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Zu späte Ausstrahlung von Doris Dorries Erfolgsfilm

ARD sendet "Kirsch­blü­ten – Hanami" morgen erst um 22:15 Uhr.



Zum 30jährigen Jubiläum der AG DOK, dem Filmverband der Dokumentarfilmer, forderte dieser auf einer Podiumsdiskussion anlässlich des DOK Leipzig Filmfestes einen radikalen Umbau des deutschen Filmfördersystems. Die anhaltende Krise der Filmförderungsanstalt (FFA), aber auch der wachsende Einfluss der Fernsehsender auf die Filmförderung der Länder, macht es nach seiner Ansicht erforderlich, über Alternativmodelle nachzudenken.

In einer von der AG DOK präsentierten Studie werden die Förderentscheidungen der letzten drei Jahre kritisch unter die Lupe genommen. Die präsentierten Zahlen sollen in den nächsten Wochen noch verfeinert und durch ergänzende Materialien untermauert werden. Der Dokumentarfilmverband beklagte in diesem Zusammenhang auch das offensichtlich schwindende Interesse der Sender am deutschen Kinofilm, da sich der Finanzierungsanteil des Fernsehens zwischen 2007 und 2009 an den beim „Deutsche Film-Förder-Fonds“ (DFFF) eingereichten Kinofilm-Projekten von 14% auf beschämende sieben Prozent halbiert hat.

Erst kürzlich hatte die AG DOK - anlässlich der Medientage München - zusammen mit anderen Filmverbänden eine Forderung unterzeichnet, in der die ARD aufgefordert wurde, die Ausstrahlung von deutschen Erfolgsfilmen wie "Kirsch­blü­ten – Hanami", zur Prime-Time um 20:15 Uhr vorzunehmen. Auch Regisseurin Doris Dörrie wandte sich eindeutig dagegen, dass ihr Film, der sogar das Prädikat "Wertvoll" erhalten hatte, am 20. November 2010 nur spät nachts um 22:15 Uhr gezeigt wird, wie wir bereits am 29. Oktober im BAF-Blog schrieben.

AG DOK gegen "Scripted Reality"- Formate bei ARD und ZDF



In einer weiteren Meldung wendet sich der Filmverband gegen "fiktionale Erzählweisen im Doku-Stil" bei den Öffentlich-Rechtlichen Anstalten. Thomas Frickel, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm (AG DOK), hat Überlegungen des NDR zur Einführung von "Scripted Reality"-Formaten bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten eine klare Absage erteilt. In den Überlegungen der ARD-Anstalt sieht die AG DOK eine Abkehr vom eigentlichen Programmauftrag der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten. Dem Schielen nach Quoten müsse Einhalt geboten werden, wenn darunter die Qualität leide und eine schrittweise Boulevardisierung des Programms erfolge.

In dem internen Papier der ARD-Anstalt hatte Christian Stichler aus dem NDR-Programmbereich die Frage erörtert, ob die "fiktionale Erzählweise im Doku-Stil" die zurzeit bei RTL mit den "Scripted Reality" Formaten: "Schulermittler", "Mitten im Leben", "Betrugsfälle", "Verdachtsfälle" oder "Familien im Brennpunkt" sehr erfolgreichen platziert werden, auch bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten funktionieren könnten. Die Serien erreichen mittlerweile bei der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen einen Marktanteil von mehr als 25 Prozent.

Der NDR ist sich allerdings darüber im Klaren, dass ein Abkupfern der RTL-Programme aufgrund der Sehgewohnheiten und Erwartungshaltungen des öffentlich-rechtlichen Publikums nicht infrage kommt und etwas Eigenes entwickelt werden müsste. Dazu sollen in einem Pitching führende Produzenten zunächst Storylines und Drehbücher entwickeln, um dann ggf. einen Piloten in Auftrag geben zu können. Sogar der Kontakt zu den führenden "Scripted-Reality"-Produzenten wurde bereits aufgenommen, um spannende Geschichten zu einem relativ kleinen Budget zu entwickeln.

Die AG DOK lehnt diese Planungen kategorisch ab und hat das NDR-Papier zunächst ihre Homepage gestellt:

"Der deutsche Gebührenzahler soll ruhig wissen, wie sehr öffentlich-rechtliche Programmmacher inzwischen von der Quotengier des Privatfernsehens infiziert sind", erklärt der Vorsitzende der AG DOK, Thomas Frickel. "Wer es für erstrebenswert hält, dass erfundene Geschichten 'zumindest vom Zuschauer von echten dokumentarischen Formaten kaum unterschieden werden können' sägt damit noch ein Stück mehr an den höchsten Werten öffentlich-rechtlicher Programmphilosophie: Qualität und Glaubwürdigkeit", heißt es dazu in einer Mitteilung der AG DOK. Durch solche Ideen würde "die Unterscheidbarkeit zwischen den Polen des dualen Rundfunksystems" vollends eingeebnet. "Das öffentlich-rechtliche Fernsehen ist dabei, sich selbst überflüssig zu machen". Die AG DOK fordert die ARD-Intendanten daher auf, den NDR-Plänen eine Absage zu erteilen und sich "deutlich zum Erhalt des Dokumentarfilms und der dokumentarischen Formate in den von ihnen verantworteten Programmen zu bekennen".


Seriöses dokumentarisches Fernsehen verursacht zwar schon seit Jahren die niedrigsten Produktionskosten aller Programmsparten, die Wirklichkeit ist den gebührenfinanzierten Sendern aber offenbar immer noch zu teuer. Letztendlich führt dies zur Verarmung der Programmvielfalt, weil gründliche Recherche, präzise Umsetzung und dokumentarische Sorgfalt auf dem Altar der Eitelkeiten von Talk-Mastern und ihrer ewig gleichen Gästen geopfert werden. Tägliche Talkrunden können die intensive Beschäftigung eines Dokumentarfilmautors mit wichtigen gesellschaftlichen Themen nicht ersetzen. Auch dann nicht, wenn der Moderator für eine einzige Sendung ein Vielfaches dessen bekommt, was ein Dokumentarfilmer für die monatelange Arbeit an seinem Film erwarten kann. Deshalb weisen auch Überlegungen, die Montags-Dokumentation im ARD-Hauptprogramm einer weiteren Talkshow zu opfern, in die falsche Richtung. Der mit der anstehenden Programmstrukturreform im Ersten verbundene „overkill“ an Talk-Formaten führt nur zur weiteren Verflachung der Programmvielfalt.

Quellen: Blickpunkt:Film | Filmzeitung.de


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