer Choreografie von Adam Linder, die wiederum ein Ballett von Jean Cocteau aus dem Jahr 1917 neu interpretiert. Die wiederholte Adaption basiert auf einer ‘Parade’ von drei Varieté-Darsteller/Innen vor dem Theater, die damit ihr Theaterstück bewerben; die Künstler/Innen müssen sich permanent erfolgreich verkaufen, um überleben zu können. Nashats Kinematograf Gaetan Varone setzt die Kamera so ein, dass sie der Virtuosität der drei Performer/Innen entspricht. Mittels Bildausschnitt, Schnitt und Ton überträgt er den Nachhall einer Live-Choreografie in eine genuin kinematografische Angelegenheit.

Die Premiere des Films, produziert mit der Unterstützung vom HAU Hebbel am Ufer und ARRI Berlin, wird am 29. Mai 2014 in Kooperation mit dem Institut français Berlin anlässlich von Sharyar Nashats Teilnahme an der 8. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst gezeigt. Der Eintritt ist frei. Hier der Trailer:

Parade from snarchive on Vimeo.


Wer von Dahlem zum Haus am Waldsee oder zu den Kunstwerken weiter zieht, wird aber merken, wie sich einige Künstler Gedanken gemacht haben, um einzelne Objekte aus Dahlem an den anderen Orten auf eine ganz besondere Art, noch einmal zu reflektieren. Das geschieht in Form von Musik, Schaukästen, Bildern, Zeichnungen, Fotografien oder auch Videos, die z.T. großflächig überall zu sehen sind. Zentrales Thema ist dabei die Kunst zum Thema Umwelt. Mal besser, mal weniger geschickt arrangiert. Anregungen zum Nachdenken gibt es aber genügend.

Ein Beispiel soll das erläutern:
Jäger und Sammler waren nicht nur die Ureinwohner Polynesiens, sondern Angler in allen Kontinenten. Doch die Ausleger-Einbaum-Kanus, mit denen der Fischfang in der Südsee betrieben wurde, sind besonders anschauliche Highlights der Dahlemer Ausstellungsstücke.

© Kreismuseum Schönebeck

In den Kunstwerken (KW) in der Auguststraße nimmt ein Künstler im Obergeschoss dies zum Anlass, darüber nachzudenken, wie moderner Weltraumschrott möglicherweise mit einer Art Fischernetz automatisch eingefangen werden könnte. Eine Video-Animation verdeutlicht dies und das Netz als haptisches Kunstobjekt wird ebenfalls ausgestellt. Fazit des Künstlers: Auch bei der Raumfahrt betritt der Mensch Neuland und muss erst aus seinen Fehlern lernen.

Die herrschende Geschichtsschreibung in Frage zu stellen und alternative Erzählungen zu finden ist offensichtlich das Anliegen vieler Künstler. "Try and Error" könnte so das Motto der 8. Berlin Biennale sein.

Link: www.berlinbiennale.de

Haus am Waldsee
Museen Dahlem – Staatliche Museen zu Berlin
KW Institute for Contemporary Art

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