Skip to content

Minister fordert mehr Engagement der TV-Anstalten

Filmemacher fordern klares Bekenntnis der TV-Sender zum Kinofilm.



Bei der Verkündung der Nominierten für den Deutschen Filmpreis, den LOLAS 2013, am Freitag, den 22.03.2013 in der Berliner Astor Filmlounge, zeigte sich Kulturstaatsminister Bernd Neumann vom Bayerischen Fernsehsender (BR) schwer enttäuscht.

"Die Filmförderung zurückzufahren, sei der falsche Ansatz", antwortete sinngemäß Bernd Neumann auf eine Frage des rbb-Moderators Peter Twiehaus. "Er hätte vielmehr von von der BR-Fernsehdirektorin Bettina Reitz deutlich mehr Engagement bei der Filmförderung erwartet, um die kulturelle Vielfalt zu steigern."

Neumann lies durchblicken, dass er bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises am 26. April 2013 im Berliner Friedrichstadtpalast, sich nochmals für den deutschen Film bei den Fernsehanstalten einsetzen will, damit der bayerische Vorstoß nicht bei anderen Sender Schule macht, denn die Beteiligung der öffentlich-rechtlichen Sender an der Finanzierung von Kinofilmen zurückfahren zu wollen, hat viel Protest ausgelöst: Drehbuchautoren, Regisseure, Produzenten, Schauspieler und die Deutsche Filmakademie verurteilen das Vorhaben. Ohne Beteiligung der deutschen Fernsehanstalten und weiterer Kooperationspartner würde die deutsche Filmproduktion quasi zum Erliegen kommen.

In der Tat hat Bettina Reitz mehrfach harte Worte gegen die Beteiligung von ARD und ZDF an Kinoproduktionen gefunden. So fordert sie, dass nicht nur der Bayerische Rundfunk sein Budget anders einsetzen müsse: "Die Grundversorgung umfasst nicht Kinoproduktionen", legt sich die Fernsehdirektorin im Magazin Blickpunkt:Film fest. Sie fügt hinzu: "Sollten wir uns aufgrund von Kritik oder mangels Geld von bestimmten Aufgaben trennen, dann geht es doch als Erstes an Auftragsproduktionen und Kinoproduktionen." ARD-Programmdirektor Volker Herres ergänzte, dass eine Grundvoraussetzung zur Ausstrahlung deutscher Kinofilme eine Primetimetauglichkeit im Sinne des Fernsehprogramms sei.

Die Ausstrahlung von zum Teil preisgekrönten Filmen um 20:15 Uhr zur Primetime - also direkt nach der Tagesschau - ist schon lange eine Forderung der Filmemacher. Sendungen mit künstlerisch-wertvollen Produktionen wie z.B. in der Sendung "Das Kleine Fernsehspiel des ZDF", werden aber wegen angeblich zu geringer Publikumsakzeptanz, leider zunehmend erst nach Mitternacht ausgestrahlt und damit fast unter Ausschluss der breiten Öffentlichkeit. Einzige Ausnahme war ein Versuch der ARD in den letzten Sommerferien wenige, ausgesuchte Werke, bereits zeitlich etwas früher auszustrahlen. Obwohl das Medienecho positiv war, setzen die Fernsehanstalten dennoch lieber auf publikumswirksamere Talk und Spieleshows, als das Experiment fortzusetzen. Dabei hatte gerade erst der Dreiteiler des ZDF "Unsere Mütter, unsere Väter" gezeigt, dass es mit guter Qualität auch anders gehen kann. 7,63 Millionen Zuschauer ließen sich das Ende vom Nazi-Kriegsdrama nicht entgehen, was dem Zweiten eine Sehbeteiligung von hervorragenden 24,3 Prozent einbrachte. Auch beim jüngeren Publikum erwies sich der Antikriegsfilm mit 2,08 Millionen Zuschauern und 17,5 Prozent als Favorit. (Siehe dazu auch unseren Vorbericht vom 16. März 2013)

Debatte über die Stellung des Kinofilms in der Gesellschaft gefordert.
Alfred Holighaus, Geschäftsführer der Deutschen Filmakademie, fordert nunmehr sogar eine Debatte über die Stellung des Kinos im öffentlich-rechtlichen Fernsehen und regt damit eine Grundsatzdiskussion über die Stellung des Kinos in unserer Gesellschaft an. Dabei gehe es auch um die Verantwortung der Sender für die Vielfalt der Grundversorgung, zu der laut der Stellungnahme der Filmakademie "fraglos" auch der Kinofilm als Kulturgut gehört. Die Ankündigung von Bettina Reitz hatte man bei der Deutschen Filmakademie schockiert zur Kenntnis genommen, auch wenn die immer weniger werdenden attraktiven Sendeplätze für Kinokoproduktionen in den vergangenen Jahren schon als die ersten Rückzugssignale erkannt worden waren. Ein Rückzug hätte nach Ansicht der Deutschen Filmakademie nicht nur für die deutsche Kinolandschaft, sondern auch für das Fernsehen schwerwiegende Folgen, denn "erfolgreiche und engagierte, preisgekrönte und stark diskutierte Kinofilme" tragen auch zur Qualitätssteigerung des TV-Programms bei.

Auch Schauspieler und Drehbuchautoren fordern Kurskorrekturen.
Es gab wohl keinen Filmverband, der sich nicht empörend über das Statement der BR-Fernsehdirektorin Bettina Reitz äußerte. Auch der Bundesverband der Film- und Fernsehschauspieler (BFFS) hat sich der Forderung der Allianz Deutscher Produzenten - Film & Fernsehen (Produzentenallianz) und des Bundesverbands der Film- und Fernsehregisseure (BVR-Regieverband) nach einem klaren Bekenntnis der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender zu Kinoproduktionen angeschlossen.

Äußerungen, die BFFS-Vorstandsmitglied Hans-Werner Meyer als "Warnschuss" versteht: "Frau Reitz warnt offensichtlich davor, bei der derzeitigen Gebührendebatte zu weit zu gehen. Deshalb verweist sie darauf, dass eine Reduktion des Budgets automatisch zulasten der Auftragsproduktionen und Kino-Koproduktionen gehen würde. "Wenn darüber hinaus jetzt eine weitere Reduktion der Senderbeteiligung bei Kino-Koproduktionen und die Überprüfung derselben auf 'Primetime-Tauglichkeit' angekündigt werden, ist ein Aussterben der Vielfalt von Erzähltechniken zu befürchten.."

Ebenso fordert Geschäftsführerin Katharina Uppenbrink vom Verband Deutscher Drehbuchautoren (VDD) von den öffentlich-rechtlichen TV-Anstalten mehr statt weniger finanzielles Engagement sowie mehr und bessere Sendeplätze für den deutschen Kinofilm statt weniger.

Nach Ansicht des VDD werde hier am falschen Ende gespart und der Kinofilm kurzerhand zur Nebensache erklärt. "Während man in Frankreich begriffen hat, dass Filmfinanzierung zur Identität eines europäischen Staates dazugehört, meint man in hierzulande, mit fünf Talkshows pro Woche, Dutzenden Krimiformaten und billig produzierter sogenannter 'scripted reality' deutsche Wirklichkeit zur Genüge abzubilden", heißt es in einer Verbandsmitteilung. Denn anders als in den USA sind die deutschen Sendeanstalten ihrem Publikum nach Ansicht des VDD den Nachweis noch schuldig, "dass hochwertige TV-Serien in ihrer erzählerischen Qualität dem Kino sogar den Rang ablaufen könnten", was einen "produktiven und fruchtbaren Wettstreit zwischen beiden Medien" zur Folge haben könnte.

Produzentenverband über Äußerungen des BR empört.
Stephan Wagner, Vorstand des Bundesverbandes der Film- und Fernsehregisseure (BVR) reagierte sogar ziemlich empört, denn die TV-Anstalten sind lebenswichtige Finanzierungspartner für deutsche Spielfilme und internationale Koproduktionen:

"Wer sich gerne im Blitzlichtgewitter deutscher Kinopremieren sonnt und zeitgleich den Rückgang des Kinoengagements deutscher Sender ankündigt, darf sich nicht wundern, wenn er als unglaubwürdig wahrgenommen wird."

"Wenn sich die öffentlich-rechtlichen Sender von ARD und ZDF sich zunehmend aus der Verantwortung für ihre inhaltlichen Programmaufgaben bezüglich Information, Unterhaltung, Bildung und Kultur stehlen, legen sie den Markt für herausragende Projekte deutscher Regisseure trocken", erklärte auch BVR-Vorstand Peter Carpentier und fordert: "... dass der Einfluss der Sender in den Fördergremien von Bund und Ländern kritisch hinterfragt werden müsse".

Noch weitergehende Forderungen stellt der Verband der Filmschaffenden.
Um sich bei den Parteien mehr Gehör zu verschaffen und bei künftigen Gesetzgebungen Berücksichtigung zu finden, will der Verein "Die Filmschaffenden" - Bundesvereinigung der Filmschaffenden-Verbände e.V. mit einem Forderungskatalog zur sozialen Sicherung im Film-, Fernseh- und Kreativbereich an die Öffentlichkeit gehen:

• 1.) Die oft schwierigen Beschäftigungsverhältnisse, bei der in der Regel wenige Drehtage pro Jahr mit dann verhältnismäßig hohen Tagesgagen für die Beteiligten kaum zur Erlangung der Anwartschaft auf Arbeitslosengeld 1 ausreichen, müsse konstruktiv geändert werden.
• 2.) Das Beschäftigungsverhältnis mit sogenannten "festen Freien" an öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten muss abgeschafft werden, da hierbei kein Anrecht auf Arbeitslosengeld bestünde.
• 3.) Zukünftig muss sichergestellt werden, dass Jobcenter keine Arbeit unter dem Mindeststandard mehr vermitteln und bei Produktionen auch die entsprechenden Mindestgehälter gezahlt werden.
• 4.) Bei der Filmkalkulation benötigen Produktionsfirmen mehr Rechtssicherheit, wenn sie Filmschaffende auf Rechnung beschäftigen.
• 5.) Tarifabschlüsse zu Ungunsten der Beschäftigten müsse stärker unter die Lupe genommen werden.

Quellen: Blickpunkt:Film | Deutsche Filmakademie | BVR | Produzentenallianz | Schauspielerallianz | Drehbuchautoren | BAF | orangeblue relations | rische & co pr
(Die Stellungnahme der Deutschen Filmakademie ist im Wortlaut nachfolgend in der erweiterten Ansicht nachzulesen.)

"Minister fordert mehr Engagement der TV-Anstalten " vollständig lesen

Anzeige