Skip to content

Kinosterben in Berlin (update)


Dem Zoopalast droht das Ende, denn der UCI Betreiber des denkmalgeschützten Kinocenters am Berliner Bahnhof Zoo soll den Mietvertrag gekündigt haben, schrieb die Berliner Morgenpost am 10. Oktober.


In unserem BAF-Blog Beitrag vom 30. Mai 2007 hatten wir noch froh verkündet, dass sich der Denkmalschutz erfolgreich gegen Abrisspläne des Traditionskinos aus den 50er Jahren wehren konnte. Eine Reduzierung der Sitzplätze im großen Saal sollte der Kompromiss sein, um rund um das Kinocenter eine Shopping-Mall errichten zu können. Das kleineren, später gebauten Kinos im Anbau würden allerdings definitiv nicht bestehen bleiben, sondern einer Passage weichen. Mittlerweile wurde bekannt, dass auch Saal 4, das ehemalige Atelier am Zoo in Form und Aussehen erhalten bleibt. Sollte wieder ein Kino eingebaut werden, würden jedoch auch hier die Sitzplätze reduziert.

Die zweijährigen Bauarbeiten hätten allerdings längst beginnen sollen, um für die übernächsten Filmfestspiele wieder betriebsbereit zu sein. Die Berlinale ist auf annähernd 1000 Plätze angewiesen, die in dieser Größenordnung in keinem anderen Kino Berlins zur Verfügung stehen. Mit der Kündigung des UCI Betreibers hat auch der Architekt die Flucht ergriffen und steht für den Umbau des mühsam ausgehandelten Kompromisses nicht mehr zur Verfügung. Wie es weitergeht ist nun noch offen. Bis zum nächsten Jahr werden im beliebten Premierenkino wohl noch Filme gezeigt, dann wird wahrscheinlich eine Entkernung der äußeren Hülle erfolgen.

Damit ereilt dem Zoo-Palast womöglich das gleiche Schicksaal, wie dem ehemals schräg gegenüberliegenden Gloria-Palast am Kurfürstendamm. Auch dort hatte seinerzeit der Denkmalschutz für einen Umbau Auflagen erteilt. Um eine bessere Nutzung des Grundstückes zu erlangen wurde der historische Saal zerlegt und ein neues Kino etwas versetzt wieder aufgebaut. Danach wurde die hölzerne Wandtäfelung nach altem Vorbild wieder eingebaut. Jedoch nicht für lange Zeit. Zwar musste auch das Foyer mit der geschwungenen Treppe erhalten bleiben, so wie sie heute noch zu sehen ist - alles andere, einschließlich des Kinosaales, wurde jedoch wenige Jahre nach der Einweihung wieder geschlossen und anschließend von einem Modegeschäft zweckentfremdet.

Mit der Schließung des Zoo-Palastes verliert die alte West-City eines ihrer letzten Premierenkinos. Der Royal-Palast im Europa-Center, mit der ehemals größten gekrümmten 70mm CinemaScope Leinwand, ist bereits komplett verschwunden. Astor, Marmorhaus und Filmbühne Wien beherbergen ebenso wie der Gloriapalast nur noch Einzelhandelsgeschäfte. Der ehemalige UFA-Palast am Ku-damm, jetziger Filmpalast Berlin, hat glücklicherweise einen neuen Betreiber in der VEB Filmtheaterbetriebe gefunden (Inhaber sind Florian Weischer - Geschäftsführender Gesellschafter der Werbeagentur WerbeWeischer & Hans Joachim Flebbe - scheidender Vorstand der CinemaxX AG). Der Eigentümer des Zoo-Palastes, die Bayerische Bau- und Immobiliengruppe, plant dagegen seit längerem eine verdichtete Bebauung des Zentrums am Zoo, um mehr Rendite zu erwirtschaften. Der Umbau des dazu gehörenden Bikini-Hauses und zweier Hochhäuser geht allerdings nur schleppend voran. Auch das geplante Riesenrad neben dem Eingang des Zoos soll inzwischen etwas kleiner ausfallen, weil in der augenblicklichen Wirtschaftskrise niemand mehr so teuer bauen kann wie ursprünglich geplant.

Doch das sind nicht die einzigen Hiobsbotschaften, die wir verkünden müssen. Das Kinosterben geht offensichtlich auch im Ostteil der Stadt weiter. Die „Tilsiter Lichtspiele“ in Friedrichshain wurden in diesem Jahr 100 Jahre alt. Doch nach Unstimmigkeiten mit dem Vermieter des Hauses, wegen drastischer Mieterhöhungen, scheint der Betreiber wohl aufgeben zu müssen. Das wäre das dritte Kino in wenigen Wochen, welches schließen muss, denn auch das vor wenigen Jahren neu gebaute Alhambra Cineplex-Kinocenter in Wedding steht durch Insolvenz des Eigentümers vor dem aus und soll zwangsversteigert werden. Zum ersten Versteigerungstermin hat jedoch noch niemand ein Gebot abgegeben.

Im alten West-Berlin hatte das Alhambra Kultwert erlangt. Bereits 1912 stand an dieser Stelle das Stummfilmkino "Apollo". 1921 wurde es der Zeit entsprechend zum Tonfilmkino ausgebaut, jedoch im Krieg leider wieder völlig zerstört. Der dritte Neuanfang im Jahre 1953 währte immerhin bis 1999. Die Wende und die Multiplex Konkurrenz bescherten den alten Kinos jedoch eine düstere Zukunft. So ließ der Erbe das Kino noch einmal abreißen und schuf an der Seestraße einen weithin sichtbaren vierstöckigen Glaspalast, das Cineplex-Kinocenter mit Bars und Restaurants. Anfänglich war die Neugierde noch groß und die Besucher kamen in Schaaren. Mittlerweile gehört der Weddinger Kiez zum armen Leute Viertel, so dass die Betreiberfirma, die Kinocenter Neukölln GmbH, das Ende nahen sieht.

Zur Geschichte vieler Berliner Kinos liefert die private Internetseite www.kinokompendium.de recht liebevoll recherchiertes Material. Die Internetadresse www.allekinos.com/berlin.htm listet sogar noch weitere, längst seit Jahrzehnten geschlossene Kinos auf.

(update)
Die UCI Kinowelt hat als Reaktion auf die Meldungen in der Tagespresse bezüglich der Situation im Zoo Palast in Berlin inzwischen eine Stellungnahme angegeben. Das Fachblatt filmecho/filmwoche berichtet, dass der Spielbetrieb noch mehr als ein Jahr unverändert weiterläuft und erst Ende 2009 die Schließung des Zoo Palastes ansteht. Damit wurde laut UCI, allen Mitarbeitern die Möglichkeit gegeben, sich insgesamt 2,5 Jahre auf die Situation einzustellen und ggf. bei einem anderen UCI-Kinocenter zu bewerben.
Dass bei dieser Ankündigung der Betriebsrat sich an die Öffentlichkeit wandte, ist kaum verwunderlich. Trotz Forderung wurde den Mitarbeitern offensichtlich kein ausreichendes Angebot zur Umsetzung oder ggf. Abfindung langjähriger Mitarbeiter unterbreitet. Es scheint so, dass in dem Unternehmen die sozialverträglichen Arbeitsplatzbedingungen möglicherweise im Argen liegen. Ob nach dem Umbau die UCI als Kinobetreiber des Zoopalastes noch einmal auftritt scheint fraglich.

Anzeige