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30 Jahre Privatfernsehen - Erfolg durch Kabel-TV

ProSiebenSat.1 TV erklärt sich zum Marktführer.



Vor 30 Jahren, am 1. Januar 1984, startete mit dem Sat.1-Vorläufer PKS das erste deutsche private Fernsehprogramm in Ludwigshafen. Drei weitere Kabelpilotprojekte in Berlin, München und Dortmund folgten und ermöglichten erstmals die Verbreitung des privaten Fernsehens noch vor dem Beginn des privaten Satellitenempfangs. Erst Ende 1988 konnte RTL plus den TV-Betrieb aus Luxemburg zusätzlich auch über den SES Astra Satelliten verbreiten. Die Privaten sorgten seither für etliche Tabubrüche, überschritten zuweilen auch Geschmacksgrenzen - und zogen damit ein Massenpublikum an, während die öffentlich-rechtlichen Programme von ARD und ZDF immer etwas vorsichtiger und seriöser zu wirken versuchten.

Inzwischen sind die Unterschiede marginal. Die Öffentlich-Rechtlichen fühlten sich herausgefordert und glichen sich der Konkurrenz in Teilen an. Qualitätsunterschiede sind nur noch schwer auszumachen. Fast alle Sender werden mittlerweile in HD-TV abgestrahlt und beim Programmangebot dominieren Spieleshows und Talkrunden ebenfalls auf allen Sendern. Zum Jahresanfang gibt es dann den obligatorischen Rückblick der Forschungsgruppen im Auftrag der Sender. Wer vorne liegt ist schwer zu sagen, denn mit Statistiken lässt sich fast alles beweisen. In einem unserer Artikel vom 12. Juli 2012 belegten wir das Spiel mit den falschen Mediazahlen.



Auch in diesem Jahr behauptet die Sendergruppe der ProSiebenSat.1 Group - SAT.1, ProSieben, kabel eins, sixx, SAT.1 Gold und ProSieben MAXX mit einem Marktanteil von 28,1 Prozent das Jahr 2013 als Marktführer bei den 14- bis 49-Jährigen abgeschlossen zu haben. Damit liegt die Sendergruppe angeblich um +2,0 Prozentpunkte vor der Mediengruppe RTL Deutschland (RTL, Vox, Super RTL, n-tv, RTL Nitro), die auf einen Marktanteil von nur 26,1 Prozent in 2013 kommt. Grenzt man willkürlich die Zahlen auf eine Relevanz-Zielgruppe der 14 bis 39-Jährigen ein, wäre ProSieben mit 16,0 Prozent Marktanteil sogar unangefochten Marktführer. Tatsächlich sind die jungen Leute jedoch deutlich weniger fernsehaffin als die ältere Generation der über 50-Jährigen. Würden die älteren Fernsehzuschauer mit in die Erhebungen einbezogen, sähe das Bild ganz anders aus.

Der Journalistenverband (DJV) veröffentlichte nämlich ganz andere Zahlen des Kress Mediendienstes. Mit einem Marktanteil von 12,8 Prozent war demnach das Zweite Deutsche Fernsehen im vergangenen Jahr der beliebteste Fernsehsender in Deutschland. Auf Platz zwei folgte das Erste mit 12,1 Prozent. Der Privatsender RTL kam zwar auf den dritten Platz, hatte aber mit einem Anteil von 11,3 Prozent den schlechtesten Wert seit 1989. In der so genannten werberelevanten Zielgruppe der 14- bis 49-jährigen Zuschauer belegte RTL den Spitzenplatz mit 14,5 Prozent, gefolgt von ProSieben mit 11,4 Prozent und Sat.1 (9,4 Prozent).

Bei etlichen Befragungen unter jungen Menschen steht das Fernsehen überhaupt nicht mehr in der Gunst im Vordergrund. Die neuen Medien haben mit den Smartphones und Tablet-PCs bei vielen sogar das herkömmliche Fernsehen ganz verdrängt. Während Kino als gemeinsames gesellschaftliches Ereignis noch akzeptiert wird und oft einen Stellenwert genießt wie in früheren Zeiten das Theater, wird die Anschaffung eines Fernsehgerätes unter der jüngeren Generation manchmal sogar total abgelehnt. Gewisse Sendungen und vor allem Serien-Hits werden dennoch gesehen. Aber nicht vor der Glotze, sondern im Internet - wann immer man mag. Die Mediatheken auf dem Second-Screen machen es möglich.



Die Angebotsvielfalt des Satellitenfernsehens spiegelt sich dennoch nicht im Internet und auch nicht im Kabel wider. Zumindest bei betuchteren Personen werden hochauflösendes Ultra-HD-TV in den nächsten Jahren dem Fernsehen und dem Download von Kinofilmen wieder einen Aufschwung geben und möglicherweise das Kino in der Gunst sogar bedrängen. Brillante HD-Flachbildschirme mit mehr als 2m Bildschirmdiagonale lassen nämlich echtes Heimkinofeeling aufkommen.

Nach der HD-Neuaufschaltung von fünf weiteren ARD-Programmen ist die Zahl der frei empfangbaren hochauflösenden Kanäle via Astra 19,2° Ost immerhin auf rund 50 Programme gestiegen. Rechnet man die Pay-TV-Sender hinzu, ist das HD-Angebot schier unglaublich und befriedigt fast jedes Bedürfnis.



Das Kabelfernsehen weigert sich derweil immer noch in einigen Bereichen mitzuziehen, da der Streit mit den öffentlich-rechtlichen Sendern über die Abrechnungsmodalitäten zur Einspeisung ihrer Programme noch nicht beigelegt ist.

Zudem wollte Kabel Deutschland auch bei den privaten Sendern im letzten Jahr gerichtlich feststellen lassen, dass der VG Media - der Gesellschaft zur Verwertung der Urheber- und Leistungsschutzrechte von Medienunternehmen - überhaupt keine Urheberrechtsvergütungen für die Kabelverbreitung der privaten Hörfunk- und Fernsehprogramme zustünden. Im August 2013 hatte jedoch das Landgericht Berlin entschieden, dass Kabel Deutschland 46 Mio. Euro nachzahlen muss. Es ging um die Zweitverwertung durch die öffentliche Wiedergabe der TV-Programme in Hotels, Krankenhäusern, Fitnessstudios und Gefängnissen. Mit anderen Betreibern hatte die VG Media Verträge abgeschlossen, nur nicht mit KDG.

Demnächst muss das Verfassungsgericht entscheiden, ob die Weigerung von Kabel Deutschland rechtens ist, gewisse lokale Programmangebote und HD-Programme der öffentlich-rechtlichen Sender, nicht weiterzuverbreiten. Kabel Deutschland hat bereits auf die ausbleibenden Zahlungen reagiert und regionale Fenster der Dritten Programme abgeschaltet, denn die Kabelanbieter sehen in der gesetzlich verordneten Pflicht, die öffentlich-rechtlichen Sender zu übertragen, auch die umgekehrte Verpflichtung, dass diese für die kostenintensive Einspeisung in die Kabelnetze zahlen müssten.



Auch bei anderen Kabelbetreibern sowie bei der Telekom gibt es Ärger. Das Bundeskartellamt muss den 2012 erfolgten Zusammenschluss der beiden Kabelnetzbetreiber Unitymedia und Kabel BW erneut prüfen. Die Telekom hatte gegen deren marktbeherrschende Stellung geklagt und beim Oberlandesgericht in Düsseldorf Einspruch erwirkt. Die Kabelgesellschaften erreichen mit 21 Millionen erreichen immerhin etwa die Hälfte aller deutschen Haushalte.

Kartellamtspräsident Andreas Mundt verteidigt das Vorgehen seiner Behörde. "Wir haben die Fusion sehr kritisch gesehen und nur unter sehr weitreichenden marktöffnenden Zusagen freigegeben". "Eine Rückabwicklung des Deals wäre für die Branche dramatisch", sagt auch Analyst Wolfgang Specht vom Bankhaus Lampe.



Die Telekom sieht sich durch die Kabelgesellschaften beim Internetfernsehen ziemlich bedrängt. Die Kapazität der Telefonleitungen gibt auf Dauer lange nicht so viel her wie das Breitbandkabel. Ein Übersprechen zwischen den Kabelsträngen muss aufwändig durch VDSL-Vectoring, einer Kodierung der Leitungen, reduziert werden. Auch für den Glasfaserausbau - Fibre To The Home (FTTH) nennt der Festnetzbetreiber für 2014 keine Ziele mehr. Der Netzbetreiberverband BREKO beklagt zudem, dass die Telekom den Ausbau anderer Anbieter oft behindert. Neben der Telefonie werden die gleichen Leitungen auch für die Multimedia-Angebote wie VDSL genutzt. Da sind die Kabelanbieter im Vorteil, denn sie können höhere Übertragungsgeschwindigkeiten bieten. Deshalb will die Telekom bei Internet-Flatrates nach dem Verbrauch einer bestimmten Datenmenge die Surfgeschwindigkeit drosseln. Doch das geht nicht ohne Zustimmung der Nutzer, hat das Kölner Landgericht inzwischen entschieden - und die Rechte der Verbraucher gestärkt. Dieser Tage verkündete deshalb die Telekom die Drosselung erst 2016 vornehmen zu wollen und echte Flatrates bis dahin, nur um 5,- bis 10,- Euro teurer zu machen.

Der Sinneswandel ist auch unter der positiven Entwicklung des Aktienmarktes zu sehen. Gerüchte über einen Verkauf der US-Tochter T-Mobile an Sprint Nextel, dem drittgrößten US-amerikanischen Mobilfunkbetreiber nach Verizon Wireless und AT&T, bescherten der Telekom ein Plus von 30% an der US-Börse kurz vor Weihnachten. Seit Ende 2012 gewann die T-Aktie rund 46 Prozent hinzu und liegt damit auf Platz vier im Dax.


Geld zum Ausbau ihrer Kapazitäten hat die Telekom dringend nötig. Für 2014 steht nämlich die komplette Übernahme von Kabel Deutschland durch Vodafone an. Der ärgste Wettbewerber der Telekom hat Ende 2013 den Kabelanbieter gekauft und wartet nur noch auf die Zustimmung des Kartellamtes. Dann kann Vodafone Telefon und Kabelservices inklusive einer mehr als 1000 Filme umfassenden Online-Videothek aus einer Hand anbieten. Auch bietet sich über kurz oder lang eine Zusammenlegung verschiedener Dienste an, wie dem VoD-Service Select Video von Kabel Deutschland, der noch nicht überall verfügbar ist. Im Festnetz ist Vodafone mit Arcor vertreten. Neuverträge gibt es allerdings nur noch direkt unter dem Namen Vodafone, um den Auftritt zu vereinheitlichen.


Primacom der kleinste Anbieter unter den Kabelgesellschaften wollte eigentlich unabhängig bleiben. Doch die Konsolidierung am deutschen Kabelmarkt scheint weiter zu gehen. Im Hintergrund sollen bereits Gespräche der Investoren über einen Zusammenschluss der mittelgroßen Kabelnetzbetreiber laufen. Der Kauf von Tele Columbus durch Kabel Deutschland war zwar im Februar 2013 am Bundeskartellamt gescheitert, aber zum Jahresende hatte der drittgrößte deutsche Kabelanbieter Tele Columbus überraschend dem Konkurrenten Primacom an feindliches Übernahmeangebot unterbreitet.

Mittelfristig sei deshalb zu erwarten, dass sich vier bis fünf große Telekommunikationsunternehmen und Kabelnetzbetreiber den Markt aufteilen, denn die Kunden erwarten weiter sinkende Preise und mehr Service aus einer Hand. Tele Columbus betreibt hauptsächlich im Großraum Berlin und den neuen Bundesländern mit den Städten Dresden, Magdeburg und Potsdam sein Netz, während Primacom ebenfalls in Berlin aber auch in Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Rheinland-Pfalz aktiv ist.

Quellen: Infosat | dpa | Märkische Oderzeitung | Blickpunkt:Film | Golem | Reuters | Digital Fernsehen | Handelsblatt

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