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Filmfestspiele in Cannes im Zeichen der Krise?

Berlinale Chef war diesmal nicht dabei, zur 63. Preisverleihung an der Cote d'Azur.



Am Pfingstsonntagabend, den 23. Mai 2010 wurden in Cannes die Preise verkündet. Viel ist in den zahlreichen Medien schon geschrieben worden. Deswegen wollen wir hier an dieser Stelle nur noch einmal das Wichtigste zusammenfassen. Nach 27 Jahren regelmäßiger Anwesenheit beschloss Berlinale Leiter Dieter Kosslik, dem größten A-Festival diesmal fernzubleiben. Auf einer Podiumsdiskussion der Internationalen Medienhilfe (siehe BAF-Blog vom 14. Mai) verkündete er am 17. Mai mit gewisser Häme, nicht noch einmal dort jene Filme sehen zu wollen, die bei der 60. Berlinale 2010 in der Auswahlkommission durchgefallen waren.

Im Zeichen der weltweiten Finanzkrise wollte er wohl das Palaver der Journalisten nicht hören, warum das Cannes Festival diesmal im Ganzen für die Einen recht mau ausfiel, während es Andere bejubelten. Die Krise ist nämlich in den Filmen, die trotz Geldmangel entstehen, vielfach präsent. So verfolgte Dieter Kosslik die täglichen Berichte lieber von Berlin aus, um sich bald wieder ganz der Berlinale widmen zu können. Auf unsere Frage beim Internationaler Medientreff, ob er glaube, dass die Berlinale einmal Cannes überflügeln könne und womöglich in ferner Zukunft mit dem ständig ausufernden European Film Market (EFM) vom Martin-Gropius-Bau in ein modernisiertes ICC Berlin einziehen würde, verneinte er eindeutig. Heimweh nach dem Kurfürstendamm in der ehemaligen West-City bestehe schon und eine Berlinale im Sommer, wie zu früheren Zeiten wäre sicherlich auch schöner, als das Bibbern der Stars auf dem roten Teppich im letzten, extrem kalten Winter. Aber die Konkurrenz ist unerbitterlich und neue Festivals, wie beispielsweise das Filmfest Rom, engen den Filmmarkt dermaßen ein, dass das Angebot an guten Filmen jetzt schon knapp wird, wie man in Cannes beobachten kann. Der Potsdamer Platz hat sich außerdem gut eingeführt und wird bestimmt noch viele Jahre bestehen bleiben. (30% Zuwachs bei den Zuschauerzahlen und 99.6% Auslastung durch die Kartenverkäufe.) Deshalb sollte man in Berlin keine Experimente wagen. Sorgen bereite ihm vielmehr der Zoo Palast, der wegen der geplanten Umbaumaßnahmen zur nächsten Berlinale 2011 nicht zur Verfügung stehe und das Platzangebot für die Zuschauer deutlich verknappen werde.

Platz Sorgen hatte man in Cannes weniger. Viele ursprünglich geplante US-Produktionen wurden nicht rechtzeitig fertig oder mussten wegen knapper Kassen gänzlich abgesagt werden. Die begehrte Goldene Palme, der wichtigste Preis des französischen Festivals, ging deshalb überraschend nach Thailand: Der Film "Uncle Boonmee Who Can Recall His Past Lives" des Regisseurs Apichatpong Weerasethakul erhielt die Palme d'Or als bester Film im offiziellen Wettbewerb beim 63. Filmfestival in Cannes. Der Thailänder setzte sich mit seinem Werk, das die traumartigen letzten Tage eines Mannes schildert, der an Nierenversagen stirbt, gegen 18 weitere Wettbewerbsfilme durch. Es ist die erste Auszeichnung dieser Art für Thailand. Der Beitrag war zuvor als cineastischer Geheimtip gehandelt worden. Apichatpong (39) gehört zu den unbequemen Filmemachern in seiner Heimat. Er fasst gerne Tabu-Themen an wie Homosexualität. Der Regisseur wettert auch gegen die strenge Zensur und pocht auf Wandel. Viele seiner Filme sind verboten. Sein Film zeigt einen schwerkranken Mann, der von den Geistern seiner verstorbenen Familienangehörigen in den Tod bgleitet wird. Damit setzte sich die die Poesie durch beim 63. Filmfestival von Cannes und ließ alles Politische mit Filmen über den Algerien- und den Irakkrieg und alles Plakative außen vor. - Erstmals im Wettbewerb war auch ein Film aus dem Tschad zu sehen.

Die Preise:

• Die goldene Palme (Palme d'Or) für den besten Film: "Uncle Boonmee Who Can Recall His Past Lives" des Regisseurs Apichatpong Weerasethakul.

• Der Große Preis der Jury ging an den französischen Filmemacher Xavier Beauvois für "Des hommes et des dieux". Mit dem Grand Prix du Jury wird seit 1959 der innovativste Film des Wettbewerbs ausgezeichnet.

• Preis der Jury (Prix du Jury): "A screaming man" von Mahamat-Saleh Haroun, Tschad. Es ist der drittwichtigste Preis der Festspiele bei dem maßgeblich die Neuartigkeit eines Beitrags ausschlaggebend ist und von der Jury besonders geschätzt wird. Hier konnte man sich häufig nicht auf einen Preisträger einigen, so dass die Auszeichnung oft an zwei Filme in der Vergangenheit vergeben wurde.

• Die Ehrung als bester Regisseur (Prix de la mise en scí¨ne) wurde an der südfranzösischen Cote d'Azur Mathieu Amalric zuteil für seinen Film "On Tour" ("Tournee").

• Als beste Schauspielerin wurde die Französin Juliette Binoche geehrt. Die 46-Jährige spielt in dem Streifen des iranischen Regisseurs Abbas Kiarostami "Copie Conforme" die Hauptrolle, eine unglückliche Kunsthändlerin. Den Preis für den besten männlichen Darsteller teilen sich der spanische Schauspieler Javier Bardem ("Biutiful") und sein italienischer Kollege Elio Germano ("La Nostra Vita").

• Bestes Drehbuch (Prix du scénario): "Poetry" von Lee Chang Dong (Korea)

• Goldene Kamera (Camera d'Or): Michale Rowe (Mexiko) für "Ano Bisiesto". Die Auszeichnung für den besten Debütfilm führte 1978 der damalige Festivalpräsident Gilles Jacob ein.

• Der beste Kurzfilm wurde mit der Palme d'Or du court métrage ausgezeichnet und ging an Serge Avedikian (Frankreich) für "Chienne d"Histoire".

Der US-Kultregisseur Tim Burton leitete dieses Jahr die Jury des 63. Filmfestivals in Cannes. Der 51-Jährige zählt zu den Stammgästen: 1994 stand er mit seinem Spielfilm "Ed Wood" selbst auf der Liste für die Goldene Palme. Die weiteren Jurymitglieder waren:

Kate Beckinsale (Schauspielerin/GBR), Giovanna Mezzogiorno (Schauspiel./ITA), Alberto Barbera (Nat.Kinomuseum/ITA), Emmanuel Carrere (Regis./Autor/FRA), Benicio Del Toro (Schauspieler/PUR), Victor Erice (Regisseur/ESP), Shekhar Kapur (Regis./Schausp./IND), Alexandre Desplat (Komponist/FRA).

In der nachfolgenden erweiterten Ansicht haben wir noch einmal alle diesjährigen Wettbewerbsfilme und die "Goldenen Palmen" der letzten Jahre aufgelistet. Die Liste der 28 "German Films" im Auftrag deutscher Produzenten und Weltvertriebe hatten wir bereits am 11. Mai hier im BAF-Blog präsentiert. "Filmfestspiele in Cannes im Zeichen der Krise?" vollständig lesen

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